Das Leben kehrt zurück

Problemzonen. Durch gesetzliche Bestimmungen zur Reduzierung von Lärm- und Abgasemissionen, aber auch durch kreative Stadtplanung und Wohnraumgestaltung werden urbane wohnliche Problemzonen Stück für Stück aufgewertet.

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Problemzonen. Durch gesetzliche Bestimmungen zur Reduzierung von Lärm- und Abgasemissionen, aber auch durch kreative Stadtplanung und Wohnraumgestaltung werden urbane wohnliche Problemzonen Stück für Stück aufgewertet.

In der Wiener Planungsdirektion blickt man zufrieden auf die Entwicklung: „Das primäre Ziel ist es, im Sinne einer umfassenden Erneuerungsstrategie eine nachhaltige Entwicklung der ,Kernstadt‘ sicherzustellen, städtebauliche Defizite zu beseitigen und gleichzeitig bewohner/innenorientierte Infrastruktur zu schaffen“, erklärt daher auch Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien. Bei der „Blocksanierung“ liege beispielsweise der Fokus bei der liegenschaftsübergreifenden gemeinsamen Sanierung ganzer Wohnblöcke.

Die positiven Trends in der baulichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in den Wiener Stadterneuerungsgebieten – vor allem in den Innengürtelbereichen – lassen sich deutlich feststellen, ist Madreiter überzeugt: „Luftschadstoff- und Lärmemissionen verschlechtern die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen und verursachen enorm hohe volkswirtschaftliche Kosten. Es gilt, diese durch vorausschauende Planung und frühzeitige Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen zu minimieren.“

Der Ausweg, den die Stadt erkannt und in umfangreiche Maßnahmenpakete gepackt hat, ist beispielsweise das Klimaschutzprogramm, berichtet der Planungsdirektor: „Die Treibhausgas-emissionen Wiens sind im Zeitraum von 1990 bis 2010 um 10 Prozent gesunken. Mit den umgesetzten Maßnahmenpaketen gegen Feinstaub konnten in den letzten drei Jahren an allen Messstellen alle EU-Grenzwerte für Feinstaub eingehalten werden. Aufgrund der EU-Umgebungslärmrichtlinie werden umfassende Aktionspläne umgesetzt.“

MADREITER Thomas„ Treibhausgasemissionen sind in Wien von 1990 bis 2010 um 10 Prozent gesunken.“ - Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien

„Böser“ Verkehr

Für Lärm und Luftschadstoffe ist der Verkehr Hauptverursacher. Die Forcierung des öffentlichen Verkehrs, die sukzessive Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, die Forcierung des Radverkehrs, die Umnutzung von Straßenzügen als Wohnstraße, Begegnungszone oder Fußgängerzone, die Festsetzung von Tempolimits, die Forcierung emissionsärmerer Fahrzeuge, der Ausbau des Car-Sharing-Angebots und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sind Eckpfeiler der Mobilitätspolitik und -planung der Stadt Wien: „Die konsequente Umsetzung der im Verkehrskonzept Wien 1994 und im Masterplan Verkehr Wien 2003/2008 verankerten Maßnahmen hat im dicht bebauten Stadtgebiet zu einem deutlichen Rückgang des Kfz-Verkehrs und seiner Emissionen und insgesamt zu einer nachhaltigen Verbesserung des ‚Modal Split‘ beigetragen“, so Madreiter.

Auch in Zukunft will man seitens der Stadtverwaltung auf die Kombination Lebensqualität - Infrastruktur - Klimapolitik abstellen. Madreiter: „Die Initiative ,Smart City Wien‘ unterstützt dies durch Aktivitäten, die einen maßgeblichen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch leisten. Ziel ist die Senkung der Treibhausgas-emissionen pro Kopf um 80 Prozent bis 2050 in Wien, im Vergleich zu 1990.“ Denn „Smart City Wien“ stehe für die „intelligente Stadt“ und innovative Lösungen in den Bereichen Energie, Gebäude, Mobilität und Infrastruktur und berücksichtige dabei auch das soziale Zusammenleben.

Mit der „Smart City Wien Rahmenstrategie“ und dem „Fachkonzept Mobilität“ des Stadtentwicklungsplans 2025 hat sich die Stadt Wien im Bereich Mobilität ehrgeizige Ziele gesetzt – bei deren Umsetzung die Bewohner kräftig mithelfen müssen, so Madreiter: „Die Fortbewegung ist durch Ressourcenschonung und Rücksichtnahme auf den öffentlichen Raum gekennzeichnet, den sich die Menschen schrittweise zurückerobert haben. Damit erleben die Menschen in Wien täglich Lebensqualität im Stadtraum durch Ruhe und saubere Luft.“

