Inflationsprognose klettert nach oben

IHS-Direktor Klaus Neusser warnt davor, mit Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung Sozialpolitik zu betreiben.

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Die Inflation sei derzeit zwar sehr hoch und einzelne Gruppen seien davon stark betroffen, es gebe aber immer noch reale Konsumzuwächse und reale Einkommenszuwächse, betonte der Wirtschaftsforscher am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Die Inflationsprognose für heuer werde man wohl nach oben korrigieren müssen, "aber nur im Zehntelbereich", erwartet Neusser.

Die Wirtschaftsforscher seien sowohl von der Höhe der Inflation als auch von der Hartnäckigkeit der Teuerung überrascht worden, sagte Neusser. In der letzten Frühjahrsprognose habe man für heuer eine Inflation von durchschnittlich 7,5 Prozent erwartet. "Jetzt mit dem letzten Wert von April ist fraglich, ob wir diese Prognose halten werden können." Allerdings werde man die Prognose nur geringfügig anheben müssen, auf jeden Fall werde man unter 8 Prozent bleiben. Die Inflationsrate am Ende werde wohl auf 6 Prozent sinken. Die Vorhersage sei aber schwierig, "die Unsicherheit ist enorm groß".

Was die Lebensmittelpreise angehe, sei das Niveau in Österreich zwar im Vergleich zu Deutschland hoch, der Preisanstieg liege aber unter dem EU-Durchschnitt und sei auch geringer als in Deutschland. Getrieben werde die Inflation in Österreich vor allem vom Energiesektor sowie vom Freizeit- und Gastronomiesektor. "Das sind die zwei Bereiche, wo wir deutlich über dem EU-Schnitt liegen."

Befeuert worden sei die Teuerung in Österreich auch durch die Entscheidung, die Kaufkraft zu stärken, die real gestiegen sei. Er halte diese Entscheidung für richtig, "allerdings ist das Problem, dass wir zu sehr mit der Gießkanne gearbeitet haben". Es sei richtig, dass etwa in Spanien die Inflation deutlich geringer sei, allerdings sei dort die Kaufkraft real gesunken. "Da lebe ich lieber in Österreich, wo die Kaufkraft nicht zurückgeht." Preiseingriffe lehnt der IHS-Chef ab. Auch eine Mehrwertsteuer-Senkung für bestimmte Lebensmittel würde die Nachfrage und damit die Inflation befeuern.

Ein Einfrieren der Preise für bestimmte Lebensmittel für eine gewisse Zeit wie in Frankreich hält Neusser für überlegenswert. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte am Samstag vorgeschlagen, dieses französische Modell zu prüfen. "Alles, was auf freiwilliger Basis gemacht wird, ist sicher gut. Wir haben in Österreich mit den Sozialpartnern auch ein Vehikel, das das umsetzen kann", sagte Neusser.

Er wird am Montag am Lebensmittelgipfel teilnehmen, zu dem Sozialminister Johannes Rauch und Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen eingeladen haben. Zur Sprache kommen dürfte dort auch, wie man für mehr Transparenz bei den Lebensmittelpreisen und für mehr Wettbewerb sorgen könnte. "Gegen Transparenz kann man natürlich nichts haben, da bin ich sicher auch dafür", sagte Neusser, auch wenn das im Lebensmittelbereich schwieriger wäre als bei den Spritpreisen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) trifft nach Ansicht des IHS-Chefs "eine gewisse Teilschuld, aber wahrscheinlich nicht die Hauptschuld" an der hohen Inflation. Er hätte sich gewünscht, dass die jüngste Zinsanhebung höher ausgefallen wäre, nämlich um ein halbes Prozent. Gemessen an der Inflation seien die Realzinsen immer noch negativ.

Zur Diskussion um eine Arbeitszeitverkürzung gab Neusser zu bedenken, "ob wir es uns wirklich leisten können, in einer Krisensituation jetzt einfach weniger zu arbeiten". Eine Reduktion der Arbeitszeit solle aber kein Tabu sein und könne von den Sozialpartnern in bestimmten Bereichen ausgehandelt werden.

Auch die öffentliche Hand könne zur Bekämpfung der Inflation beitragen, indem sie etwa Gebühren nicht erhöhe. Um die von Finanzminister Brunner angestrebte Reduktion der Neuverschuldung zu erreichen, werde man auch gewisse "klima-kontraproduktive Subventionen" überdenken müssen. "Da sollte man ernsthaft einmal drübergehen." Neusser nannte als Beispiele das Dieselprivileg oder Steuerprivilegien für Stromerzeuger für fossile Energien, den Flugverkehr oder das Pendlerpauschale.

Die Diskussion um die Einführung von Erbschafts- und Vermögensteuern sehe er "relativ entspannt", die gebe es etwa in der Schweiz auch. "Das Problem, das ich in Österreich sehe, ist, dass die Steuerbelastung an sich sehr hoch ist." Im Gegenzug zu einer Vermögensteuern müssten andere Steuern gesenkt werden, vor allem auf Arbeit. Bei den Medianeinkommen liege der Steuersatz der Grenzsteuersatz über 40 Prozent, "das ist einfach viel zu hoch".

In acht Wochen wird Neusser die Leitung des IHS an Holger Bonin abgeben. Darüber sei er teilweise erleichtert, denn "das Management ist nicht so wirklich meins im Mikrobereich, da bin ich dann froh, wenn ich das abgeben kann". (apa)