Aus alt mach doch neu!

Österreich ist Weltmeister im Landverbrauch. 20 Hektar werden täglich verbaut, das sind 30 Fußballfelder. Wir betonieren die grüne Wiese zu, weil wir es gar nicht anders gelernt haben.

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Österreich ist Weltmeister im Landverbrauch. 20 Hektar werden täglich verbaut, das sind 30 Fußballfelder (Quelle: Österreichische Hagelversicherung). Es sind nicht nur die Kreisverkehre an allen möglichen oder unmöglichen Stellen, manchmal nur darum gebaut, damit der Bürgermeister und Landesrat etwas zu eröffnen hat, wir betonieren die grüne Wiese zu, weil wir es gar nicht anders gelernt haben.

Wohnbauförderung für die Sanierung alt gewordener Bausubstanz – nur mit großen Einschränkungen und de facto nur in Hinblick auf Energieeffizienz, wirklich fördern wir nur Neubauten mit 40 cm Styropor-Sondermüll auf der Fassade. Die Sanierer alter Bausubstanz bestrafen wir mit üppigen Entsorgungsgebühren für den Bauschutt der Sanierung. Wo sind die Anreize, den viel mühevolleren und kompromissreichen Weg der Sanierung zu gehen, statt Land unwiederbringlich zu vernichten?

In einigen Gemeinden, die mit einer Umfahrungsstraße und damit einhergehendem „Fachmarktzentrum“ mit den üblichen Verdächtigen wie z.B. Fressnapf, Dänisches Bettenlager, Deichmann u.a. ihre Ortszentren entvölkert und gewerbe- und handelsbefreit haben, hat ein Umdenken eingesetzt. Dort laufen die Bürgermeister händeringend, aber meist erfolglos von Pontius zu Pilatus, um wieder Menschen ins Zentrum zu bekommen. Einstweilen rottet die gute alte Bausubstanz vor sich hin.

Umdenken ist angesagt, es wird nicht beim Häuslbauer oder Projektentwickler beginnen. Neu denken beginnt hier sicher bei den Bebauungsvorschriften, bei den Fördermaßnahmen, bei all den Lenkungsinstrumenten, die der Kommunal- und Landespolitik zur Verfügung stehen. Bitte nicht falsch verstehen, keine Verbote und Einschränkungen – die gibt es sowieso zur Genüge – Anreizsysteme und öffentliche Anerkennung für die Reaktivierung alter Bausubstanz reichen sicher aus, bei vielen Menschen einen Umdenkprozess anzustoßen.

Auch bei der ÖGNI haben wir mit diesem Umdenkprozess begonnen. Wir konzentrieren uns in unserer zukünftigen Arbeit auf die Gebäude-sanierung, auf Updates der Steckbriefe, die die Nutzungswünsche der Sanierer abbilden und unterstützen unsere Auditoren bei der Gewinnung von Kunden aus dem Sanierungsbereich. Wir freuen uns schon auf die erste Verleihung eines Zertifikats an ein Sanierungsprojekt und auf die vielen Erfahrungen, die wir dabei gewinnen können.

Gestatten Sie mir zum Ende auch noch einen Blick in die nicht nahe Zukunft. Unsere Gebäude werden heute für eine Lebensdauer von 50 oder 100 Jahre errichtet, dann gehen wir eigentlich (mit einigen ganz wenigen Ausnahmen) davon aus, dass wir abreißen, recyceln, vernichten werden. Warum eigentlich? Weil sich Ansprüche ändern, die Nutzung eine andere wird? Oder weil wir kein Vertrauen haben in die Schönheit und Werthaltigkeit unserer Architektur? Ich denke, auch das ist eine Diskussion, die uns in den nächsten Jahren begleiten wird.

Wie wäre es, wenn wir Gebäude für 200 Jahre denken und planen würden? Flexibler müssten sie sein, nicht auf den letzten Quadratzentimeter für ausschließlich eine Nutzung optimiert, es gäbe besondere Anforderungen an Fassade, Statik und an die benutzten Baustoffe. Und wir bräuchten eine Architektur, die dem Schönheitsempfinden vieler nachfolgender Generationen entsprechen müsste. Spannend.