Positionen & Meinungen Was zählt.

Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich

Mein jüngstes Bauprojekt, mit dem ich an den Start gehe, ist noch vor der Gründerzeit erbaut worden und liegt mitten in einer Wiener Schutzzone.

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Was zählt.

Die ehemalige Pension wurde von einem desinteressierten Besitzer zum nächsten gereicht –Instandhaltungsarbeiten gleich null – und letztendlich ist es bei mir gelandet. Als ich es vor drei Jahren übernommen habe, war es schon mehr als „marod“. Von Regionalmedien wurde es aufgrund zahlreicher Proteste von Anrainern mit dem wenig rühmlichen Prädikat „Schandfleck der Woche“ prämiert.  Vor einigen Wochen ging die Bauphase los.

Effiziente Flächennutzung

Keine Sorge, ich bewerbe hier nicht mein nächstes Bauprojekt. Jahrelang siechte dieses Haus praktisch vollkommen verlassen vor sich hin und war kaum anzusehen. Mehr noch, in Zeiten, in denen es quasi ein Gebot sein muss, Flächen so effizient wie möglich besonders in der Stadt auszunutzen und zu verdichten, kam neben der grässlichen Optik natürlich auch noch der nicht genutzte Boden in die Waagschale. Viele Anrainer beschwerten sich über die so zentral gelegene und damit gut sichtbare, leerstehende Ruine mitten in einer sonst so beschaulichen Straße.

Nicht nur mich selbst freute, dass das Planungsergebnis optisch gut gelungen ist, sondern vor allem technisch auf die allerneuesten ökologisch nachhaltigen Errungenschaften baut. Von der Tiefgarage bis hinauf in den Dachboden wird das Objekt ein klarer Umweltfreund. Das positive Feedback nach der Projektpräsentation war überwältigend.

Kleiner Wermutstropfen

Aber es gibt auch kritische Stimmen. Eine Handvoll alteingesessener Anrainer machte ihrer Wut Luft darüber, dass der grüne Wildwuchs um das Haus nach den ersten Arbeiten einer Erdenflut weichen musste.  Diverse Postings machten in den Social-Media-Kanälen die Runde. So sehr ich überzeugt bin, dass dort ein ökologisch nachhaltiges, sich perfekt in die Schutzzone einfügendes, charmantes Objekt entsteht, das Wohnraum für alle Generationen bietet, ein Wermutstropfen bleibt. 

Auch wenn ich zu 100 Prozent zum Bau stehe, auch wenn ich weiß, dass es ein durch und durch umweltfreundliches Bauprojekt wird, die kleine „Gstettn“, die dem Bau jetzt zum Opfer fiel, war ökologisch wertvoll. Das ist einfach nicht wegzudiskutieren.  Und jede und jeder, der sich die Mühe macht, darauf seriös hinzuweisen, verdient unseren Respekt.  Denn sie erinnern uns daran, dass die Frage darüber, was ökologisch und sozial nachhaltig wirkt, viel mehr an Abwägungen bedarf, als die wenigen in den aktuellen  Diskussionen. 

Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträger­sprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien.

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