Positionen & Meinungen Was ist der bedungene Gebrauch?

Die Räumungsklage gegen das Café Landtmann wird wohl erst vom Obersten Gerichtshof final entschieden. „Es geht nicht darum, Herrn Querfeld mit juristischen Tricks loszuwerden, sondern zu einem Ergebnis zu kommen, das einem Drittvergleich standhält“, betonen Novoreal-Vorstand Martina Schmidradner und ihre beiden Anwälte Irene Welser und Manfred Ton (Cerha Hempel). Man ist aber entschlossen, das Verfahren, wenn notwendig, bis zum Höchstgericht durchzufechten.

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Was ist der  bedungene Gebrauch?

Steht ein Vergleich im Raum? Liegt ein Angebot am Tisch?  

Irene Welser: Wir haben diesen Rechtsstreit nicht gesucht. Er ist das Ergebnis einer monatelangen Entwicklung. Wir haben Verständnis für unsere Mieter. Wir haben mit vielen Geschäftsmietern eine Einigung erzielen können, in unseren Augen faire und ausgewogene Lösungen. Die Mieter haben diese Lösungen auch angenommen. Wir sind nach wie vor vergleichsbereit. Wenn einmal ein Gegenangebot käme, könnten wir darüber sprechen.

Berndt Querfeld hat uns im Verhandlungssaal gesagt, man habe ja seine Handynummer. Am Tag davor hat er uns allerdings ausrichten lassen, es wäre keine Gesprächsbasis mehr gegeben. Wir glauben nicht, dass die Causa so einseitig zu sehen ist. Wir rechnen uns für das gerichtliche Vorgehen sehr gute Chancen aus.

Irene Welser: „Wir haben diesen Rechtsstreit nicht gesucht. Er ist das Ergebnis einer monatelangen Entwicklung.“

Was macht Sie so sicher? 

Irene Welser: Zum einen stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 1104 ABGB. Ist das Objekt tatsächlich unbrauchbar? Oder ist es nicht so, dass bloß der Betrieb, konkret der Betrieb, den das Café Landtmann betreibt, gewissen Einschränkungen unterliegt? Es ist klar, dass § 1104 ABGB eine neutrale Sphäre regelt und daher das Risiko nicht einseitig zuteilt. 

Gemäß § 1096 Abs 1 ABGB ist der Bestandgeber verpflichtet, den Bestandgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten, wenn allgemein vorhersehbare Ereignisse eine Unbrauchbarkeit bewirken. Ist hingegen der Mieter verhindert, das Bestandobjekt zu nutzen oder zu gebrauchen, obwohl es benutzbar ist, so fällt nach § 1107 ABGB ihm das Zinsrisiko zu. Er hat den Zins zu bezahlen. Außerordentliche Zufälle kommen aber aus der neutralen Sphäre und  treffen gemäß § 1104 ABGB beide Teile gleichermaßen.  

Manfred Ton: COVID-19 ist eine Pandemie, deren Auftreten nicht mit einem konkreten Bestandobjekt zusammenhängt, sondern weltweit alle trifft. COVID-19 ist daher auch kein spezifisches Vermieterrisiko. Ein gänzlicher Zinsentfall für die Lockdown-Phasen scheidet zudem aus, wenn das Bestandobjekt zumindest teilweise genutzt wurde, etwa für Take-Away oder Lieferservices oder im Rahmen eines Click & Collect-Konzepts. 

Irene Welser: Zum konkreten Fall: Für BEIDE Vertragspartner war beim Abschluss des Mietvertrages unvorhersehbar, dass es zu derart langfristigen behördlichen Einschränkungen kommt wie sie die Lockdown-Vorschriften vorsehen. 

Manfred Ton: „COVID-19 ist eine Pandemie, deren Auftreten nicht mit einem konkreten Bestandobjekt zusammenhängt, sondern weltweit alle trifft. COVID-19 ist daher auch kein spezifisches Vermieterrisiko.“

Manfred Ton:  Das Bestandobjekt ist gänzlich intakt, es muss also nicht wiederhergestellt werden. Die Wertung des § 1104 ABGB ist daher nicht erfüllt: § 1104 ABGB besagt nämlich, dass der Mieter zwar, sofern das Objekt komplett unbrauchbar ist, von der Zahlung des Mietzinses befreit ist, im Gegenzug aber der Vermieter das Objekt nicht wiederherstellen muss. 

