Investoren braucht das Land

Secondary Towns. Stefan Ottrubay, Direktionsrat der Stiftungen Esterhazy und Generaldirektor der Esterhazy Betriebe lud Mitte Mai zu den ersten Eisenstädter Gesprächen in das Kalandahaus am Trausdorfer Meierhof.

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Secondary Towns. Stefan Ottrubay, Direktionsrat der Stiftungen Esterhazy und Generaldirektor der Esterhazy Betriebe lud Mitte Mai zu den ersten Eisenstädter Gesprächen in das Kalandahaus am Trausdorfer Meierhof.

Die Städte werden immer größer. Der Zuzug der Menschen in die Städte stellt eine Herausforderung dar. Das spürt man auch im Umfeld von Eisenstadt. „Eisenstadt gehört nicht zu den Secondary Cities, profitiert aber als ,Secondary Town‘ stark vom Austausch der Großstadt und des ländlichen Raumes“, ist der Gastgeber des Abends, Direktionsrat der Stiftungen Esterhazy und Generaldirektor der Esterhazy Betriebe Stefan Ottrubay, überzeugt. Doch nur Natur anzubieten, reiche heute nicht mehr aus. „Der Gast von heute will aus einem differenzierten Angebot wählen können. Das Nordburgenland muss definitiv attraktiver werden“, so Ottrubay. „Wir wollen und werden unseren Beitrag dazu leisten.“ Schon heute ist Esterhazy einer der Big Player in der Region, wie ImmoFokus-Chefredakteur Michael Neubauer, der durch den Abend führte, bei seiner Kurzvorstellung der Referenten anmerkte. Im Geschäftsjahr 2015 erzielten die Esterhazy Betriebe in den Bereichen Forst- und Naturmanagement, Weinbau, Immobilien, Historische Großanlagen sowie Kultur und Tourismus mit ihren rund 285 Mitarbeitern einen Gesamtumsatz von 46,3 Millionen Euro. Viele der Aktivitäten haben das Ziel, Eisenstadt zum Kultur- und Tourismuszentrum des Pannonischen Raumes zu machen. Dafür brauche es allerdings mehr ergänzende Angebote zum Wandern, Radeln oder Fischen. Ottrubay bleibt realistisch: „Jede Entwicklung braucht Zeit.“ Einiges an Zeit sei aber ungenützt verstrichen, da die EU-Fördermittel nicht effizient genug eingesetzt worden seien.

Konsument + Produzent = Prosument

Dass gerade das Nordburgenland enormes Potential habe, bestätigte Immobilienprofi Thomas Malloth in seinen Ausführungen. „Ich habe schon vor zwei Jahren gesagt: Hier muss man investieren.“ Für ihn ist die Urbanisierung das Thema schlechthin. „Wenn wir von der Immobilienentwicklung sprechen, sprechen wir auch von der Dichte-Diskussion“, so der ehemalige Präsident des österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Die Städte würden sich immer mehr in den suburbanen Raum ausdehnen.

Demnach haben die kleinen „Towns“ keine Chance, sich gegenüber der Großstadt zu behaupten – oder etwa doch? Eine definitive Antwort auf diese Frage gebe es nicht. „Die Chance aber lebt.“ Doch wir stünden erst am Anfang großer Veränderungen, ist Malloth überzeugt, der kurz vom Kernthema „Immobilien“ abschweift. So ist sich der Immobilienprofi sicher, dass sich Arbeit und Unternehmerschaft stark wandeln werden. In Zukunft werde es „Privat statt Staat“ heißen. Konsumenten und Produzenten werden zu einem verschmelzen – der „Prosument“ ist geboren. „Wir produzieren und konsumieren gleichzeitig“, verdeutlicht Malloth. Es wird zu einer Verschiebung der Gesellschaft kommen. Da stelle sich die Frage, ob man den traditionellen Geschlechterrollen noch gerecht werden kann. Globalisierung, Individualisierung und Digitalisierung wären Trends, denen man sich nicht verschließen könne.

