Leerer Tank

Nur mit Benzin und Diesel verdienen Tankstellen heute kaum noch ihr Geld. Die Möglichkeiten, Umsätze über andere Kanäle wie Gastronomie oder Handel zu lukrieren, werden immer interessanter.

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Nur mit Benzin und Diesel verdienen Tankstellen heute kaum noch ihr Geld. Die Möglichkeiten, Umsätze über andere Kanäle wie Gastronomie oder Handel zu lukrieren, werden immer interessanter.

An der Tankstelle der Zukunft wird womöglich kein Benzin mehr verkauft. Tankstellen in der heutigen Form sind ein Auslaufmodell. Es gilt, über neue Formen des ,Auftankens‘ von Energie, Erlebnissen und Events nachzudenken.“ So lautet die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Studie über die Tankwelten der Zukunft, durchgeführt von der privaten Universität Witten/Herdecke. Freilich dauert es noch, bis es solche Event-Tankstellen gibt, doch einige Tendenzen sind schon jetzt zu erkennen. So formuliert man es bei Side Projekt, einer Immobilienmanagement-Firma, die sich auf Um- und Nachnutzung von Tankstellen-Objekten spezialisiert hat.

Der österreichische Tankstellenmarkt ist im Wandel. „Die Ertragsmöglichkeiten aus dem Treibstoffgeschäft werden immer geringer. Einerseits geht der Verbrauch zurück, die Kosten und Auflagen zum Betrieb steigen und die Margen sinken durch den verschärften Wettbewerb der letzten Jahre in Form von Automaten und Diskontern“, erklärt etwa Elsa Dutzler-Stiglechner, Geschäftsführerin des Mineralölgroßhändlers Julius Stiglechner GmbH.In Österreich geht die Schere an Tankstellenformaten immer stärker auseinander: entweder will man billig tanken – und geht zu den wie Schwammerl aus dem Boden schießenden Automatentankstellen – oder man wählt bewusst eine Tankstelle mit Mehrwert, ein multifunktionales Dienstleistungszentrum im weiteren Sinne. Dass es gleichermaßen in beide Richtungen geht, zeigt der aktuelle Frequenzimmobilienreport von Side Projekt.

Tanken und mehr

Die Umrüstung von bemannten Tankstellen auf Automaten geht in Österreich langsam, aber doch voran. Der ÖAMTC stellte einen Preisvorteil von bis zu drei Cent für die Tankkunden fest. Abgesehen vom Vorteil der Öffnungszeiten.

Tankstellen sind hochfrequente Punkte

Für den Tankstellenbetreiber eröffnen sich nun ganz andere Chancen. Denn: Was geschieht mit den durch die Automatisierung gewonnenen freien Flächen und Gebäuden? Potenzialvernichtung nennt man bei Side Projekt eine etwaige Nicht-Verwendung, denn die Flächen rund um Tankstellen sind hochfrequente Punkte, die vielfach genutzt werden könnten:

Waschgeschäft: Für eine Nutzung der frei werdenden Quadratmeter liegen natürlich Themen rund um das Automobil nahe. Kfz-Wasch- und Pflegeeinrichtungen jeglicher Art sind für viele Tankstellen ein attraktives Zusatzgeschäft, sei es als eigenes Zubrot oder über Pachteinnahmen bei Auslagerung dieser Betriebsteile.

Lager: In Zeiten knapper werdender Raumressourcen werden Lagerflächen immer wichtiger. Vom simplen Nutzen bestehender Räumlichkeiten bis zum Angebot von standardisierten Lagerboxen, wie es Unternehmen wie etwa MyPlace zum Geschäftsmodell gemacht haben. Lokal gut erreichbare Liegenschaften – insbesondere in städtischen Lagen – können so gut profitieren.

Gastronomie: Schon jetzt sind gastronomische Angebote im Tankstellenbetrieb nicht mehr wegzudenken. Auch bei Automatentankstellen lässt sich „Mobile Eating“ z.B. als Franchise-Konzept gut umsetzen. Denn es ist eine Tatsache, dass der Konsumwandel neue Formen der Ernährung und Versorgung hervorbringt. Als Orte des „Zwischendurch-Essens“ kommen Frequenzpunkte wie z.B. Tankstellen in Frage.

Servicebüros: Diese Immobiliendisziplin ist noch relativ unbekannt, aber wohl ebenfalls stark im Kommen. Für die (Teil-)Nachnutzung von Tankstellengrundstücken eignet sich diese Kombination aus Schauraum und Lagerfläche. Showrooms werden etwa von Markenherstellern benötigt, die ihre Produkte zeigen wollen, aber zugleich auch mit einem Lager im Hintergrund direkt vertreiben.

Wohnen: Dem Thema leistbarer Wohnraum kommt die Bebauung von ungenutzten Tankstellenflächen entgegen. Grundstücksteile, die etwa durch die Optimierung von Tankstellenliegenschaften frei werden, können oft hervorragend für den Wohnbau genutzt werden.

Parkplätze: Stellflächen, die durch Tankstellenautomaten frei werden, können meist mit recht wenig Mehraufwand als Parkplätze nutzbar gemacht werden – insbesondere in den städtischen Bereichen wohl ein attraktives Geschäft.

Tabak: In Deutschland wird rund die Hälfte des Umsatzes durch den Verkauf von Tabakwaren erwirtschaftet, erst dann kommen Getränke und anderes. Die Provisionen aus dem Kraftstoffverkauf machen nur rund sechs Prozent des Gewinns aus.

Ärztliche Behandlung: Kaum da, fast schon wieder weg. „Ein Arztbesuch – so schnell und einfach wie Volltanken“. Mit diesem Slogan warb „dr.ive in“. Der Mediziner Dieter Zakel ordinierte einige Wochen an ungewöhnlicher Stelle, nämlich in einer Tankstelle in Wien-Döbling. „Ich wollte etwas Neues machen, hab’ gedacht, ich beweg’ mich auf die Menschen zu“, begründete Zakel die unorthodoxe Wahl seiner Praxis. Nach drei Monaten war der Probebetrieb zu Ende. „Es ist sehr gut gegangen, die Patienten haben es gut angenommen, auch finanziell ist es sich ausgegangen.“ Allerdings habe er die Praxis alleine nicht 16 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche offen halten können. Deshalb habe er nach der von vornherein festgesetzten Probephase von drei Monaten wieder geschlossen.

Bankstelle: Die Tankstelle als Bankfiliale – das ist zumindest bei den etwa 170 OMV-VIVA-Standorten bereits möglich. Das Segment hat auch insofern Potenzial, als auch „mannlose Stationen“ dieses Service anbieten können, zumal Banken in Österreich zunehmend die Reduktion ihres Filialnetzes beabsichtigen.

Retail: Clevere Geschäftsleute machen ihren Tankstellenstandort zum Mittelpunkt der Nahversorgung. Die Linzer Turmöl-Tankstelle am Froschberg etwa bietet jetzt schon ein Rundum-Sorglos-Paket für die Anrainer: Ein Kleider-Reinigungsservice, ein PostPartner-Shop, ein Spar express-Geschäft und eine Waschanlage sorgen für Frequenz.”