Irene Welser: Kann der § 1104 ABGB daher überhaupt greifen? Aus unserer Sicht nicht. Die Risikotragung durch eine einzige Partei kann COVID-19 nicht gerecht werden, weil es sich in keiner der beiden Sphären ereignet hat und gerade zu keiner Substanzbeeinträchtigung führt. Die Pandemie trifft die ganze Welt gleichermaßen. § 1104 ABGB berücksichtigt den Fall, dass das Bestandobjekt nicht untergegangen ist, nicht. Die richtige Abhilfe für solche Fälle bietet die Lehre von der Änderung der Geschäftsgrundlage, nicht aber § 1104 ABGB. 

Es handelt sich somit um eine  Gesetzeslücke? 

Irene Welser: Es liegt insofern eine Lücke vor, als § 1104 ABGB des Falles nicht gedenkt, dass das Objekt unversehrt ist und der Entfall der Wiederherstellungspflicht des Vermieters keinen adäquaten Ausgleich für den Mietzinsentfall bietet. Man muss sich insbesondere fragen, was war denn eigentlich die Geschäftsgrundlage dieses ganzen Mietverhältnisses? Die Geschäftsgrundlage war einerseits, dass ein Caféhaus betrieben werden kann, und andererseits, dass dafür Zins gezahlt wird. Nicht aber, dass dieses Äquivalenzverhältnis durch einen behördlichen Eingriff betreffend die Nutzung eines intakten Bestandobjekts aufgehoben wird. Daher glauben wir, es ist ein Risiko beider Vertragsparteien. Wir sagen auch nicht, dass es ein einseitiges Risiko ist. Diesem Umstand tragen wir dadurch Rechnung, dass wir für die Zeiten des Lockdowns, des wirklichen, harten Lockdowns ohne staatliche Hilfen, nur 25 Prozent des Mietzinses einklagen.

Manfred Ton:  Im Rechtsstreit geht es aber nicht nur um die Phase des „harten Lockdowns“. Er betrifft auch die Phase der ersten Öffnung. Hier wird von der Gegenseite argumentiert, „Es waren aber weniger Touristen da. Es waren weniger Kunden. Es mussten Abstandsregeln eingehalten werden.“ Diese Abstandsregeln mögen zwar für die Gastronomie speziell anlassfallbezogen festgeschrieben worden sein, sie waren aber in Form des vielzitierten „Babyelefanten“ österreichweit in Geltung. Daher ist unsere Ansicht, dass hier kein Eingriff erfolgt ist, sondern der Betrieb möglich war. Es war auch gut besetzt, wie wir wissen. Die nächste Frage ist, ob die vorgeschriebenen Abstände tatsächlich zu einer Sitzplatzminderung geführt haben.  Das Beweisverfahren wird ergeben, dass dies nicht der Fall war. Wir können dafür Fotos vorlegen. 

Irene Welser:  Zu dieser Phase sagt jetzt der Betreiber, dass er nur 55 bis 60 Prozent zahlt, weil das Caféhaus nicht voll war. Aber das Caféhaus war geöffnet. Weniger Touristen sind kein Zinsminderungsgrund. Ich habe schon einmal gesagt, Hallstadt ist auch nicht deshalb unbrauchbar, weil weniger Asiaten kommen. Detto kann man auch nicht sagen, die Wiener Innenstadt ist als Ganzes, jedes Objekt in der Wiener Innenstadt ist unbrauchbar, weil weniger Kundschaft kommt.  Aber ich frage Sie, ist ein Wirtshaus wirklich unbrauchbar, wenn die Soldaten an der Front sind, und daher nicht auf ein Bier gehen? Das glauben wir eben nicht. Wir glauben auch nicht, dass ein Lebensmittelgeschäft unbrauchbar ist, weil die Leute während der Bombenangriffe im Luftschutzkeller sind. Das sind sehr drastische Beispiele, aber das rührt eben daher, dass Krieg und Seuche in § 1104 ABGB gleichbehandelt werden.

Irene Welser: „Ist ein Wirtshaus unbrauchbar, wenn die Soldaten an der Front sind, und daher nicht auf ein Bier gehen? “

Manfred Ton: Es kommt ja darauf an, was ist zugesagt? Was ist der bedungene Gebrauch? In unserem Fall haben wir keinen Mindestumsatz oder eine Mindestgästezahl zugesagt. Es handelt sich um bloße Flächenmiete. Damit spielt es keine Rolle, wenn weniger Gäste kommen oder Abstandsregeln gelten, die zu Umsatzeinbußen führen. 

Umsatz ist kein Vertragsinhalt. Umsatz ist allein in der Risikosphäre des Unternehmens? 

Manfred Ton:  Umsatz betrifft – im Falle Querfeld – ausschließlich die Sphäre des Unternehmers. Wir stellen nur die Fläche zur Verfügung. 

