International Evergrande: Aggressive Expansion und ein Berg von Schulden

Die Zukunft des in Schieflage geratenen chinesischen Immobilienriesen Evergrande scheint ungewiss, es droht die Pleite. Erinnerungen an den Fall der US-Investmentbank Lehman Brothers werden wach, der 2008 eine globale Finanzkrise auslöste.

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Evergrande: Aggressive Expansion und ein Berg von Schulden

Die aggressive Expansion des Unternehmens - mit Investitionen in einen Fußballverein, eine Mineralwassermarke und Vergnügungsparks sowie in die Bereiche Elektromobilität, Tourismus, Digitalisierung, Versicherung und Gesundheit - hinterließ einen Schuldenberg von umgerechnet rund 260 Milliarden Euro. Das entspricht rund zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts von China. Nun hat das Unternehmen Probleme, Schulden und anfallende Zinsen zu begleichen. 

Zum Problem wurde der Schuldenberg im vergangenen Jahr, als die chinesische Regierung Maßnahmen gegen die stetig anwachsenden Schulden von Immobilienfirmen ergriff. Vor allem sollten Immobilien nicht mehr vor deren Fertigstellung verkauft werden dürfen - ein wichtiger Teil des Geschäftssystems von Evergrande. Also wurde es für Evergrande immer schwieriger, mit dem Verkauf von Wohnungen die Schulden zu begleichen. 

Banken rechnen teils nicht mehr mit der Rückzahlung von Darlehen - am Dienstag standen jedoch auch Zahlungen für zwei Anleihen an. Es wurde damit gerechnet, dass Evergrande diese nicht leisten kann. Dem Konzern droht also der Konkurs.

Wenn der worst case eintritt 

Mit Spannung erwartet wird die Reaktion der chinesischen Regierung. Da es sich um ein privates Unternehmen handelt, könnte sich Peking dazu entschließen, ein Exempel zu statuieren und die Firma bankrottgehen zu lassen. Das Signal: Unternehmen können sich nicht auf den Staat verlassen, um den sprichwörtlichen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Viele Experten sind sich jedoch einig, dass die chinesische Regierung nicht zusehen wird, wie eine große Anzahl von Hauskäufern ihr Geld verliert. 

Die Regierung könnte laut dem Analysten Larry Ong von SinoInsider bestenfalls Mittel finden, um eine Insolvenz von Evergrande zu verhindern. So erhielten Gläubiger "einen letzten Hoffnungsschimmer", wenigstens etwas zu bekommen. So könnten auch soziale Unruhen vermieden werden. 

Alternativ wäre eine Restrukturierung des Unternehmens möglich, bei der einzelne Teile des Unternehmens unter staatliche Kontrolle gestellt werden und andere abgewickelt werden. Doch dies wäre ein extrem komplexes Unterfangen. 

Evergrande rüstet sich indes mit Experten. Darunter ist auch die Investmentbank Houlihan Lokey, die auch nach der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 in beratender Funktion tätig war.

Ist Evergrande mit Lehman Brothers vergleichbar?

Scheinbar nicht. Der Börsengigant war damals eine der sogenannten Big Five Investmentbanken an der Wall Street. Die Bank versank in einer Flut von Verlusten wegen ungedeckter Kredite. Die US-Behörden ließen die Bank bankrottgehen, eine globale Bankenkrise war die Folge. 

Analysten halten die aktuelle Situation jedoch für eine andere. "Was wir aktuell sehen, ist eine negative Rückkopplungsschleife, die Auswirkungen eines Gefühls, das sich auf der ganzen Welt verbreitet", sagt Analyst Kelvin Wong von CMC Markets. 

Die Ratingagentur S&P erklärte kürzlich, dass die Behörden vermutlich erst dann einschreiten werden, wenn sich eine Ausbreitung der Risiken abzeichnet. Das gelte dann, "wenn es einen weitreichenden Ansteckungseffekt gibt", durch den andere große Immobilienentwickler in Schieflage geraten, was wiederum wirtschaftliche Gefahren birgt. "Allein die Insolvenz von Evergrande würde eher nicht zu einem solchen Szenario führen."

(APA/AFP)

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