Erste Schritte

Österreich hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Die Immobilienbranche sei nicht die neue Melkkuh, meint Finanzminister Hans-Jörg Schelling im Interview mit dem ImmoFokus. Viele Reformen seien einfach notwendig gewesen. So sollte die „Anpassung der Immobilienabschreibung“ unter anderem auch zu einer Vereinfachung beitragen.

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Österreich hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Die Immobilienbranche sei nicht die neue Melkkuh, meint Finanzminister Hans-Jörg Schelling im Interview mit dem ImmoFokus. Viele Reformen seien einfach notwendig gewesen. So sollte die „Anpassung der Immobilienabschreibung“ unter anderem auch zu einer Vereinfachung beitragen.

Beim APA-OGM-Vertrauensindex liegen Sie immer im Spitzenfeld. Für einen Finanz­minister keine Selbstverständlichkeit. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

 Die Menschen erwarten sich zu Recht, dass gearbeitet wird und Ergebnisse geliefert werden. Ankündigungen alleine sind zu wenig. Es braucht die Umsetzung von Projekten. Und vor allem: Die Menschen sind der Politik weiter voraus, als manche Politiker glauben.

Was war Ihr bisher größter Erfolg als Finanzminister? Mittlerweile bin ich seit über einem Jahr Finanzminister. In dieser Zeit ist viel passiert. Wir haben eine Steuerreform beschlossen, die sich ohne neue Steuern finanziert. Die Menschen werden spürbar ab 1.1.2016 entlastet. Den schweren Rucksack der Hypo habe ich übernommen und mit mehreren Maßnahmen Dynamik in den Abbau des Problems gebracht. Zudem haben wir mit den Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich begonnen. Auf europäischer Ebene habe ich der für tot geglaubten Finanztransaktionssteuer wieder Leben eingehaucht. Und Griechenland hat uns alle in Europa im ersten Halbjahr intensiv beschäftigt. Erfolgreich gelungen ist auch die Umwandlung der ÖIAG in die ÖBIB.

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Sie gelten als Shooting Star der Bundes­regierung. Sind erfolgreiche Manager bessere Politiker? Oder anders gefragt: Sollten Politiker vor der Politkarriere in die Wirtschaft? Jeder Politiker hat seine eigene Herangehensweise. Ich habe für mich den Anspruch, immer ein sauberes Projektmanagement aufzusetzen. Das beginnt bei mir im Kabinett und reicht über das Ministerium bis in die Regierungsarbeit. Das beste Beispiel ist für mich die Steuerreform. Was war die Ausgangslage? Meinem Amtsantritt ist eine 8-monatige Diskussion über die Gegenfinanzierung, also Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern, vorausgegangen. Keiner hat jedoch darüber gesprochen, wie hoch die Entlastung sein soll und wann sie in Kraft treten soll. Drei Wochen nach meinem Amtsantritt stand ein Projektplan mit Zieldatum 17. März 2015. Sogar ein paar Tage vorher haben wir dann die Steuerreform präsentiert. Und das ohne Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern!

Die Steuerreform hat in der Immobilienbranche zu einiger Aufregung geführt. Die Erhöhung der Immobilienertragsteuer von 25 auf 30 Prozent bei gleichzeitigem Wegfall des Inflationsabschlages sei nichts anderes als eine kalte Progression für Immobilien? Ziel der Steuerreform war die nachhaltige Entlastung aller Steuerpflichtigen. Dazu bedurfte es einer Gegenfinanzierung, die sich aus einem Bündel an unterschiedlichen Maßnahmen zusammensetzt: Die notwendige Gegenfinanz­ierung wird zum Teil durch die Verschlankung unserer Verwaltung und die Durchforstung des Förderdschungels erreicht. Ein starker Fokus wurde zudem auf die Betrugsbekämpfung gelegt, um die redliche Wirtschaft zu stärken. Zusätzlich wurde ein „Solidaritätspaket“ geschnürt, das – unter anderem – die angesprochene Erhöhung der Immobilienertragsteuer von 25 Prozent auf 30 Prozent sowie den Wegfall des Inflationsabschlages beinhaltet.