Michael Neubauer, Christian Janisch, Clemens Biffl, Barbara Wagner-Gmeiner, Stefan Ottrubay, Andreas Kreutzer, Thomas Malloth©Roland Schuller

Immer einen Schritt weiter sein

Gerade für das Thema „Leistbares Wohnen“ biete der ländliche Raum enormes Potenzial. „Hier gibt es noch günstiges Bauland.“ Daher würde die Bedeutung der „Secondary Towns“, wie zum Beispiel Eisenstadt, in Zukunft zunehmen. „Ohne Anbindung an den urbanen Raum wird’s aber nicht gehen“, kritisiert Malloth die Verkehrspolitik des Landes. Doch wie schafft man Erfolg im ländlichen Raum? „Man muss immer einen Schritt weiter sein – darf nicht gewöhnlich, muss aber zweckmäßig sein!“

Für viel Diskussionsstoff sorgte Marktforscher Andreas Kreutzer, geschäftsführender Gesellschafter der Kreutzer Fischer & Partner Consulting, mit seiner aktuellen Tourismusstudie. „Wir haben zum ersten Mal sowohl die wirtschaftliche Bedeutung der Nächtigungstouristen, der Ein-Tages-Touristen als auch die der touristisch genutzten Nebenwohnsitze untersucht.“ Das Ergebnis: Der Tourismus boomt. In den letzten 15 Jahren stiegen die touristischen Besuchstage um 55 Prozent. Besonders stark sei der Tagestourismus im Burgenland gewachsen. Dies liege vor allem am Shopping-Tourismus. „Denken Sie allein an Parndorf.“ Doch: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten. „Das sind Tagestouristen. Die kommen her, kaufen ein und dann sind sie wieder weg.“ Nächtigungen: leider Fehlanzeige. „Wo sollen sie auch. Es gibt ja abgesehen von den 4- und 5-Stern-Hotels in der Thermenregion kaum ein Angebot.“ Doch leider machen internationale Ketten und Investoren einen weiten Bogen rund um Eisenstadt und das Burgenland. „Gerade die Ketten mit ihren weltweiten Buchungssystemen würden mit ihren Stammkunden neue Gäste ins Burgenland bringen“, ist der Marktforscher überzeugt.

Das Angebot stimmt nicht

Der Burgenländische Übernachtungstourismus profitiert von einem speziellen Asset: dem Ballungsraum Wien. „Wichtig ist jedoch, dass das Angebot stimmt – und das stimmt nicht“, wird Kreuzer energisch. Er ortet hier starken Nachholbedarf. Das Burgenland hat landschaftlich viel zu bieten, jedoch: „Die Wettbewerbsposition ist eher schlecht.“ Stärken sind Ruhe, Neusiedler See, Gastfreundschaft und Wellness-Angebot. Bei den Thermen sieht Kreuzer kein Problem – „Hier hat man es überwiegend mit Vier- bis Fünf-Stern-Hotels zu tun. Jeder zweite, der ins Burgenland kommt, ist ein Premium-Gast.“ Nebenwohnsitze seien im Burgenland ein heikles politisches Thema. Mehr als 70 Prozent der touristischen Nebenwohnsitze befinden sich im Nordburgenland – vor allem rund um den Neusiedler See. „Mit 90 Tagen ist die jährliche Nutzungsdauer extrem hoch – ein enormer volkswirtschaftlicher Nutzen für die Region.“ Für das Mittel- und Südburgenland hat Kreuzer eine Vision. „Dort ist es ruhig, das Klima ist gut, es gibt Thermen und gute Pflegekräfte. Warum sollte man das Südburgenland nicht zum Florida von Österreich machen?“ Außerdem sollen die Angebote des Premium- sowie des Low-Budget-Segments erhöht werden. Auch ein Ausbau der Kulturangebote soll einen positiven Beitrag zum Tourismus im Burgenland leisten. „Natur und Kultur in Einklang zu bringen, wäre ein neuer Ansatz“, so Kreuzer.

In der Diskussion ist man sich rasch einig. „Aus einem Thermen-Touristen wird nicht im Handumdrehen ein Kultur-Tourist.“ Aber dort, wo die Kultur ist, fehlt es an einem Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten. Doch Events allein sind zu wenig. Kreutzer: „Ein Event schafft Menschen her – abholen muss man sie selbst. Wenn man sich über zu wenig Wertschöpfung beklagt, bedeutet das, man hat die Menschen nicht abgeholt.“ Außerdem: „Man muss sich anders positionieren.“ „Es stellt sich die Frage der Identität,“ ergänzt Malloth. Oft sind auch die lokalen Strukturen von den multipolaren Fragenstellungen überfordert. „Es braucht regionale Betreuung“, sind sich Malloth und Kreuzer einig. Ottrubay zum Abschluss: „Es braucht Investoren, die in die Geschichte investieren. Man braucht Geschichte, um wieder interessant zu werden.“