Der Blick der Architektin

Historische Gebäude sind in ihrer Grundidee erhaltenswert. Susanne Zottl, Wiener Architektin, hat sich darauf spezialisiert, die fortlaufende Geschichte der Form und Nutzungen von Gebäuden in der Gegenwart weiter zu schreiben. Ihr Anliegen ist: Sensibilität und Sprache für Gebäude zu schärfen.

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Historische Gebäude sind in ihrer Grundidee erhaltenswert. Susanne Zottl, Wiener Architektin, hat sich darauf spezialisiert, die fortlaufende Geschichte der Form und Nutzungen von Gebäuden in der Gegenwart weiter zu schreiben. Ihr Anliegen ist: Sensibilität und Sprache für Gebäude zu schärfen.

Den Blick der Architektin auf Erbe begleitet die Zukunft. „Es braucht Sensibilität, Vielschichtigkeit und ein Vokabular, das aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die sich verändernde Architekturvision lesbar und gestaltbar macht“, sagt Susanne Zottl. Die sensible Wiener Architektin bringt moderne Blickwinkel in historische Gebäude, wie etwa das Atelier Augarten, die Orangerie Unteres Belvedere, das Saalgebäude Augarten, die Universitätsbibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst oder die Universität für angewandte Kunst.

[caption id="attachment_2020" align="aligncenter" width="300"]WB UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK. Im Entwurf des Foyergebäudes am Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst weicht Susanne Zottl bewusst von der strengen, kartesischen Ordnung der Anlage ab. Besucher aus allen Richtungen lädt dieser auffällige Komplex ein, neue Durchblicke zu genießen. Das Grundthema des Entwurfes lautet ja auch Offenheit für die Vielfalt. WB UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK. Im Entwurf des Foyergebäudes am Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst weicht Susanne Zottl bewusst von der strengen, kartesischen Ordnung der Anlage ab. Besucher aus allen Richtungen lädt dieser auffällige Komplex ein, neue Durchblicke zu genießen. Das Grundthema des Entwurfes lautet ja auch Offenheit für die Vielfalt.[/caption]

Altes aufnehmen, interpretieren und weiterführen

Im Wettbewerbsbeitrag zur Erweiterung der Universität für Angewandte Kunst zeigt sie das in spektakulärer Weise. Beim ersten Hinsehen auf die Architekturzeichnung sieht das Gebäude wie ein unfrisierter Berggeist aus. Auf den zweiten Blick erschließt sich mehr. Auf dem k.u.k. Backsteingebäude von Heinrich von Ferstl ist die Zukunft gelandet. Moderne Materialien, Stahlkonstruktionen und verdrehte Kuben schaffen neue Innenräume, der gläserne Baldachin einen Außenraum. Das Neue ist dabei deutlich abgegrenzt vom Bestand, was auch gut begründbar ist. Denn die ursprüngliche Errichtung als Kunstgewerbemuseum ist längst überholt. Später war sie Ausbildungsstätte für Kunsthandwerk und heute bildet sie als Universität zukünftige Architekten und auch Medienkünstler aus. Zottl ist überzeugt: „Altes soll nicht als Altes bloß erhalten werden, sondern mit Neuem so verbunden sein, dass aufgenommen, interpretiert und weitergeführt wird.“

[caption id="attachment_2021" align="aligncenter" width="201"]SCI-ART GALLERY. Auf Einladung des Southern California Institute of Architecture gestaltete Susanne Zottl eine Installation zum Thema "Dicke Wand" in der Galerie der Universität. Das Objekt namens "A styrofoam lover with (e)motions of concrete" beschäftigt sich mit der historischen Mauer, die durch nachträgliche Applikation von heute üblicher Wärmedämmung "flach und eben" wird. Die Installation holt die dicke Außenwand nach innen, nimmt neue Nutzungen bereits vorweg und verwendet Styropor, das gängigste Dämmmaterial. SCI-ART GALLERY. Auf Einladung des Southern California Institute of Architecture gestaltete Susanne Zottl eine Installation zum Thema "Dicke Wand" in der Galerie der Universität. Das Objekt namens "A styrofoam lover with (e)motions of concrete" beschäftigt sich mit der historischen Mauer, die durch nachträgliche Applikation von heute üblicher Wärmedämmung "flach und eben" wird. Die Installation holt die dicke Außenwand nach innen, nimmt neue Nutzungen bereits vorweg und verwendet Styropor, das gängigste Dämmmaterial.[/caption]

Zottl Saalgebäude Augarten 110609 021Ehrfurcht vor der fortlaufenden Geschichte

Historische Gebäude fordern Susanne Zottl in ganz besonderer Weise heraus: „Das Projekt, das in der Gegenwart bearbeitet wird, wird eingeklinkt in eine längere Zeitspanne, die das Objekt schon überdauert hat und noch überdauern wird.“ Die Grundsätze der Arbeit betreten die Philosophie. So finden Raum und Programm bei der Arbeit mit Erbe gleichzeitig statt. Denn anders als bei Neubauten besitzen bestehende Räume eine Geschichte, die jede Weiterentwicklung und Neunutzung beeinflussen. Die Zeit spielt überhaupt eine ganz besondere Rolle beim Umgang mit historischer Bausubstanz. Denn historische Bauten haben eine meist langwährende Geschichte, die über die Lebenszeit von Planern und Architekten hinausgeht. Jegliche Neu- oder Umplanung findet somit nur zu einem zufälligen Augenblick statt und ist Teil einer länger andauernden Baugeschichte.