Abgesehen davon, dass es bei einem linearen Steuersatz keine kalte Progression geben kann, war der Inflationsabschlag im Rahmen der Immobilienertragsteuer in der Einkommensteuer bisher ein Fremdkörper. Denn die Inflationsentlastung wurde nur punktuell, bei Einkünften aus Grundstücksveräußerungen, gewährt. Demgegenüber werden alle anderen Einkünfte, insbesondere jene, die dem allgemeinen Steuer­tarif unterliegen, nach dem Nominalwert besteuert. Der Inflationsabschlag wurde daher bisher als fragwürdige Privilegierung der Grundstücksveräußer­ungen kritisiert.

Bei Ärzten, Banken oder Versicherungen als Mieter ist eine Nutzung des Vorsteuerabzugs kaum noch möglich. Die „Anpassungen bei der Immobilienabschreibung“ sorgen für 400 Millionen Euro an Mehreinnahmen. Die Immobilienbranche, die neue Melkkuh für den Finanzminister? Nein. Die angesprochene Einschränkung des Vorsteuerabzuges wurde bereits mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 eingeführt und soll ungewollte steuerliche Gestaltungen verhindern. Die Anpassung der Immobilienabschreibung soll unter anderem auch zu einer Vereinfachung beitragen, waren doch bisher bis zu drei verschiedene Abschreibungssätze möglich.

Für viele Kritiker ist die Immobilienertragsteuer nichts anderes als eine Vermögenssteuer durch die Hintertür. Ein Versuchsballon – weitere Vermögenssteuern werden folgen? Im Zuge der Verhandlungen zur Steuerreform habe ich mich immer gegen eine Gegenfinanzierung durch Einführung neuer Steuern ausgesprochen, wie die klassische Vermögensteuer oder die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Ich habe außerdem stets betont, dass Österreich kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem hat. Anstatt neuer Steuern sind daher vielmehr umfassende Reformen in der öffentlichen Verwaltung, im Bereich der Pensionen, des Arbeitsmarktes, der Bildung und der Förderungen das Ziel.

Immer wieder wird die Ökologisierung des Steuerrechts diskutiert. Erste Ansätze finden sich nun bei den Dienstwagen. Wie wäre es aber zum Beispiel mit einer verkürzten Abschreibung bei

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nachhaltiger Sanierung von Immobilien im Bestand? Damit könnten auch Impulse in der Bauwirtschaft gesetzt werden.

Erhaltungsaufwendungen, die der Sanierung eines Gebäudes dienen, sind im betrieblichen Bereich grundsätzlich sofort abzugsfähig. Lediglich im außerbetrieblichen Bereich bei der Vermietung für Wohnzwecke sind Instandsetzungsaufwendungen auf 15 Jahre zu verteilen. Dahinter steht folgende Überlegung: Bei der Vermietung für Wohnzwecke ist meist von konstant hohen jährlichen Einnahmen auszugehen. Wird nun in das Gebäude investiert, würde dem Vermieter möglicherweise in diesem Jahr ein Verlust entstehen, der im außerbetrieblichen Bereich nicht vorgetragen werden kann. Durch die Verteilung der Instandsetzungsaufwendungen soll daher auch die steuerliche Absetzbarkeit der Investitionskosten ermöglicht werden.

Auf europäischer Ebene wird noch immer über eine Finanztransaktionssteuer verhandelt. Wie ist der aktuelle Stand? Die Finanztransaktionssteuer war vor einem Jahr praktisch vom Tisch. Ich habe gleich bei einem meiner ersten europäischen Auftritte einen neuen Anlauf gestartet und versucht, den Knoten zu lösen. Mittlerweile sind immer noch alle 11 Staaten mit am Verhandlungstisch. Wir konnten die Modelle eingrenzen und befinden uns auf einem guten Weg.

