Mit der Kraft der Sonne

Abenteurer & Pionier. Am 9. März war es endlich soweit. Mit dem Schweizer Piloten André Borschberg im Cockpit hob die Solar Impulse 2 - ein Solarflugzeug mit einer größeren Spannweite als der einer Boeing 747-800 - am frühen Morgen vom Militärflugplatz im Golfemirat Abu Dhabi ab. Das ehrgeizige Ziel: Erdumrundung - ausschließlich mit der Kraft der Sonne.

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Abenteurer & Pionier. Am 9. März war es endlich soweit. Mit dem Schweizer Piloten André Borschberg im Cockpit hob die Solar Impulse 2 - ein Solarflugzeug mit einer größeren Spannweite als der einer Boeing 747-800 - am frühen Morgen vom Militärflugplatz im Golfemirat Abu Dhabi ab. Das ehrgeizige Ziel: Erdumrundung - ausschließlich mit der Kraft der Sonne.

Ziel der ersten von insgesamt zwölf Flugetappen war Maskat, die Hauptstadt des Sultanats Oman. Von dort aus führt die Route in Etappen an insgesamt 25 Flugtagen nach Indien und China bis in die USA. Von New York geht es dann nach Südeuropa oder nach Nordafrika. Ende Juli oder Anfang August soll die Solar Impulse 2 wieder am Persischen Golf ankommen. André Borschberg und der Initiator des Rekordversuchs, der Schweizer Luftfahrtpionier Bertrand Piccard, wechseln einander im Ein-Personen-Cockpit ab. Die härtesten Etappen sind die Überquerungen des Pazifiks sowie des Atlantiks, bei denen der jeweilige Pilot mehrere Tage und Nächte allein im Flieger unterwegs sein muss.

Das wichtigste Ziel der Mission sei es, weltweit die Unterstützung für umweltschonende Energien zu verstärken, erklärten Piccard und Borschberg. Sie wollen zeigen, wie saubere Technologien die Welt verändern können.

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Fünf Tage und Nächte in der Luft

Angetrieben wird das einsitzige Karbonfaser-Flugzeug von vier Elektromotoren. Mehr als 17.000 Solarzellen stellen die Versorgung der Motoren mit Strom sicher. Die Zellen sitzen auf den Flügeln mit einer Spannweite von 72 Metern – das ist mehr als bei einem Jumbojet. Gespeichert wird die Solarenergie in Lithium-Batterien. Das Flugzeug soll bis zu fünf Tage und Nächte in der Luft bleiben können.

Das Projektziel, umweltschonend fliegende Motorflugzeuge ohne Verbrauch von Brennstoff zu konstruieren, entstand, nachdem Piccard eine Nonstop-Weltumrundung im Heissluftballon Breitling Orbiter 3 im Jahr 1999 erfolgreich vollendet hatte. Bei seinen öffentlichen Auftritten betont Piccard immer wieder die visionären Ambitionen des Projekts: die Neuorientierung des Lebensstils der industrialisierten Gesellschaft, die unverantwortlich mit den natürlichen fossilen Ressourcen des Planeten umgehe.

„Wir möchten mit dem Versuch der ersten Weltumrundung in einem Solarflugzeug ohne Treibstoff und schädliche Emissionen zeigen, dass saubere Technologien und erneuerbare Energien heute Dinge ermöglichen, die im Allgemeinen als unmöglich gelten. Das, was wir in der Luft vollbringen, können alle Menschen in ihrem täglichen Leben am Boden leisten, um die natürlichen Ressourcen unseres Planeten zu schützen“, erklärte Piccard.

