Aufbruch zu neuen Ufern

Schwarmfinanzierung. Dass Crowdfunding auch für Immobilien eine glorreiche Zukunft vor sich hat, davon zeigt sich Expertin Elfriede Sixt im Interview mit dem ImmoFokus überzeugt. Im Juni könnten wir in Österreich schon ein entsprechendes Gesetz haben. Wie alltagstauglich das Gesetz ist, wird sich herausstellen, doch scheint man auf einem guten Weg zu sein.

von 0 Minuten Lesezeit

Schwarmfinanzierung. Dass Crowdfunding auch für Immobilien eine glorreiche Zukunft vor sich hat, davon zeigt sich Expertin Elfriede Sixt im Interview mit dem ImmoFokus überzeugt. Im Juni könnten wir in Österreich schon ein entsprechendes Gesetz haben. Wie alltagstauglich das Gesetz ist, wird sich herausstellen, doch scheint man auf einem guten Weg zu sein.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Crowdfunding?

Ich betreue seit 15 Jahren Start-up-Unternehmen und im Zuge dessen begann ich mich im Jahr 2010 auch für alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu interessieren. Damals war die Szene noch sehr klein, ich hatte vor allem Kontakt zur deutschen Crowdfundingszene wie Jens-Uwe Sauer, der dann die bis dato wohl erfolgreichste Crowdinvesting-Plattform in Dresden, Deutschland, www.seedmatch.de gegründet hat, oder Denis Bartelt, der die deutsche Reward-basierende Crowdfunding-Plattform www.startnext.de gestartet hat.

So lernte ich auch Karsten Wenzlaff, ikosom Berlin, kennen, auf dessen Initiative wir das German Crowdfunding Network 2014 gegründet haben. Ich betreibe zu dem Thema auch einen eigenen Blog (www.ebit4u.com), habe im Springer Gabler Fachverlag Ende 2014 das Buch „Schwarmökonomie und Crowdfunding“ publiziert und habe die FinTech Academy (www.fintech.academy) zwecks Lobbying zu diesem Thema gegründet.

Wie hat sich die Geschäftsidee „Crowdfunding“ entwickelt?

Möglich geworden ist das Phänomen Crowdfunding wohl vor allem durch die neuen verfügbaren technischen Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten des Web 2.0. Die Idee des Mitmachgedankens im Web 2.0 resultiert in einer neuen Form der Mündigkeit und Selbstverantwortung der Menschen. Das zeigt sich auch in der großen Anzahl der Kollektivprojekte im Internet wie Wikipedia, der Content Communities, beispielsweise YouTube, oder auch der vielen Einzelblogs.

Der Trend begann 2006 ausgehend von den Vereinigten Staaten mit den P2P und P2C Crowdlending-Plattformen. Dabei vergeben Privatpersonen an Privatpersonen oder Kleinunternehmen Kleinkredite ohne Involvierung von Mittelsmännern. Eine jüngere Entwicklung sind auch Immobilien-Crowdfunding-Plattformen. Bei dieser Art des Crowdfundings geht es um die Finanzierung von meist kommerziellen Immobilienprojekten.

[caption id="attachment_2202" align="alignleft" width="199"](c) cityfoto (c) cityfoto[/caption]

Gibt es bereits Erfahrungsberichte zu den Immobilienplattformen?

Bei den Immobilien-Crowdlending-Plattformen gibt es aufgrund der erst kurzen Historie dieser Plattformen noch nicht viele Berichte über etwaige Misserfolge, Ausfallswahrscheinlichkeiten usw. Interessanterweise sind jedoch auf den US und UK Lending-Plattformen die Kreditausfallsraten sehr, sehr gering. Das liegt auch daran, dass einerseits der Ausleseprozess der Plattformbetreiber sehr intensiv ist und andererseits Transparenz das oberste Gebot darstellt. Jeder Kreditgeber entscheidet selbst, ob er höhere Zinsen erhalten will und damit ein höheres Risiko in Kauf nimmt. Das hat sehr viel mit Eigenverantwortung zu tun, ein Wesenszug, der bei der jungen Internet-Generation immer stärker wird. Die Zinserträge liegen übrigens zwischen 4 und 15 Prozent auf diesen Plattformen, sind also schon wesentlich höher als die Habenzinsen, die momentan von den Banken geboten werden.

Was macht Crowdfunding so populär?

