Energieversorgung hausgemacht

Selbstversorger. Was für Einfamilienhäuser längst gang und gäbe ist, setzt sich jetzt auch im großvolumigen Wohnungsbau durch: die eigene Energieversorgung, vorzugsweise alternativ.

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Selbstversorger. Was für Einfamilienhäuser längst gang und gäbe ist, setzt sich jetzt auch im großvolumigen Wohnungsbau durch: die eigene Energieversorgung, vorzugsweise alternativ.

Wer wie der Schreiber dieser Zeilen schon einige Kilo­meter auf der Karosserie hat und die Wiener Mariahilfer Straße noch als lärmende Verkehrshölle kennt, wird vielleicht mit einigem Erstaunen mitten auf der Fahrbahn flanieren, wo ihn noch vor 20 Jahren wahrscheinlich ein rasender Lieferwagen weggeputzt hätte.

Noch größer aber ist die Überraschung, wenn der Spaziergänger erfährt, dass hier, ganz nah am Zentrum, eine große Pelletsheizung mit 150 kW Leistung für Wärme sorgt. Eine Energiequelle, die in manchen Gebieten Garantie für nachbarliches Gezänk ist, im dicht verbauten Gebiet – ist das nicht quasi die Eintrittskarte zum Querulantenpoker? „Es gibt keine Probleme mit Emissionen, unsere Anlagen mit niedrigsten Emissionen liegen weit unter den gesetzlichen Vorgaben der BimSchV“, meint David Pock vom Hersteller der Anlage, KWB aus dem steirischen St. Margarethen/Raab.

Mehrfamilienhaus-Projekte oder Wohnsiedlungen mit Pelletsheizungen auszustatten, gehört für KWB fast schon zur täglichen Routine: „Es gibt viele Projekte, wo unsere Energieversorgungstechnik zum Einsatz kommt. Einige Beispiele sind Energie Steiermark, AURA und GEDESAG in Niederösterreich und Ennstaler“, so Pock . Bei Pellets allein bleibt es meist nicht: „KWB-Anwendungen werden häufig mit Solarenergie kombiniert.“ Die Betreiber der Anlagen locken bei der Entscheidung für den alternativen Energieeinsatz nicht nur philanthropische Ansätze wie das Setzen auf einen Rohstoff aus dem eigenen Land, die erhöhte regionale Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen oder „grüne“ Gedanken wie „CO2-neutral“ – es sind gerne auch knallharte Entscheidungen mit der Brieftasche, die hier getroffen werden.

Pock bricht den finanziellen Aspekt auf ein Wohnhaus herunter: „Die Ersparnis ist natürlich abhängig vom Brennstoffpreis, aber generell sind die Brennstoffkosten gegenüber Öl um 40 Prozent geringer, gegenüber Gas zwischen 30 und 50 Prozent. Absolut bedeutet das bei einem Haus mit ca. 15 kW Heizleistung eine Brennstoffkosten-Ersparnis von rund 1.000 Euro pro Jahr.“ Kein Wunder also, dass sogar große, massive Bauten wie zum Beispiel die „Heimat der Lipizzaner“, das Bundesgestüt Piber, auf eine Pelletsheizung setzen.

Energie vor Ort nutzen

Massiv ist auch der Einsatz von „Alternativen“ in gleich einem ganzen Stadtteil, dem „Viertel Zwei“ in Wien nahe am Prater: „Wir haben für die Erweiterung des Viertel Zwei ein neues und innovatives Konzept entwickelt, um die Energieressourcen direkt am Standort zu nutzen“, sagt Walter Hammertinger, Geschäftsführer des Immobilienentwicklers IC Projektentwicklung .

gemeinschaftsraum2Grün erzeugen, innovativ kombinieren, unendlich nutzen lauten die Prämissen: „Mit dem Anergienetz schaffen wir im Viertel Zwei einen intelligenten Verbund zwischen Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung. Am Standort vorhandene erneuerbare Energiequellen und Gebäude arbeiten hier Hand in Hand“, so Hammertinger. „Die Synergieeffekte, die sich durch unterschiedliche Nutzer mit vielfältigen Bedürfnissen an Standorten ergeben, werden bestmöglich genutzt.“ Die Energiequellen, die im Viertel Zwei zum Einsatz kommen, sind Geothermie, Grundwasser, Photovoltaik, Wärmerückgewinnung, Abwasserwärmerückgewinnung, Energiespeicher, Wärmepumpen und zur Spitzenabdeckung Gasbrennwertkessel oder Gaskraftwärmekopplungen und Kältemaschinen, erläutert der Boss der IC Projektentwicklung.