Irene Welser: Außerdem waren die Abstandsregeln in der Gastronomie so gestaltet, dass innerhalb der Gästegruppen gar kein Abstand einzuhalten war. Hält man sich die Situation im Café Landtmann mit den Sitzgruppen und Logen vor Augen, sieht man, dass zwischen diesen kein zusätzlicher Abstand eingehalten wurde.

Manfred Ton: Bei der Gesamtbetrachtung dürfen auch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. Für November und Dezember hat es Umsatzersatz gegeben. Lockdown-Umsatzersätze, die doch sehr massiv sind.  Hier sind wir der Meinung, und in diese Richtung geht auch die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien, dass erhaltene Umsatzersätze zu berücksichtigen sind.

Manfred Ton: „Bei der Gesamtbetrachtung dürfen auch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. Für November und Dezember hat es Umsatzersatz gegeben. Lockdown-Umsatzersätze, die doch sehr massiv sind.“

Irene Welser: Seit kurzem sind im Transparenzregister die erhaltenen Umsatzerlöse abrufbar. Die Querfeld-Kaffeehaus-Gesellschaft, also unsere Mieterin, hat am 10. November 2020 637.000 Euro, offensichtlich Umsatzersatz, jedenfalls staatliche Förderung, von der COFAG erhalten. Für einen einzelnen Monat 637.000 Euro. Dabei machen die offenen Bruttomonatsmieten für den Monat November lediglich ca. 50.000 Euro aus. 

Manfred Ton: Die gesamten per Ende April 2021 offenen Mieten waren 545.000 Euro. Davon haben wir aber nur in etwa 390.000 Euro eingeklagt, weil wir gesagt haben, für diese Zeit, zu der ein Betretungsverbot galt, und in der kein Umsatzersatz gewährt wird, verlangen wir für die Caféhausflächen eben nur 25 Prozent. 

Ich denke, das ist mehr als fair – diese Flächen beinhalten auch Lager im Keller und im Zwischengeschoß, die allein 40 Prozent ausmachen. Diese Lager wurden ja weiter genützt.

Wie sind Sie auf den Pauschalsatz von 25 Prozent gekommen? 

Martina Schmidradner: Wir haben dieses Angebot vielen unserer Geschäftsmieter in einer ähnlichen Form gemacht, weil wir verstehen, welche Schwierigkeiten der Lockdown mit sich bringt und wir unsere Mieter unterstützen wollen. Und daraus hat sich ein Betrag ungefähr zwischen 20 und 25 Prozent ergeben. Dieses Angebot haben die allermeisten unserer Mieter sehr fair gefunden und auch angenommen. 

Manfred Ton:  Das war eine vereinfachte, pauschalierende Betrachtungsweise. 

Martina Schmidradner:  Zwar individualisiert auf den einzelnen Mieter und die Branche. Auf dieser Basis haben wir gemeinsam mit unseren Geschäftsraummietern partnerschaftliche Lösungen gefunden.

Irene Welser: Ein paar Worte zu den staatlichen Förderungen: Es gibt zwei wesentliche Instrumente in diesem Zusammenhang. Das eine ist der Fixkostenzuschuss, und das andere ist der Umsatzersatz. Der Fixkostenzuschuss wird ja explizit auch gewährt, um damit Geschäftsraummieten und Pachtzinse zu bezahlen. Die Richtlinien sehen hier eine Schadensminderungspflicht des Mieters ex ante vor. So ist es explizit bezeichnet. Das heißt, eine Schadensminderungspflicht im Vorfeld, wo man sagt, der Mieter muss versuchen, mit dem Vermieter eine Einigung zu erzielen, und wenn das nicht möglich ist, dann bekommt er diesen Fixkostenzuschuss. Man will den Mieter nicht in einen Streit, schon gar nicht in einen Räumungsstreit hineintreiben. Das ist die Idee, die auch in den Richtlinien ziemlich deutlich zum Ausdruck kommt.

Muss ich mich klagen lassen, um vor der Behörde sagen zu können, ich habe alles versucht, oder reicht ein Schreiben des Vermieters, „Nein. Es gibt keinen Nachlass“? 