Es ist einmal sicher ein emotionales Thema, die Leute wollen Sachen, die sie gut finden, unterstützen. Weiters führt Crowdfunding zu einer Demokratisierung: Anlagemöglichkeiten in Start-ups oder Immobilienprojekte oder auch simples Mäzenatentum durch Förderung eines Künstlers waren bis vor einigen Jahren nur einer begrenzten Bevölkerungsschicht vorbehalten und sind nun mittels Crowdfundings auch einer größeren Bevölkerungsschicht zugänglich. Und zu guter Letzt natürlich auch der Renditegedanke: Die Zinsen auf Guthaben bei der Bank sind momentan äußerst gering, die verschiedenen Formen des Crowdfundings bieten attraktive Renditen. Mittel- und langfristig ist das meiner Meinung nach das richtige Konzept, wie man Ideen oder Projekte, natürlich auch Immobilienprojekte, finanzieren kann.

Mittlerweile gibt es ja auch in Europa immer mehr Plattformen, die Crowdfunding für Immobilien anbieten. Das Wachstum dieser Plattformen ist enorm.

Wie ist der Status Quo in Österreich bezüglich Crowdfunding?

Es gibt einen auch im internationalen Vergleich sehr interessanten Gesetzesentwurf für ein Crowdfunding- bzw. Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), bis Juni diesen Jahres soll das Gesetz beschlossen werden. Der Entwurf ist speziell im Vergleich zum deutschen Kleinanlegerschutzgesetz als innovativ zu betrachten.

Positiv ist sicher die Anhebung des Finanzierungsvolumens von 1 auf 1,5 Millionen Euro. Bis zu diesem Betrag reicht die Veröffentlichung eines Informationsblattes über das Unternehmen. Positiv sehe ich auch die Möglichkeit der Erstellung eines vereinfachten Prospektes für Crowdfundinginitiativen, die 1,5 bis 5 Millionen Euro betragen. Erst ab 5 Millionen Euro gilt es, ein vollumfängliches Prospekt zu erstellen. Positiv speziell im Vergleich zu Deutschland ist auch die Berücksichtigung von Crowdinvestingkampagnen, die ohne Involvierung einer Plattform durchgeführt werden. Das haben wir sicher Heini Staudinger oder auch Kuno Haas von der Grünen Erde zu verdanken, die ja sehr erfolgreich viel Geld auf diese Weise für ihre Unternehmen lukrierten. Es gibt aber auch ein paar Dinge zu diskutieren.

Welche meinen Sie dabei konkret?

Zu diskutieren ist die vorgesehene Notwendigkeit der Kohärenz-, Vollständigkeits- und Verständlichkeitsprüfung des zu erstellenden Informationsblattes durch einen Wirtschafts-treuhänder, Rechtsanwalt, Unternehmens- oder Vermögensberater bzw. der alternative Abschluss einer Versicherung. Das führt einerseits zu zusätzlichen Kosten einer Crowdfundingkampagne und andererseits sehe ich da viel Diskussionspotential innerhalb der Berufsstände, was zu einer Verzögerung der Gesetzwerdung führen könnte. Die Prüfungspflicht durch diese Berufsgruppen besteht auch hinsichtlich der Gehaltsnachweise jener Investoren, die die Anlagegrenze von 5.000 Euro im Jahr überschreiten wollen. Es bleibt zu hoffen, dass diesbezüglich tatsächlich reine „Auskunftstatbestände“ vorliegen.

Ein weiterer Punkt, der mir auch hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Crowdfundings nicht zielführend erscheint, ist der geforderte Identitätsnachweis jedes Investors unabhängig von der Höhe seines Investments. Ich verstehe, dass hier vor allem die Geldwäschebestimmungen und die KYC-Regelungen Berücksichtigung finden, aber es wird im Internet von den Nutzern immer mehr Wert auf Anonymität gelegt und bis zu einem gewissen Grad (abhängig von der Höhe des Anlagebetrages) sollte das auch Beachtung finden.

[caption id="attachment_2203" align="aligncenter" width="199"](c) cityfoto (c) cityfoto[/caption]

Für die Emission von Aktien und Anleihen muss man bereits ab 250.000 Euro ein vereinfachtes Prospekt erstellen, hier gelten die erleichternden Vorschriften hinsichtlich Informationsblatt nicht, was meines Erachtens nach sehr schade ist. Gerade die Fungibilität der Aktien und der Anleihen hat ihre Vorteile, denn ein noch ungelöstes Thema des Crowdinvestings ist der Sekundärmarkt für die über die Crowdinvesting-Plattformen erworbenen partiarischen Darlehen oder Genussscheine.

