Haftungsfragen in der Baukoordination

Das BauKG erlegt dem Bauherrn die Haftung auf, indem es diesen verpflichtet, unter gewissen Voraussetzungen einen Planungs- bzw einen Baustellenkoordinator zu bestellen. In der Praxis wird für diese Aufgabe freilich häufig der Architekt herangezogen.

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Das Baukoordinationsgesetz (BauKG)[1] setzt die europäische Baustellen-RL (92/57/EWG) in österreichisches Recht um: das BauKG erlegt dem Bauherrn die Haftung auf, indem es diesen verpflichtet, unter gewissen Voraussetzungen einen Planungs- bzw einen Baustellenkoordinator zu bestellen. In der Praxis wird für diese Aufgabe freilich häufig der Architekt herangezogen.[2]

Zweck. Ziel des BauKG ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der auf Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer zu sicherzustellen. Unberührt bleiben im Übrigen die Verpflichtungen und Haftungen gemäß den Arbeitnehmerschutzvorschriften.

Schutzbereich. Geschützt sind die auf einer Baustelle beschäftigten Bauarbeiter, wenn auf den Baustellen gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden. Die Verpflichtungen können auch verschiedenen Personen (zB an Projektleiter bzw an eigene Mitarbeiter) durch Vereinbarung übertragen werden.

Pflichtenumfang. Bauherrn haben einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen, die ihrer Bestellung zustimmen müssen. Als Koordinator darf nur eine Person bestellt werden, die über eine für die jeweilige Bauwerksplanung oder Bauwerksausführung einschlägige Ausbildung und eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügt (zB insbesondere Baumeister und Personen, die eine sonstige baugewerbliche Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, sowie Personen, die ein Universitätsstudium, ein Fachhochschulstudium, eine höhere technische Lehranstalt oder eine vergleichbare Ausbildung jeweils auf dem Gebiet des Hoch- oder Tiefbaus erfolgreich abgeschlossen haben). Bauherrn haben dafür zu sorgen, dass die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gem § 7 ASchG (zB durch Tragen eines Schutzhelms) bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts berücksichtigt werden, insbesondere bei der architektonischen, technischen und organisatorischen Planung, bei der Einteilung der Arbeiten, die gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt werden, und bei der Abschätzung der voraussichtlichen Dauer für die Durchführung dieser Arbeiten (§ 4 Abs 1 BauKG). Bauherrn haben dafür zu sorgen, dass vor Eröffnung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird (§ 7 Abs 1 BauKG). Bauherrn haben hat dafür zu sorgen, dass eine Unterlage für spätere Arbeiten (zB Pläne hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern) am Bauwerk erstellt wird (§ 8 Abs 1 BauKG). Gegebenenfalls ist eine Vorankündigung an das zuständige Arbeitsinspektorat zu erstatten.[3]

Planungskoordination.

Der Planungskoordinator hat von Beginn der Planungsarbeiten an bis zur Auftragsvergabe die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gem § 7 ASchG (zB die Arbeitsstättengestaltung) bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts zu koordinieren, einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan auszuarbeiten oder ausarbeiten zu lassen, darauf zu achten, dass der Bauherr oder der Projektleiter, wenn ein solcher eingesetzt ist, den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan berücksichtigt, eine Unterlage für spätere Arbeiten zusammenzustellen und auf die Berücksichtigung durch den Bauherrn oder des Projektleiters zu achten.

Baustellenkoordination.

Der Baustellenkoordinator hat die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gem § 7 ASchG bei der technischen und organisatorischen Planung, bei der Einteilung der Arbeiten, die gleichzeitig oder nacheinander durchgeführt werden, bei der Abschätzung der voraussichtlichen Dauer für die Durchführung dieser Arbeiten sowie bei der Durchführung der Arbeiten, die Umsetzung der für die betreffende Baustelle geltenden Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, die Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung der Arbeitsverfahren zu koordinieren. Der Baustellenkoordinator hat auf die Anwendung des den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans und der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gem § 7 ASchG durch den Arbeitgeber und, soweit erforderlich, durch die auf der Baustelle tätigen Selbständigen zu achten. Weiters hat er die Zusammenarbeit und die Koordination der Tätigkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer und zur Verhütung von Unfällen und berufsbedingten Gesundheitsgefährdungen zwischen den Arbeitgebern zu organisieren und dabei auch auf der Baustelle tätige Selbständige einzubeziehen, für die gegenseitige Information der Arbeitgeber und der auf der Baustelle tätigen Selbständigen zu sorgen, den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und die Unterlage unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten und eingetretener Änderungen anzupassen oder anpassen zu lassen und die erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, damit nur befugte Personen die Baustelle betreten. Wenn bei Baustellenbesichtigung Gefahren festgestellt werden, ist unverzüglich der Bauherr oder Projektleiter zu informieren.[4]

Sanktionen.