Irene Welser: Die Richtlinien sagen, es reicht, außergerichtlich eine Lösung mit dem Vermieter zu suchen. Wenn das nicht möglich ist, dann wird der Fixkostenzuschuss gewährt. In den Richtlinien steht explizit, dass mit dem Vermieter kein Gerichtsverfahren zu riskieren ist. Es ist nachvollziehbar, dass man möglichst unkompliziert Mieter unterstützen und im Vertragsverhältnis Frieden bewahren will. Wenn diese Bemühungen allerdings scheitern, dann gibt es den Zuschuss. Dieser ist zweckkonform zu verwenden. Also auch zum Bezahlen von Mieten. Es kann nicht sein, dass man einen Fixkostenzuschuss lukriert, diesen aber nicht zur Deckung der Fixkosten verwendet. Der zweite Punkt ist der Umsatzersatz, der im Fall der Gastronomie im November 2020 80 Prozent des Umsatzes des Vorjahresnovembers ausmacht. Eine mehr als großzügige Lösung. Wie gesagt: 637.000 Euro hat der Betreiber des Café Landtmann erhalten, überwiesen vier Tage, nachdem man den Umsatzersatz beantragen konnte. 

Manfred Ton:  Noch ein Wort zum Umsatzersatz. Den gab es in voller Höhe, auch wenn ein Liefer- und Take-away-Service betrieben wurde. Das hat den Umsatzersatz also nicht geschmälert. 80 Prozent, das ist an sich, glaube ich, eine großzügige Zahl für eine staatliche Förderung. Aber wenn man dann sagt, zusätzlich darf man noch dieses Geschäft machen, und das behalten, was man daraus lukriert, ist das schon ein Punkt. Der Umsatzersatz ist kein Geschenk auf Steuerzahlerkosten. Es ist klar vorgegeben, dass diese Förderungen dazu dienen, die Zahlungsfähigkeit und die Liquiditätsstärke der Unternehmen zu erhalten. Es steht außer Streit, dass widmungswidrige Verwendung auch zur Zurückzahlung der Umsatzersätze führen kann. Das zeigt auch, dass es nicht ein frei verfügbarer Betrag ist, den man, wofür man will, verwenden kann. Es geht darum, laufende Kosten zu decken. Ich lukriere einen Umsatz, und damit decke ich meine Fixkosten, meine laufenden Kosten. Strom, Versicherung – und meine Mieten. 

Irene Welser: Tatsächlich wird vom Café Landtmann seit November bis zum Ende des Lockdown II kein Euro bezahlt. Nicht einmal die Betriebskosten. Nichts. Auch nicht für die Büroflächen. Trotz gut gehenden Tortenverkaufs und Konditorshows. Wir haben das Café Prückel vis-à-vis unserer Kanzlei, da geht man hin und holt sich das Take-away aus dem Lokal. Beim Landtmann wird es auf besondere Art gemacht, nämlich man sagt: „Wir rühren das Bestandobjekt innen nicht an. Wir verkaufen alles im Schanigarten.“ 

Martina Schmidradner: „Natürlich können Nebenaspekte eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel eine Mietvertragsverlängerung im Raum steht.“

Die Torten sind fakturiert auf die hauseigene Konditorei-Gesellschaft mit dem Sitz in Alt Erlaa. Man bedient sich einer Umgehungskonstruktion: „Wir machen es ja draußen. Die Schanigärten-Fläche haben wir ja von der Stadt Wien, und nicht von euch.“ Das sehen wir eigentlich schon als eine bemerkenswerte Vorgangsweise, die offenbar ganz bewusst gewählt wurde, um auf dem Papier sagen zu können: „Wir haben leider null Umsatz.“ 

Manfred Ton:  Das Geschäft läuft über Vorflächen zum Objekt, die man hier nicht bekommen könnte ohne den mit uns abgeschlossenen Mietvertrag über Fassadenteile, an denen der Wintergarten angebracht ist. Auch die Schanigarten-Konzession bekommt man nur, wo man ein Lokal hat. Unsere Kanzlei könnte dort zB keinen Schanigarten aufmachen.  

Irene Welser: Bei den hohen Umsatzersätzen müssten sich die Mieten doch ausgehen. Ich wage zu behaupten, dass das in den meisten Fällen mehr als ausreicht. Denn es gibt keinen Wareneinsatz, es fallen weniger Personalkosten an, und der Unternehmer hat deutlich weniger Kosten, als wenn er das Geschäft offen hätte, weil er ja keinen laufenden Betrieb führt. Die Kredite wurden in der Regel sogar von den Banken gestundet. Also selbst da hätte er unter Umständen nichts zu bezahlen. Steuerzahlungen wurden gestundet. Ich denke, dieser Umsatzersatz hat dazu geführt, dass eigentlich genug Liquidität da sein müsste.

Irene Welser: „Ich denke, dieser Umsatzersatz hat dazu geführt, dass eigentlich genug Liquidität da sein müsste.