25 Flugtage über 5 Monate

Das Abenteuer umfasst rund 25 effektive Flugtage, die sich über 5 Monate erstrecken und während derer rund 35.000 Kilometer bei einer Geschwindigkeit von 50 bis 100 km/h absolviert werden. Für den ersten Streckenabschnitt am 9. März 2015 von rund 430 Kilometer vom Flughafen al-Bateen im Golfemirat Abu Dhabi nach Maskat im Oman benötigte die Si2 mit Borschberg am Steuer 13 Stunden und 2 Minuten. Am Morgen des 10. März brach die Si2 mit Bertrand Piccard am Steuer zur zweiten Etappe vom Flughafen Maskat in das 1.465 Kilometer entfernte indische Ahmedabad auf. Der Ahmedabad Sardar Vallabhbhai Patel International Airport wurde nach knapp 16 Stunden Flugzeit erreicht. Von dort führte der dritte Flug, bei dem wieder Borschberg am Steuer saß, am 18. März 2015 über gut 1000 Kilometer zum Flughafen Varanasi in Indien. Die vierte Etappe von dort zum Flughafen Mandalay in Myanmar flog Piccard am 19. März 2015. Das fünfte 1375 km lange Teilstück zum Flughafen Chongqing-Jiang bei in der Volksrepublik China begann zunächst problemlos.

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Gegenwind und Defekt bremsen

Wegen eines Schadens an einer Solarzelle fehlten dem Flugzeug zwei Prozent der sonst verfügbaren Energie. Der Defekt habe aus Zeitgründen in Mandalay nicht repariert werden können, da eine einzelne Zelle nicht einfach ausgewechselt werden könne. So mußten acht Zellen abgeschaltet werden und die Energie auf alle Batterien gleichmäßig neu verteilt werden. Für die verspätete Landung weit nach Sonnenuntergang wurde der stark frequentierte Flughafen für andere Maschinen vorübergehend gesperrt.

Flugsicherung sitzt in Monaco

Alle Flüge werden im Monaco Control Center (MCC) von einem 40-köpfigen Team überwacht. Alle erforderlichen Informationen, die für die Flugparameter, die Autonomieanzeige des Flugzeugs, die Instruktion der Piloten während des Fluges und ihre ständige Verbindung anhand einer Satellitenverbindung notwendig sind, werden in diesen Räumlichkeiten gesammelt und verarbeitet. Im MCC werden Abflug und Flugstrecke jeder Etappe entschieden. Sprich - das MCC ist der einzige Ort außerhalb der Zwischenstopps, an dem die Öffentlichkeit, Medien, VIPs und Partner das Abenteuer Solar Impulse während der Flüge verfolgen können und über den der Pilot in Kontakt mit der ganzen Welt steht. „Die Entscheidung für Monaco beruht auf einer langjährigen Freundschaft mit Fürst Albert II., der nicht nur einer der Paten von Solar Impulse ist, sondern auch eines der einzigen Staatsoberhäupter, das sich in allen seinen politischen Begegnungen unbeirrt für den Schutz der Umwelt einsetzt“, so Piccard.

Schindler, weltweiter Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen, ist seit 2011, dem Zeitpunkt des Konstruktionsstarts des zweiten Prototyps „HB-SIB“, als Partner von Solar Impulse an der Entwicklung und Umsetzung des Solarflugzeugs beteiligt und unterstützt das Projekt Solar Impulse sowohl finanziell als auch durch Know-how und Manpower.

Intelligenter statt nur härter zu arbeiten

„Solar Impulse ist ein hervorragendes Beispiel für innovative Nachhaltigkeit und grundlegendes Unternehmertum“, erklärt Alfred N. Schindler, Chairman & CEO des Schindler Konzerns. „Dieses Projekt zeigt uns, dass es nicht nur darum geht, Energie zu sparen und zu erhalten. Es geht vielmehr darum, intelligenter statt nur härter zu arbeiten. Dadurch, dass das Flugzeug Tag für Tag ohne Treibstoff in der Luft bleibt, entsteht eine Erkenntnis im Umgang mit Energie, die über das traditionelle ,den Gürtel enger schnallen’ hinausgeht: Solar Impulse führt uns eindrücklich vor Augen, dass praktisch unerschöpfliche Reserven an ungenutzter Sonnenenergie zur Verfügung stehen, die wir nutzen können. “

„Wir befördern mit unseren Produkten täglich rund eine Milliarde Menschen – Energie- und Umweltthemen gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. Mit der Unterstützung von Solar Impulse 2 können wir unsere Innovationskraft und unser Streben nach neuen Technologien für saubere und nachhaltige Mobilität ein weiteres Mal unter Beweis stellen“, erklärt Peter Schnieper, Vorsitzender der Geschäftsführung Schindler Aufzüge und Fahrtreppen GmbH.