Die Banken müssen immer mehr Rücklagen bilden. Trotz billigem EZB-Geld kommt kaum etwas bei der Wirtschaft an. Hat man mit Basel III über das Ziel hinausgeschossen? Basel III verfolgt u.a. das Ziel, durch eine qualitativ und quantitativ verbesserte Kapitalausstattung der Kreditinstitute das Finanzsystem schockresistenter zu machen. Eine exzessive Kreditvergabe an bonitätsschwache Kreditnehmer, wie sie am Beginn der Finanzkrise in den USA (subprime Kredite) stand, soll vermieden werden. Dieses Ziel ist meiner Ansicht nach richtig. Entsprechend der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Juli 2015 ist im Übrigen die Nachfrage nach Unternehmenskrediten schwach. Es liegt – zumindest in Österreich – also vor allem ein Nachfrage- und nicht ein Angebotsproblem vor.

Woran scheitert bislang die Umsetzung des schon seit Längerem geplanten einheitlichen Spekulationsverbots für alle Körperschaften im Verfassungsrang? Ein einheitliches Spekulationsverbot für alle Gebietskörperschaften ist im Jahr 2013 bekanntlich – trotz des grundsätzlichen allgemeinen Bekenntnisses zu einem Spekulationsverbot – an der fehlenden Verfassungsmehrheit gescheitert. Ein einheitliches Spekulationsverbot für alle Gebietskörperschaften im Verfassungsrang steht zwar weiterhin auf der Agenda, auch wenn mittlerweile alle Gebietskörperschaften im Wesentlichen ähnliche eigenständige Regelungen erlassen haben. Darüber hinaus werden wir im Rahmen der neuen Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 (VRV 2015) vereinbaren, dass Länder und Gemeinden die Zielsetzungen und Methoden des Risikomanagements öffentlich verfügbar festlegen sowie für alle aktiven Finanzinstrumente detaillierte Angaben machen werden.

Stichwort Budgettransparenz. Wie geht es bei der geplanten Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung voran? Wie geht es einem Finanzminister, der die Steuereinnahmen über den Finanzausgleich an die Länder abliefert, und vom Rechnungshof hören muss, dass die Finanzgebarung in den Ländern an Transparenz missen lässt. So hätte zum Beispiel die Stadt Wien „keine vollständige Information über die finanziellen Verflechtungen zwischen ihrem Haushalt und den Beteiligungen“. Überhaupt fehle in Wien laut RH „eine zentrale Berichterstattung bzw. ein Beteiligungscontrolling“. Würden die Länder sorgsamer mit dem Geld umgehen, wenn sie die Steuern selbst einheben müssten? Steuerautonomie für die Länder? Die einheitliche Rechnungslegung wird seit über 40 Jahren diskutiert. Die Eckpunkte der Vereinbarung mit Ländern und Gemeinden stehen. Es ist ein wichtiges politisches Projekt, das wir nicht am Parlament vorbei verordnen wollen. Der Rechnungshofpräsident und ich sind deshalb der Auffassung, die Verordnung vor dem Erlass auch noch dem Budgetausschuss zu präsentieren. Was Steuerautonomie für Länder betrifft, habe ich immer gesagt, dass wir das ergebnisoffen diskutieren sollen. In den laufenden Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich beschäftigt sich eine eigene Untergruppe mit dieser Frage. Ergebnisse erwarte ich bis Ende des Jahres.

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Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht in Folge des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses zum Hypo-Sanierungsgesetz höhere Kosten auf den Staat zukommen. Es gehe nun in Richtung eines Totalschadens für die Steuerzahler. Wie teuer wird’s denn wirklich? Angesichts des laufenden Abwicklungsverfahrens wäre eine Nennung von Zahlen zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Klar ist, dass auf Grund des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses die Forderungen der Nachranggläubiger in das Abwicklungsverfahren einzubeziehen sind und die Ausfallhaftung des Landes Kärntens wirksam ist. Welche Einigung seitens des Landes mit den Gläubigern möglich ist, bleibt abzuwarten.