Manfred Ton: Vielleicht noch ein Gedanke zum § 1104. Viele sagen, der § 1104 regle den Wegfall der Geschäftsgrundlage schon in sich. Dies trifft jedoch nur soweit zu, als der Entfall der Mietzinszahlungspflicht auch wirklich durch die Befreiung des Vermieters von der Wiederherstellungspflicht aufgewogen wird, was bei COVID-19 Fällen nicht der Fall ist. Außerdem ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage eine moderne Figur, die von der Lehre erst weit nach Entstehung des § 1104 geschaffen wurde.  

Martina Schmidradner: Wir haben versucht, alle Mieter möglichst gleich zu behandeln. Natürlich können Nebenaspekte eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel eine Mietvertragsverlängerung im Raum steht.  

Wir streben immer partnerschaftliche Lösungen mit unseren Mietern an, Es gibt viele Immobilienbesitzer. Wir sind ja bei Weitem nicht der einzige Vermieter - zum Beispiel Immobilienfonds, die Anlegergelder zu veranlagen haben. Es gibt Pensionskassen, die ein Ergebnis darstellen müssen, um Pensionen zuzusichern. Das Thema ist, glaube ich, wesentlich größer und weiter zu sehen als „Stiftung gegen großes Caféhaus“. Es geht um einen fairen Ausgleich. 

Es gibt aber bereits Entscheidungen von Bezirksgerichten, die die Position der Mieter zu stärken scheinen?  

Irene Welser: In zwei erstinstanzlichen Entscheidungen, die ein Textilhandelsunternehmen und einen Friseursalon betrafen, hat das Bezirksgericht Meidling den Mietern für die Phase des ersten Lockdowns eine Zinsbefreiung zugestanden. Auch ein zweitinstanzliches Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, in dem es um eine im ersten Lockdown geschlossene Buchhandlung und einen Betrag von nicht einmal 2.000 Euro ging, bejahte für diesen Zeitraum ein – allerdings nur teilweises – Zinsbefreiungsrecht des Mieters. 

Ohne diese Entscheidungen abwerten zu wollen: Es handelt sich um unterinstanzliche Entscheidungen. Die Beweisthemen und Rechtsfragen waren auch bei weitem nicht so komplex wie hier. Höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt es dazu bis dato eben noch nicht.  

Rechtssicherheit wird wohl erst der OGH schaffen? 

Irene Welser: Auch wenn sich der Fall gut eignet, um Klarheit in allen Rechtsfragen zu schaffen, sind wir trotzdem weiterhin vergleichsbereit und müssen das nicht um jeden Preis bis nach oben treiben. Aber wir fürchten uns auch nicht davor. 

Kann eine Stiftung schwerer als ein privater Vermieter auf etwas zu verzichten? Begünstigte könnten sich von Entscheidungen geschädigt fühlen und vielleicht nach zwei, drei Jahren den Vorstand  mit Schadensersatzforderungen  konfrontieren? 

Martina Schmidradner: Keine Frage, als privater Eigentümer hätte ich mehr Spielraum. Von Mensch zu Mensch gemeinsam Lösungen finden geht trotzdem.

Irene Welser: „Auch wenn sich der Fall gut eignet, um Klarheit in allen Rechtsfragen zu schaffen, sind wir trotzdem weiterhin vergleichsbereit und müssen das nicht um jeden Preis bis nach oben treiben. Aber wir fürchten uns auch nicht davor.“

Seit 1992 ist Irene Welser Rechtsanwältin und Partnerin der Wirtschaftskanzlei Cerha Hempel. Sie leitet das Department „Streitige Angelegenheiten“ und ist seit 2003 Honorarprofessorin für Privatrecht an der Universität Wien. Dr. Irene Welser vertritt die Vermieterin im „Landtmann-Streit“ und hat zu mietvertraglichen Fragen rund um COVID-19 auch in mehreren Medien publiziert. 

Manfred Ton ist seit 2003 Rechtsanwalt und Partner bei Cerha Hempel; Mitglied des Departments „Real Estate & Construction“. Auch  Dr. Manfred Ton ist anwaltlicher Vertreter der Vermieterin; er verfügt über breite Expertise bei Liegenschaftstransaktionen und immobilienbezogenen Streitigkeiten.

Dr. Martina Schmidradner ist Mitglied im Vorstand der Novoreal, einer Tochtergesellschaft der an nachhaltigem Werte-Management orientierten Karl Wlaschek Privatstiftung. Die promovierte Betriebswirtin war zuvor in Leitungsfunktionen bei führenden institutionellen Immobilieninvestoren tätig und verantwortete dort nationale und internationale Portfolios unterschiedlichster Eigentümer- und Objektstrukturen.  

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