Dieser Vorschlag im Gesetzesentwurf, dass bei Projekten bis zu 1,5 Millionen Euro lediglich ein Informationsblatt notwendig ist und bis 5 Millionen ein vereinfachtes Prospekt, ist das nicht ein bisschen wenig Information für die Investoren?

Nein, es entspricht – wie schon erwähnt – dem Gedanken der Eigenverantwortung und auch dem Gedanken der Schwarmintelligenz. So eine Due Diligence eines auf einer Webseite veröffentlichten Projektes durch die vielen Menschen, die im Web sind, kann durchaus sehr kritisch sein. Viele Investoren sind viel technikaffiner als Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, insofern kann man der Crowd schon ein ganzes Stück Vertrauen entgegenbringen. Onlinekäufer sind eine viel kritischere Käuferschicht als es die früheren Versandhandelskunden waren, deren Beschwerden im Rundlauf gelandet sind. Im Internet kann ein einzelner unzufriedener Kunde schnell für sehr viel Unruhe sorgen. Die Kommunikation ist schneller, spontaner und direkter und so ein Shitstorm kann Unternehmen viele Schwierigkeiten bereiten.

Außerdem ist bei all diesen Crowdfunding-Projekten – egal welcher Art – die Transparenz entscheidend. Darin liegt der Erfolg. Umgelegt auf Immobilien-Crowdfunding müssen bei einem solchen Projekt sämtliche Details über das Projekt selbst sowie über die Projektbetreiber, die Projektkalkulation, sonstige Finanzierungspartner usw. offengelegt werden. Erfolg oder Misserfolg eines Crowdfunding-Projektes ist häufig abhängig vom Grad der Transparenz.

Welchen Stellenwert hat Technologie?

Die technische Ausgestaltung der Plattformen ist wesentlich und wird langfristig auch über den Erfolg und Misserfolg der Plattformen entscheiden. Insofern sind die US-Plattformen, die Millionen von Wachstumsfinanzierungen bekommen haben, sicher im Vorteil. Die Plattformen dienen als Kommunikationsinstrument zwischen den Projektbetreibern und ihren Investoren. Die Investoren können bei Immobilien-Crowdfunding-Projekten den Baufortschritt beobachten und sich auf Foren, welche viele Plattformen hierfür bieten, untereinander austauschen. Einige Plattformen bieten sogar bereits Portfoliosysteme, auf denen die Investoren die Entwicklung ihrer jeweiligen Investments verfolgen können. Auch Sekundärmärkte entwickeln sich auf diesen Plattformen.

Welche Chancen geben Sie Crowdfunding in Österreich?

Lassen sie es mich so formulieren: Das in Europa erfolgreichste Land in Bezug auf Crowdfunding ist England und zwar deswegen, weil diese alternative Finanzierungsform bereits sehr früh von der Regierung forciert und auch finanziell unterstützt wurde. Es wurden auch sehr schnell die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, die es ermöglichten, dass sich eine sehr lebendige Crowdfundingszene mit beachtlichem Erfolg innerhalb weniger Jahre entwickeln konnte. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist sicher auch die vorteilhafte steuerliche Gesetzgebung für Risikoinvestitionen in Start-ups. Mit dem Seed Enterprise Investment Scheme (SEIS) können Investoren 50 Prozent der investierten Summe als Gutschrift auf die Einkommensteuer geltend machen. Leider ist so eine Regelung nicht vorgesehen im geplanten Crowdfunding-Gesetz. In Österreich sehe ich große Chancen im regionalen Crowdfunding.

Was verstehen Sie darunter?

Die Tendenz geht dahin, dass die Leute immer selbstbestimmter über ihr Umfeld entscheiden möchten. Zum Beispiel, dass der Greißler im Grätzel erhalten bleibt und einen Kredit bekommt, oder der Schuster. Oder auch, dass sie mitbestimmen wollen, ob in ihrer unmittelbaren Umgebung renoviert wird oder eine neue Wohnanlage entsteht. In den USA gibt es da schon viele Beispiele: Die Bewohner wollen, dass ein Gebäude in ihrer Straße nicht verfällt. Jemand hat eine Idee dazu, das Gebäude wird über Crowdfunding gekauft und einer neuen Nutzung zugeführt. Einer kann es nicht kaufen, aber die Masse schon. Ähnliche Ansätze gibt es ja bereits in Österreich.