Bei der großen Bedeutung von Geschichte ist es die Aufgabe der Architektur die Objekte als lebendige Strukturen zu erhalten. Dieser Anspruch ist leichter gesagt, als getan. Denn es braucht Mut, die Ehrfurcht vor der Geschichte und der Charta von Venedig – nach der Struktur und Gestalt der Denkmäler nicht verändert werden dürfen - sensibel zu überwinden. Denn das ginge einen Schritt über die erwünschte Umsetzung heutiger Standards, wie Barrierefreiheit, Energieeffizienz oder Museumstechnologie, hinaus. Zusätzlich lernen wir heute von der historischen Bausubstanz etwas ganz wesentliches: die Auseinandersetzung, die neue Betrachtungsweisen bringt.

Vielschichtigkeit verstehen

„In der Architektur geht es darum, abgesehen von Kernfakten wie Quadratmetern und Kubaturen, Verständnis für die Vielschichtigkeit zu wecken“ sagt Zottl. Dies lässt sich an jedem ihrer Projekte zeigen. Die Installation einer “Dicken Wand“ beispielsweise in der Galerie des Southern California Institute of Architecture nahm das Thema Alt und Neu in den Fokus. Das Objekt namens „A styrofoam lover with (e)motions of concrete“ beschäftigt sich mit der historischen Mauer, die durch nachträgliche Applikation von heute üblicher Wärmedämmung „flach und eben“ wird und holt die dicke Außenwand nach innen. Dabei wird das Dämmmaterial Styropor so gestaltet, dass die neue Nutzungen bereits vorweg genommen sind.

Susanne Zottl arbeitete in internationalen Architekturbüros, wie COOP Himmelb(l)au Jean Nouvel und in Kooperationen mit Eric Owen Moss.


PROJEKTE UND WETTBEWERBE

Ein Auszug aus der Projektliste von Susanne Zottl:

  • Bibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
  • IST Austria
  • Porzellanmanufaktur Augarten
  • Eingangsbereich Silberkammer der Hofburg Wien
  • Infopoint und Bestattungsmuseum am Zentralfriedhof Wien
  • Orangerie Unteres Belvedere Wien
  • Empfang Burghauptmannschaft Wien
  • Atelier Augarten

An architect’s view of heritage is always accompanied by the future.

“It needs sensitivity, multi-layer approaches and a vocabulary which makes the changing architectural visions from past, present and future readable and designable”, says Susanne Zottl. The sensitive Viennese architect brings modern viewpoints to historic buildings like the Atelier Augarten, the Burghauptmannschaft (castle and fortress authority), the Zentralfriedhof (central cemetery), the entrance area of the Silver Collection at Hofburg Wien, the venerable university library or the University for Applied Arts.

Pick up old, interpret and continue

She demonstrates this in a spectacular way in the most recent competition entry for the expansion of the University for Applied Arts: modern materials, steel constructs and twisted cubes create new interior spaces, the steel canopy an exterior room.

“The old should not only be preserved but connected to the new in a way that picks it up, interprets and continues it,” says Zottl.

Awe in the face of history

Historic buildings are challenging Zottl in a very special way: “A current project links into a longer timeline which it has already gone through and which it will still go through.” Other than new constructions, existing rooms have a history influencing further development and new utilisation. Any re-planning is happening at a random moment. Given history’s important role it is the architect’s task to preserve objects as living structures. But it takes courage to sensitively overcome the awe in the face of history. According to article five of the Venice Charta structure and design of landmarks can and may be altered. And this is one step further from implementing modern standards like ensuring accessibility, energy efficiency or installing museum technology.

Understanding complexity

“Architecture is about creating understanding for complexity aside from core facts like square metres and cubage,” says Zottl. This is visible in each of her projects, like the installation “Wall” in the gallery of the Southern California Institute of Architecture. Or the object named “A Styrofoam Lover with (E)motions of Concrete” which is about the historic wall becoming “flat and level” through modern insulation. It brings the thick outside wall to the inside.

Susanne Zottl was working together with international architects and teams like coop himmelblau, Jean Nouvel and Eric Owen Moss.