Positionen & Meinungen Kapital soll in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gelenkt werden

Die Baubranche ist im Gebäudebereich durch Zertifizierungen bereits an gewisse Nachhaltigkeitsanforderungen gewöhnt, dennoch bringt die neue EU-Taxonomie Herausforderungen mit sich. Agatha Kalandra, Partner Management Consulting & Sustainability Services bei PwC im Interview.

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Kapital soll in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gelenkt werden

Was bedeutet die verpflichtende EU-Taxonomie für Bau-Unternehmen?    

Die EU-Taxonomie ist Teil der Initiative der Europäischen Kommission, um Kapital in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu lenken und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu schaffen. Keine Branche bleibt davon unbetroffen. Die Unternehmen, die bereits einen nicht-finanziellen Bericht veröffentlichen, müssen ab 2022 (d.h. bereits über das Wirtschaftsjahr 2021) offenlegen, wie nachhaltig ihre Wirtschaftsaktivitäten sind bzw. im Konkreten: welche Anteile ihres Umsatzes, OPEX und CAPEX entsprechen den Kriterien der EU-Taxonomie.    

Die Baubranche ist im Gebäudebereich durch Zertifizierungen wie BREEAM, LEED oder DGNB bereits an gewisse Nachhaltigkeitsanforderungen gewöhnt. Diese sind jedoch nicht so hoch und umfangreich wie jene der EU-Taxonomie. Insofern müssen Bau-Unternehmen diese neuen Anforderungen übernehmen und bereits in der Planungsphase berücksichtigen. Darüber hinaus muss den Datenanforderungen der Immobilien-Entwickler bzw. Auftraggeber möglichst gut entgegengekommen werden. Diese müssen für die Beurteilung ihrer eigenen Taxonomie-Konformität auf die Daten und Nachweise der Bau-Unternehmen zurückgreifen.    

Da die EU-Taxonomie einen einheitlichen Beurteilungsstandard für die gesamte Branche darstellt, darf sie nicht nur als neue Offenlegungspflicht gehandhabt werden, sondern vielmehr als ein Instrument, um die eigene Transformation zu grüneren Wirtschaftspraktiken zu planen und zu steuern. Für Investoren, die auch ihr Portfolio entlang der Kriterien der EU-Taxonomie offenlegen müssen, wird der Grad der Taxonomie-”Konformität” eine zunehmende Rolle spielen. 

Die Implikationen der EU-Taxonomie werden weitgehend unterschätzt.

Es hat den Anschein, als hätten sich Bauunternehmen mit dem Thema noch wenig auseinandergesetzt. Sehen Sie dafür einen Grund?     

Als Grund hierfür wird häufig der Umstand genannt, dass die technischen Bewertungskriterien noch nicht finalisiert sind. (Dies soll bis Ende April erfolgen.) Tatsache ist in jedem Fall, dass die Implikationen der EU-Taxonomie weitgehend unterschätzt werden:  

1) Das Verfahren, um die bevorstehenden Berichtspflichten umzusetzen, ist ein mehrstufiges, das die Involvierung verschiedener Abteilungen und Zugriff auf unterschiedlichste Daten verlangt: Beurteilung der Einhaltung der technischen Kriterien je Objekt (zB Energieeffizienz, Wasserverbrauch der Armaturen, Berücksichtigung von Kreislaufwirtschaftsprinzipien etc.). 

2) Evaluierung ob die Anforderungen in Bezug auf Anti-Korruption, Menschenrechte, Konsumenteninteressen usw. eingehalten werden. 

3) Berechnung der finanziellen Leistungsindikatoren (Umsatz, CapEx, OpEx) auf Objektbasis sowie auf konsolidierter Ebene. 

Das erfordert die Anpassung bzw. Erweiterung bestehender Prozesse und Systeme sowie die Durchführung einer Vielzahl an Analysen, die definitiv nicht innerhalb von ein paar Monaten abgeschlossen sind.  

Wie empfehlen Sie Bau-Unternehmen das Thema ESG anzugehen?     

ESG steht für Environmental, Social und Governance und ist ein sehr breites Feld, dessen Komplexität sich mit dem ersten Blick auf die drei Buchstaben nicht sofort erahnen lässt. Die EU-Taxonomie ist daher nicht nur eine weitere Verpflichtung, sondern kann als erster Leitfaden genutzt werden, um sich ESG Themen zu nähern. Besonders wenn es um die Anforderungen und Komplexität rund um das Thema Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel geht - also dem E in ESG. Die dominierenden Themen sind hierbei die Energieperformance neuer Gebäude, die Berücksichtigung von Prinzipien der Kreislaufwirtschafts sowie Strategien zur Anpassung an den Klimawandel, nur um einige zu nennen.    

Wichtig zu erwähnen ist hier, vor allem mit Blick auf die EU-Taxonomie, dass Unternehmen über kurz oder lang eine ESG-Strategie brauchen, um sich der EU-Taxonomie und anderen Anforderungen, die sich aus den Ambitionen des Green Deals ergeben, effektiv widmen zu können. Internationale Non-Profit Organisationen, wie das World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), sind gute erste Anlaufstellen, um sich mit den Anforderungen an eine klimaneutrale und nachhaltige Bauwirtschaft auseinander zu setzen. 

Kreislaufwirtschaft wurde bereits 2015 in einem EU-Aktionsplan manifestiert und stellt einen wesentlichen Pfeiler des EU Green Deals dar. 

Welche Rolle wird die Kreislaufwirtschaft im ESG-Zusammenhang spielen? 

Vor allem in Bezug auf Recycling von Baustoffen?     Kreislaufwirtschaft wurde bereits 2015 in einem EU-Aktionsplan manifestiert und stellt einen wesentlichen Pfeiler des EU Green Deals dar. Im deutschsprachigen Raum wird Kreislauf häufig mit Recycling und Abfallwirtschaft gleichgesetzt. Kreislaufwirtschaft beginnt jedoch schon wesentlich früher, sie beeinflusst die Materialherkunft oder den Bau von Gebäude mit der Möglichkeit der Wiederverwendbarkeit bzw. Austausch einzelner Gebäudeteile. Auch für Kreislaufwirtschaft ist eine eigene EU-Taxonomie geplant. 

Gibt es noch Punkte, die Sie anführen möchten?     

Wir empfehlen allen Unternehmen ihre Klima- bzw. ESG-Strategie an science-based targets auszurichten. Erst im Januar ist eine Studie der Science-Based Targets Initiative (SBTI) erschienen, die belegt, das seit 2015 Unternehmen mit solchen Zielindikatoren ihre Emissionen um 25 Prozent reduzieren konnten. Ausgehend von den 1,5°C Zielen des Pariser Klimaabkommens werden auf Unternehmensebene solche Maßnahmen gesetzt, die zur Zielerreichung beitragen.  

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