[caption id="attachment_2204" align="alignleft" width="199"](c) cityfoto (c) cityfoto[/caption]

In welchem Zusammenhang?

Ferienhäuser aus den 60er und 70er Jahren, gebaut von deutschen Touristen, deren Nachkommenschaft ihren Urlaub lieber auf den Maledivien oder den Seychellen als auf einem beschaulichen österreichischen Bauerndorf verbringen wollen, verfallen faktisch und führen zu Geistersiedlungen in ehemals lebendigen österreichischen Touristengebieten. Ich wurde von den Verantwortlichen in diesen Tourismusgebieten kontaktiert, ob man nicht die Häuser über Crowdfunding kaufen kann, um sie dann einer alternativen Nutzung zuzuführen. Diesem regionalen Crowdfunding sage ich in Österreich eine große Zukunft voraus. Die Leute werden eigenverantwortlicher und sie wollen mitbestimmen, was in ihrer Umgebung passiert.

Das Web ermöglicht die Mitbestimmung?

Natürlich. Mitreden und die Meinung bekunden ist über das Internet leicht möglich. Das ist der Trend und die jungen Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, werden Crowdfunding richtig groß machen. Wir stehen erst am Anfang einer sehr interessanten Entwicklung und sind noch in einem Promillebereich, wenn man sieht, was vergleichsweise die Banken bewegen, aber sie sehen ja auch international, wie hoch die Zuwachsraten sind. Für heimische Projektentwickler ist das eine komplett neue Welt. Man muss mit den Dingen umgehen lernen.

Planen Sie selbst eine Plattform mit ihrer langen Erfahrung?

Ich unterstütze mit meinem Know-how schon länger Plattformen und versuche auch, durch Veranstaltungen Know-how aufzubauen. Beispielsweise planen wir ein weiteres Crowdfunding-Symposium Ende September in Wien mit dem Juridicum Wien und dem German Crowdfunding Network.Was ich persönlich interessant finden würde, wäre der Aufbau einer Immobilienplattform für Zentral- und Osteuropa. Ich glaube, dass es genügend potentielle Investoren geben würde, Leute, die schon immer in Immobilien investieren wollten, aber denen es aufgrund der damit verbundenen teilweise exorbitanten Kosten ganz einfach zu teuer war. Entscheidend ist aber, dass man die Erfahrungen nützt und Konzepte anbietet, die international erfolgreich sind.


DIE GESCHICHTE DES CROWDFUNDING:

Der Trend begann 2006 ausgehend von den Vereinigten Staaten mit den P2P und P2C Crowdlending-Plattformen (Privatpersonen vergeben an Privatpersonen oder Kleinunternehmen Kleinkredite ohne Involvierung von Mittelsmännern).

Die großen Reward-based Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter und Indiegogo wurden dann 2008/2009 gegründet. Der rasche Erfolg und das immense Wachstum dieser Plattformen in den Folgejahren war sicher auch Konsequenz der Bankenkrise 2008. Diese Krise schädigte einerseits das Vertrauen der Menschen in die Bankenlandschaft massiv und sorgte andererseits dafür, dass die Finanzierung für Einzelunternehmer, Kleinunternehmen und innovative Unternehmen immer schwieriger, wenn nicht unmöglich wurde. Daher wurden alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowdlending oder Reward-basierendes Crowdfunding immer populärer. Ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelten sich dann weltweit, jeweils abhängig von den gesetzlichen Regelungen des einzelnen Landes, entsprechende Plattformen. Momentan spricht man bereits von über 800 Plattformen global. Themen der letzten Jahre sind u.a. insbesondere die Regulierung der Crowdinvesting-Plattformen. Sowohl in den USA als auch in den europäischen Ländern gibt es eine historisch lange Tradition des Gedankens des starken Anlegerschutzes, der auch bei dieser neuen alternativen Finanzierungsform beachtet werden muss.

Ein jüngerer Trend sind auch Immobilien-Crowdfunding-Plattformen. Bei dieser Art des Crowdfundings geht es um die Finanzierung von meist kommerziellen Immobilienprojekten. Also Privatpersonen finanzieren gemeinsam über Kurz-, Mittel-, oder Langfristkredite mit/oder ohne Banken bzw. mit/oder ohne Projektfinanzierer spezielle ihnen auf einer Webseite transparent dargestellte Immobilienprojekte.

Quelle: cityfoto
Quelle: cityfoto
Quelle: cityfoto
Quelle: cityfoto