Retail Handel nach wie vor im Krisenmodus

Inflationsbereinigt hätten die Einzelhandelsumsätze 2020 im Vergleich zu 2019 stagniert, 2021 habe es dann nur ein minimales Umsatzwachstum gegeben - konkret gab es ein reales Plus von 2,9 Prozent auf 74,8 Mrd. Euro.

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Handel nach wie vor im Krisenmodus

Die Pandemie habe zudem eine dramatische Verschiebung vom stationären Handel zum Onlinegeschäft ausgelöst. Dabei fließen laut Handelsverband drei von vier Euro, die in Österreich online ausgegeben werden, zu Betriebsstätten außerhalb Österreichs. "Drittens ist Umsatz nicht gleich Gewinn", betonte Geschäftsführer Rainer Will am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Viele Händler hätten sich das Geld in der Kassa durch ungesunde Rabattaktionen teuer erkaufen müssen. Die einzelnen Branchen waren auch ganz unterschiedlich von der Krise betroffen: "Im Modehandel reden wir nicht von Gewinnen, sondern vom nackten Überleben - im Mode- und Schuhhandel ist es furchtbar, in anderen Bereichen kommt man durch, im Spielwarenhandel ist es auch nicht lustig", fasste der Branchensprecher zusammen.

Der Lebensmittelhandel als umsatzstärkster Bereich habe 2020 ein Plus von 10 Prozent und aktuell 1,7 Prozent erzielt, der Schuhhandel hingegen sei 2020 mit 26 Prozent im Minus gewesen und 2021 erst mit 14 Prozent im Plus, sagte Wolfgang Ziniel, der als Projektleiter der KMU Forschung Austria die aktuellen Daten im Handel erhob und gemeinsam mit dem Handelsverband präsentierte. Insgesamt habe sich die wirtschaftliche Situation 2021 wieder verbessert - sowohl die Zahl der Beschäftigten als auch die Umsätze im Handel seien über das Vor-Corona-Niveau geklettert.

Auch die Umstellung von 2G auf 3G in der Gastronomie überall in Österreich außer Wien per 19. Februar 2022 habe noch keinen spürbaren Effekt gebracht. "Wir sind noch bei weitem nicht annähernd da, wo wir einmal waren", strich Will hervor. "Die Spaltung der Gesellschaft durch 2G war meiner persönlichen Meinung nach die größte Fehlentscheidung der Regierung, denn auch namhafte Virologen wie etwa Drosten (Christian, Anm.) haben durchgängig gesagt, dass die FFP2-Maske als Schutz ausreichend ist, noch dazu bei kurzen Aufenthalten", kritisierte Will. "Dieser Effekt hat den Konflikt in der Gesellschaft in unsere Geschäftslokale übertragen, Mitarbeiter wurden bespuckt, beschimpft und über den Messengerdienst 'Telegram' wurden Persönlichkeitsrechte verletzt und Shitstorms ausgelöst - wir mussten die Kriminalpolizei einsetzen", berichtete der Branchenvertreter.

"Es ist die negative Konsumstimmung nach wie vor präsent", hielt Will fest. Dazu tragen mehrere Faktoren bei, zusätzlich zur anhaltenden Omikron-Welle nun auch der Krieg in der Ukraine. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten in Quarantäne - mittlerweile hätten 28 Prozent aller heimischen Einzelhändler schon einmal schließen müssen. "Und 24 Prozent können einen Normalbetrieb nicht garantieren in dieser Phase."

Hinzu kommen die stark steigenden Preise für Energie und Wohnen bzw. Mieten. "Die Energiekosten sind auch für den Handel direkt ein Thema - nicht nur die Industrie ist davon betroffen", sagte Will. Und nicht zuletzt hat auch der Lockdown für Ungeimpfte geschadet: "Unsere Branche wird gemieden, weil man uns dafür verantwortlich macht", so Will. Auch Personalmangel macht sich breit - laut Will sind derzeit 20.000 Stellen im Handel zu besetzen, 15.000 davon im Einzelhandel.

Der Verband möchte einen Teil dieser Stellen Geflüchteten aus der Ukraine zugänglich machen. "Ich habe bereits mit Edtstadler (ÖVP-Verfassungsministerin, Karoline, Anm.) Gespräche geführt und gebeten, dass man hier einen unbürokratischen Weg findet - im Rahmen einer Notverordnung sollen Aufenthaltstitel ausgesprochen werden, dass die Menschen zwei Jahre bleiben und arbeiten können", so Will. Dieser Titel ginge zeitlich spürbar über 90 Tage Visafreiheit für Menschen aus dem Nicht-EU-Land Ukraine hinaus. "Das wäre ein Win-win-Effekt für alle", meinte der Chef des Handelsverbands. (apa)

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