Ein Drittel geringerer Energiebedarf

Bei dem Projekt steht weniger die Energieautarkie im Vordergrund – vielmehr fokussiert man sich auf größtmögliche CO2 Einsparung bei unterdurchschnittlichen bzw. marktüblichen Kosten für Energie. „Gegenüber den ersten Projekten im Viertel Zwei wurde der spezifische Energiebedarf um ca. ein Drittel reduziert“, erläutert Monika Hohenecker, Geschäftsführerin der Energie Krieau, die Umsetzungspartner und Energieanbieter des Projektes ist. „Die Kosten für Heizung und Warmwasser reduzieren sich entsprechend. Da ausschließlich erprobte Technologien zum Einsatz kommen und keine Prototypenlösungen, liegt der Autarkiegrad für Kälteversorgung bei ca. 80 Prozent und bei Wärmeversorgung bei ca. 40 Prozent.“ Die Anschaffungskosten liegen naturgemäß höher als bei „klassischen“ Energieversorgungstechniken, eine einfache eindeutige Kostenzuordnung fällt in diesem Zusammenhang jedoch schwer, sagt Hammertinger: „Insbesondere, da in einem derartigen Vergleich auch die Kosten für Anschlussleistungen und/oder Grundgebühren zu berücksichtigen wären. Vereinfacht lässt sich jedoch sagen, dass die Mehrkosten für unsere Lösung fünf bis zehn Prozent der Haustechnikkosten betragen.“

Grundwasser kühlt Häuser

Auch der Bauriese UBM setzt allerorten auf „Alternative“ in seinem weitverzweigten Reich: „Bei den Seevillen im burgenländischen Jois wird Warmwasser mit Solar und in der aktuellen Ausbaustufe auch mit Wärmepumpe aufbereitet“, erzählt UBM-CEO Karl Bier. Bei der inzwischen verkauften Büroimmobilie Concor in Dornach bei München erfolgt die Kühlung mittels „passiver Kühlung“ über das Grundwasser und die Heizung mit Geothermie. Beim Crowne Plaza Amsterdam South wurde bei Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung auf Geothermie gesetzt; eine Technik, die auch beim Hyatt Regency Amsterdam zur Verwendung kommt. „Wir haben aber keine Projekte mit CO2-neutralen Brennstoffen wie Pellets oder Hackschnitzel“, so Bier.

Ein Drittel geringere Kosten

Dabei spielt eine Kostenersparnis im Vergleich zu fossilen Brennstoffen eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie der UBM-General am Beispiel des Crowne Plaza Amsterdam South vorrechnet: „2014 wurden 653.990 kWh Wärme für die Heizung, 589.300 kWh Wärme für WWB und 700.500 kWh für Kälte verbraucht. Die Kosten Heizung zu 5,10 c/kWh betrugen 33.353 Euro; die Kosten für Warmwasser zu 7,56 c/kWh lagen bei 44.551 Euro und die Kosten für Kälte zu 3,51 c/kWh bei 24.587 Euro – in Summe 102.491 Euro.“

Im Vergleich zu einer Heizung mit Gas zu 6,10 c/kWh sind die Energiekosten für Wärme gleichpreisig; bei der Kühlung sind die Energiekosten bei Einsatz einer strombetriebenen Kältemaschine und Stromkosten zu 15 c/kWh unter Einbeziehung aller Kosten um satte 42 Prozent höher.

Ohne „Alternative“ keine Zertifizierung

Die „Alternativen“ machen sich also bezahlt – und nicht nur das: „Da diverse Zertifizierungen immer wichtiger werden, und ein entsprechender Status fast nur bei Verwendung von alternativen Energien oder Fernwärme/kälte erreicht werden kann, wird es immer interessanter, diese auch einzusetzen, besonders wenn auch Förderungen damit verbunden sind“, erklärt Bier.