Wohnattraktivität steigern

Lärm- und Abgasemissionen werden durch zunehmend nachhaltige Planungskonzepte im städtisch dicht besiedelten Gebiet reduziert. Wird dadurch aber der Wohnraum für die Bewohner wieder attraktiv(er)? „Ich denke sehr wohl, dass es sinnvoll und in weiterer Folge effektiv ist, Maßnahmen in dicht besiedelten und problematischen Gebieten zu setzen“, ist Inge Schwarzenberg, Leiterin Wohnimmobilien bei Colliers, überzeugt. Ebenso ist ihrer Meinung nach Car-Sharing ein fixer Bestandteil der jungen, dynamischen und nachhaltig orientiert denkenden Bevölkerungsgruppen: „Solche und bestimmt viele weitere Instrumente und Umsetzungen werden mittel- bis langfristig jene aufgrund hohen Verkehrsaufkommens bzw. der Lage ‚unbeliebteren‘ Wohngegenden wieder attraktiver und interessanter machen.“

Johannes Endl, Vorstand beim Immobilien-Unternehmen ÖRAG, sieht die Thematik zunächst auch an der Verkehrssituation angesiedelt: „Wien wächst stark - und damit natürlich auch das Verkehrsaufkommen insgesamt. Im urbanen, dicht besiedelten Raum übernehmen die sehr leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsmittel einen Großteil der Personenbeförderung. Car-Sharing und E-Mobilität senken das Volumen des Straßenverkehrs hingegen kaum.“ Car-Sharing mache Menschen ohne eigenes Auto im Bedarfsfall mobil, E-Mobilität macht Verkehr ökologisch verträglicher und leiser. Endl: „Car-Sharing ist kaum mehr aus dem Stadtbild wegzudenken, während Elektroautos aufgrund der – aktuell noch hohen–- Kosten und problematischen Reichweite ein Randthema sind.“

Lärmpegel unvermeidlich

Die Hauptverkehrsrouten der Stadt – wie eben der Gürtel – bleiben jedenfalls wichtige Versorgungsadern, besonders für jene Transportaufgaben, die der öffentliche Verkehr nicht übernehmen kann. ÖRAG-Vorstand Endl: „Eine Millionenstadt will eben mit Gütern versorgt werden.“ Ein gewisser Lärmpegel bleibe damit unvermeidlich - selbst dann, wenn alle Fahrzeuge elektrisch unterwegs wären. Schon die heutigen PKW und LKW sind jedoch deutlich schadstoff- und lärmärmer als noch vor einigen Jahren. Endls Erst-Resümee: „Die Lebensqualität an stark befahrenen Straßen hat daher klar zugenommen. Je niedriger der durchschnittliche Lärmpegel ausfällt, desto stärker fallen Lärmquellen auf. Laute, ,getunte‘ Autos und Motorräder, die sich Rennen von Ampel zu Ampel liefern zum Beispiel, oder auch Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn.“ Was die Lebensqualität an verkehrsreichen Straßen besonders steigert: der Lärm lässt sich heute dank moderner Schallschutzfenster viel besser „aussperren“.

Fazit: „Wenn schlaue Grundrisslösungen umgesetzt werden, Schlafzimmer dem Verkehr abgewandt situiert sind, können die zuvor verdeckten Lagevorteile hervortreten: ein breites, praktisch unverbaubares Verkehrsband mit vielen Bäumen sorgt für Weitblick, Grün und Licht – gerade in den oberen Geschoßlagen ermöglicht dies hochwertige Wohnqualität.“ Eine echte Chance für alle, die mit dem (noch) mäßig guten Image einer stark vom Verkehr geprägten Lage leben können, vermutet Endl stark: War doch bis zum Beginn der Massenmotorisierung der 50er Jahre der Gürtel einmal eine sehr beliebte Wohngegend …

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Attraktive Wohngebiete

Gibt es konkrete Beispiele, wo durch verringerte Lärm- und Abgasemissionen das Wohnen in „Problemzonen“ wieder attraktiver wurde – oder noch werden wird? Endl: „Die Region entlang des Donaukanals von Erdberg bis Nussdorf erlebte und erlebt eine intensive Aufwertung. Ausgehend von den zentralen Lagen entlang des ersten und zweiten Bezirks wurden viele Häuser durchgreifend saniert und oft mit aufwendigen Dachausbauten versehen.“ Entlang der Erdberger Lände wird derzeit ein gänzlich neuer Stadtteil entwickelt, der viel Wohnbebauung enthält, weiß der ÖRAG-Vorstand.

Der Grund für den Wandel liege jedoch nicht nur in der „Entdeckung“ der attraktiven Lage am Wasser mitsamt des breiten Grüngürtels, der hochwertigen öffentlichen Verkehrsanbindung oder der Nähe zum Naherholungsparadies Prater, glaubt Endl, sondern zweifellos auch am heute lärm- und schadstoffärmeren Verkehr und den technischen Möglichkeiten der Lärm­abschirmung.

„ E-Mobilität macht Verkehr ökologisch verträglicher und leiser.“ - Inge Schwarzenberg, Leiterin Wohnimmobilien Colliers