Bei Verletzung der Schutz- und Handlungspflichten gemäß BauKG, die in gewissen Fällen auch als Schutzgesetze im deliktsrechtlichen Sinne zugunsten der Bauarbeiter gesehen werden,[5] können Verwaltungsstrafen in der Höhe von EUR 145 bis EUR 7.260, im Wiederholungsfall von EUR 290 bis EUR 14.530 verhängt werden. Wurden die Verpflichtungen des Auftraggebers an eine dazu geeignete Person (zB den Projektleiter) übertragen[6] und eine solche Person bestellt, so trifft die Auftraggeber keine Gehilfenhaftung, weil diese Koordinatoren eigenverantwortlich diese gesetzlichen Pflichten erfüllen.[7] Auch eine vertragliche Haftung der Baustellenkoordinatoren kommt in Betracht, da die Koordinationsvereinbarung nach seinem eindeutigen Zweck als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Auftragnehmer qualifiziert werden kann.[8] Planungskoordinatoren haften für die Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen, die Koordination in der Vorbereitungsphase des Bauvorhabens und die Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung sowie die Unterlagenerstellung und gegebenenfalls die Sicherheits- und Gesundheitsplanausarbeitung.[9]

Schlussempfehlung.

Die Herausforderungen des BauKG werden oft unterschätzt. Praktisch ist daher die nachweisliche Beauftragung eines betriebsfremden Projektleiters unter dessen Zustimmung mit vertraglichem Weisungsrecht gegenüber den Arbeitgebern der Baustelle zu empfehlen.


Autorentext:

Dr. Stephan R. Eberhardt ist als österreichischer und deutscher Rechtsanwalt tätig und auf die rechtliche Beratung bei Immobilien- und Haftungsfragen spezialisiert (office@rechtsanwalt-eberhardt.com).


[1] Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) StF: BGBl I 1999/37.

[2] Vgl zum Ganzen Eberhardt/Klaubetz, Handbuch Immobilienprojektentwicklung, II.G 3.d) Sonstige öffentlich-rechtliche Vorgaben – Baukoordinationsgesetz (BauKG), im Erscheinen.

[3] Vgl Eberhardt/Klaubetz, Handbuch Immobilienprojektentwicklung, II.G 3.d) Sonstige öffentlich-rechtliche Vorgaben – Baukoordinationsgesetz (BauKG), im Erscheinen.

[4] Vgl zum Ganzen Eberhardt/Klaubetz, Handbuch Immobilienprojektentwicklung, II.G 3.d) Sonstige öffentlich-rechtliche Vorgaben – Baukoordinationsgesetz (BauKG), im Erscheinen.

[5] Vgl OGH 12.8.2004, 1 Ob 233/03a; OGH 22.12.2005, 10 Ob 112/05a; OGH 25.4.2007, 3 Ob 44/07b.

[6] Die Bestellung hat schriftlich zu erfolgen und der Beauftragte hat dies schriftlich zu bestätigen. Der Baustellenkoordinator ist nach § 1299 ABGB als Sachverständiger anzusehen und haftet daher für die inhaltliche Fachgerechtheit seiner Leistung.

[7] Auftraggeber sind jedoch nicht vom Auswahlverschulden befreit. Siehe dazu Rindler/Pflaum, Schadenersatzpflicht des Ziviltechnikers, in Pflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler, Ziviltechnikerrecht 107 ff.

[8] OGH 11.12.2003, 2 Ob 272/03v.

[9] Vgl zum Ganzen Eberhardt/Klaubetz, Handbuch Immobilienprojektentwicklung, II.G 3.d) Sonstige öffentlich-rechtliche Vorgaben – Baukoordinationsgesetz (BauKG), im Erscheinen.