Laut Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer gibt es in Österreich derzeit vollstreckbare Steueraußenstände von 2,1 Milliarden Euro, davon eine Milliarde allein bei der Umsatzsteuer. Er fordert mehr Beamte, um diese Außenstände einzutreiben. Auf der anderen Seite hört man, dass Finanzamt und Sozialversicherung vermehrt Unternehmen in den Konkurs schicken. Mit einem Bruchteil der Gelder, die für die Hypo aufgewendet werden, könnte man viele Unternehmen vor der Pleite bewahren. Die Großen stützt man, die Kleinen hängt man?

Hinsichtlich der angesprochenen Hypo Alpe Adria haben wir bereits in der Vergangenheit alles unternommen, um den Schaden für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglichst gering zu halten und die günstigste Lösung für alle zu finden. Klar ist, so etwas wie die Causa Hypo darf nie wieder passieren.

Da der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher für uns selbstverständlich ist, haben wir im Zuge der Steuerreform den Schwerpunkt auf die Betrugsbekämpfung gelegt. In diesem Sinne wird es auch in diesem Bereich Ausnahmen vom Aufnahmestopp geben. Hier besteht dringender Bedarf an zusätzlichem Personal­einsatz. Für uns stehen der Schutz der redlichen Bürgerinnen und Bürger und des heimischen Wirtschafts- und Arbeitsstandorts an oberster Stelle – in diesem Sinne wird die Betrugs­bekämpfung auch künftig hohen Stellenwert genießen.

Zwei letzte Fragen. Wie sieht es mit den aktuellen Steuereinnahmen aus. Läuft alles nach Plan? Welche Themen werden Sie in den nächsten 18 Monaten forcieren? Die bisherige Entwicklung 2015 gibt keinen Anlass, vom Budgetplan abzugehen, und entspricht bisher den Erwartungen. Die Steuerreform ist der erste Schritt. Wenn wir Österreich vom Mittelfeld wieder an die Spitze Europas bringen wollen, braucht es weitere Reformen. Die Pensionen sollen auch in 20 Jahren sicher sein. Die steigende Arbeitslosigkeit muss bekämpft werden und auch bei der Bildung sehe ich Luft nach oben, wenn beim Bildungsbudget nur 50 Cent von einem Euro in den Klassenzimmern und somit bei den Schülern ankommen. Jeder Tag ohne Reformen ist ein verlorener Tag für Österreich und kostet Geld. Das gefährdet den Wohlstand der kommenden Generationen. Das müssen wir verhindern.


FINANZMINISTER DR. HANS JÖRG SCHELLING

geboren am 27. Dezember 1953 in Hohenems (Vorarlberg) Familienstand: verheiratet, 2 Töchter Ausbildung Volksschule Feldkirch-Altenstadt Bundesgymnasium Feldkirch, Matura 1972 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Linz Sponsion 1978, Promotion 1981 Beruflicher Werdegang 1978-1981 Universitätsassistent am Institut für Handel, Absatz und Marketing an der Universität Linz 1981-1990 Leiner/Kika Unternehmensgruppe, ab 1988 als Geschäftsführer 1990-2014 Selbständiger Unternehmensberater Schelling GesmbH 1992-2005 Geschäftsführer XXXLutz GmbH, Wels 1999-2014 Geschäftsführender Gesellschafter Big Deal Marken und MarketingberatungsgesmbH 2005-2008 Geschäftsführer XLA GmbH, Wels 2005-2011 Aufsichtsrat XXXLutz GmbH, Wels Funktionen u.a. 2004-2014 Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich 2007-2008 Abgeordneter zum Nationalrat 2009-2014 Vorsitzender des Verbandvorstandes im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 2012-2014 Aufsichtsratsvorsitzender der Österreichische Volksbanken -Aktiengesellschaft 2013-2014 Aufsichtsratsvorsitzender der Pensionskassen AG der Sozialversicherung seit 1. September 2014 Finanzminister der Republik Österreich