Wien reduziert CO2 mit der Sonne

Der „Riese“ unter den Hausherren der Alpenrepublik ist „Wiener Wohnen“; die Stadt Wien besitzt ca. 220.000 Gemeindewohnungen und ist somit die größte Hausverwaltung Europas. Hier werden alternative Energieformen aber nur im Einzelfall eingesetzt: „Das hängt damit zusammen, dass bereits bestehende Infrastruktur wie Fernwärme adaptiert bzw. optimiert wird. Im Rahmen unseres Sanierungsmanagements gehen wir jedoch sehr stark den Weg der Energiereduktion, sprich: thermisch-energetische Sanierungen unserer Wohnhausanlagen“, berichtet Renate Billeth von Wiener Wohnen.

Im 23. Wiener Gemeindebezirk hat Wiener Wohnen im Rahmen einer umfassenden Wohnhaussanierung schon im Jahr 2012 der Wien Energie die Dachflächen für die Installation einer Photovoltaikanlage zur Verfügung gestellt. Die Solarpaneele, die im Zuge der Thewosan-Sanierung des Gemeindebaus auf 15 Häusern installiert wurden, haben eine Gesamtfläche von rund 1.700 Quadratmetern und sind auf eine Jahresenergiemenge von zirka 270.000 Kilowattstunden ausgerichtet.

Sie können 80 Prozent des Strombedarfs in der Wohnhausanlage decken. „Den Bewohnerinnen und Bewohnern entstand durch die Errichtung und den Betrieb der Photovoltaikanlage keinerlei Kosten - für die Nutzung der Dachflächen stellt Wien Energie den Strom für die Außenbeleuchtung kostenlos zur Verfügung“, erzählt Billeth. Der Ökostrom aus den Solarpaneelen in der Ketzergasse wird in einem dicht verbauten Umfeld verbrauchernah produziert, damit werden Übertragungsverluste minimiert und die Abhängigkeit von Stromimporten reduziert. Die Gesamtkosten der Anlage lagen bei rund 700.000 Euro. Eine Amortisation wird bereits in der ersten Hälfte der Lebensdauer von rund 25 Jahren erwartet.

Natürlich spielte auch der Umweltschutz bei der Errichtung eine wichtige Rolle: Die Umsetzung des Projekts in der Ketzergasse bedeutet eine jährliche Einsparung von rund 110 Tonnen CO2. Diese Menge an Kohlendioxid emittiert ein durchschnittlicher PKW auf einer Strecke von 680.000 Kilometern bzw. 17 Erdumrundungen. Der produzierte Strom wird mit einer Einspeisevergütung von der OeMAG gefördert.

Heizen mit Abluft …

Das Österreichische Siedlungswerk ÖSW – die Konzerngruppe mit 25 Unternehmen verwaltet ca. 50.000 Wohneinheiten und ist der größte private gemeinnützige Immobilienkonzern in Österreich – hat 2008 auf dem Standort des ehemaligen Landesarchives der Stadt Wien ein Studentenwohnheim für 105 Bewohner im Passivhausstandard errichtet. Dabei kam neben einer sehr gut gedämmten Gebäudehülle mit dreifach Wärmeschutzverglasung eine Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Dabei werden der warmen Abluft mehr als 80 Prozent der Wärmeenergie entnommen und an die Zuluft übertragen. Im oberen Bereich der Fassade sowie am Dach befindet sich außerdem eine Photovoltaikanlage, die, unter optimaler Ausrichtung, die Sonnenenergie nutzbar macht. Dafür erhielt das ÖSW den Klimaschutzpreis KLIP 7 des Bezirks Wien-Neubau.

..und ordentlich puffern

Beim Bau des Projektes „Haustrift“ in der Dammhaufengasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk, einer Doppelhaussiedlung mit 43 Wohneinheiten mit jeweils 92 bis 97 Quadratmetern auf insgesamt drei Ebenen und 4.500 Quadratmetern Wohnnutzfläche, wurden durchgehend emissionsarme Bauprodukte verwendet. Bei „Haustrift“, ein Hybrid im Niedrigenergiestandard - die Energiekennzahl liegt deutlich unter Niedrigenergiestandard - wurde eine Heizanlage auf Pelletsbasis mit integrierter thermischer Solaranlage eingebaut. Dabei erfolgt die Wärmeverteilung von der zentral aufgestellten Anlage zu den einzelnen Siedlungs-Doppelhäusern über ein eigenes Nahwärmenetz mit einem Pufferspeicher in den einzelnen Häusern.