Solarbetriebener Aufzug

Diese Kooperation ist aber keine Einbahnstraße. Das Know-how der Schindler-Ingenieure fließe zwar in das Projekt, die Erkenntnisse aus diesen Forschungsreihen fließen aber ebenso in alle Schindler Produkte ein. Etwa in ein Aufzugsmodell, das durch die Kraft der Sonne betrieben wird und damit zu einer Steigerung der Energieeffizienz in Wohn- und Geschäftsgebäuden beiträgt: „Bei der Entwicklung des Solaraufzugs konnten wir auf das enorme Wissen des Solar-Impulse-Teams zurückgreifen und so einen weiteren Meilenstein hinsichtlich nachhaltiger Mobilität setzen“, betont Schnieper. „Schindler ist nicht einfach nur ein neuer Partner für Solar Impulse“ ,so Piccard, „sondern ein Beweis dafür, dass globale Unternehmen das gewaltige Potenzial von „Cleantech“ in der industriellen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze immer besser erkennen“.

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Ein langer Weg

Die Chancen, gleich auf Anhieb ein Solarflugzeug zu konstruieren, mit dem eine Weltumrundung ohne Treibstoff realisiert werden kann, wurden als gering eingeschätzt. Aus diesem Grund wurde zunächst ein erster, etwas einfacherer Prototyp entwickelt, die „HB-SIA“. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen konnte ab 2011 mit dem Bau des zweiten Flugzeugs begonnen werden. Das größere Cockpit gibt nun dem Piloten die Möglichkeit, sich während Etappen von vier bis sechs Tagen ganz ausgestreckt hinzulegen. Die Nutzlast wurde erhöht, die Stromkreise wurden wasserdicht gemacht, damit auch bei Regen geflogen werden kann. Um die Zuverlässigkeit zu verbessern, wurden redundante Systeme implementiert.

Bei Redaktionsschluss stand die Crew unmittelbar vor der nächsten großen Herausforderung: Von Nanjing in Ostchina aus soll der Pazifik überquert und Hawaii angeflogen werden. Das gilt als der schwierigste Teil der Erdumrundung. Um über den Pazifik zu kommen, wird das Flugzeug fünf Tage und Nächte in der Luft bleiben müssen. Ähnlich schwierig dürfte später auch der Flug über den Atlantik von New York aus werden.


BERTRAND PICCARD

Bertrand Piccard galt in den 1970er Jahren als Pionier des Ultraleichtfliegens und ist Pilot für Segel- und Motorflugzeuge. 1999 absolvierte er die erste Nonstop-Weltumrundung in einem Heißluftballon. Er hat als Initiator, Vorsitzender und Pilot von Solar Impulse die Philosophie des Projektes entwickelt, seine politische Symbolkraft gestaltet und so die wirtschaftlichen Projektpartner überzeugt. Piccard ist auch Vorsitzender der Stiftung „Winds of Hope“, die sich dem Kampf gegen Noma, einer Infektionskrankheit verschrieben hat.

In vielen Entwicklungsländern ist Noma eine verheerende Krankheit, die vor allem bei Kindern das Gesicht schwer entstellen kann. Piccard ist Goodwill Ambassador der Vereinten Nationen, Träger des „Champion of the Earth Awards“ und „Energizer of the Year“. Der am 1. März 1958 geborene Schweizer, Ehemann und Vater dreier Kinder lebt heute in Lausanne.


SOLAR IMPULSE 2

COMPARISON_Si2_BOEING747

Das einsitzige Karbonfaser-Flugzeug besitzt mit dem Gewicht eines PKWs (2.300 kg) eine größere Spannweite als eine Boeing 747-800 (72 m). 17.248 Solarzellen auf den Flügeln versorgen vier Elektromotoren (mit einer Leistung von je 17,5 PS) mit erneuerbarer Energie.

Tagsüber werden die 633 kg schweren Lithium-Batterien mithilfe der Solarzellen aufgeladen, damit das Flugzeug nachts bis zum nächsten Sonnenaufgang weiterfliegen kann und so über eine quasi unbegrenzte Autonomie verfügt.