Nachhaltiger Mietvertrag

Das Mietrecht ist ein sehr weitreichender, sensibler und damit schwer veränderbarer Rechtskomplex, somit hat sich die Thematik der Nachhaltigkeit dort noch nicht sehr intensiv etabliert. Mit anderen Worten: solange die Miethöhe nicht in irgendeiner Weise davon abhängt, wie „sustainable“ ein Gebäude ist, solange werden Investoren schwer motivierbar sein, in Nachhaltigkeit zu investieren.

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Das Mietrecht ist ein sehr weitreichender, sensibler und damit schwer veränderbarer Rechtskomplex, somit hat sich die Thematik der Nachhaltigkeit dort noch nicht sehr intensiv etabliert.

Mit anderen Worten: solange die Miethöhe nicht in irgendeiner Weise davon abhängt, wie „sustainable“ ein Gebäude ist, solange werden Investoren schwer motivierbar sein, in Nachhaltigkeit zu investieren.

Ein Grundgedanke der Nachhaltigkeit ist es, die Lebenszykluskosten zu optimieren und somit für niedrige Bewirtschaftungskosten zu sorgen; von diesen niedrigen Betriebskosten und höheren Qualitäten profitieren die Nutzer eines Objekts, die Kosten für diese Maßnahmen trägt der Projektentwickler bzw. Investor. Alleine mit dem Argument einer besseren Vermietung sind diese Kraftanstrengungen seitens des Eigentümers aber nicht zu rechtfertigen, vielmehr soll und muss sich die Nachhaltigkeit rechnen. Darüber hinaus sind Themenbereiche, wie eine nachhaltigere Reinigung, eine gesündere Innenraumluft, besser gewartete Anlagen und vor allem Aufgaben, wie Monitoring – sprich: handeln und denken im Kreislauf – bisher Utopie und das Handlungsfeld von Gutmenschen. Erst mit der Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen können diese neuen Ansprüche die Grundlage für das Zusammenarbeiten von Vermieter und Mieter sein.

Um Lösungsansätze für den nachhaltigen Mietvertrag für den österreichischen gewerblichen Markt zu erarbeiten, hat Stefan Artner (Dorda Brugger Jordis) eine schlagkräftige Gruppe als ÖGNI Arbeitsgruppe zusammengerufen. Durch gezielte Vertragsklauseln und Regelungsempfehlungen, die eine nachhaltige Nutzung sowohl für Mieter als auch Vermieter verbindlich festlegen, setzen die Experten, u.a. Andreas Köttl von Value One oder Gerhard Haumer (ehemals PORREAL), einen ersten Schritt in diese Richtung. Mit dem nachhaltigen Mietvertrag hat die österreichische Bau- und Immobilienwirtschaft eine Grundlage, auf deren die Vertragsparteien (Mieter und Vermieter) eine wirtschaftliche WIN-WIN-Situation für beide Seiten gestalten können.

Die große Herausforderung für alle Beteiligten ist die Veränderung bestehender Mietvertragsklauseln am Markt zu erklären, da es sich aus juristischer Sicht in Österreich um Neuland handelt. Die nachhaltigen Regelungen dürfen den ökonomischen Sichtweisen der handelnden Parteien nicht entgegenstehen, sondern müssen angemessen in das Vertragswerk integriert werden.

Für eine umfassende Etablierung braucht es jedoch den Gesetzgeber und ich wünsche mir hier mehr Mut für einen Perspektivenwechsel, damit neue Abwicklungsmodelle, neue Verrechnungssysteme und ein neues Miteinander im Markt möglich sind. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum Contracting im MRG nicht umsetzbar sind oder warum bei einer Quartiersentwicklung für den Projektentwickler die Hürden für dezentrale Energiegewinnung schier unüberwindbar sind.

KAUFMANN PhilippNoch unvorstellbar ist, warum das MRG immer noch auf das historische Baujahr abstellt. Wenn ein Gebäude hervorragend saniert ist und demnach mit einem Neubau vergleichbar ist, gibt es beim Neubau keinen Vollanwendungsbereich beim Bestand jedoch schon und dies für immer – dieser Widerspruch ist nicht erklärbar. Der Grund für die Regelung ist historisch mit den Herausforderung der Nachkriegssituation und den besonderen Herausforderungen der 40er und 50er Jahre des letzten Jahrtausends erklärbar – hier hat sich viel geändert und diese Regelungen haben sich überholt.

Unsere Forderung ist daher, dass Gebäude nach dem technischen Baujahr und nicht nach dem juristischen bewertet werden sollen. Wir wollen demnach den Ist-Zustand als Grundlage sehen und damit eine Win-Win-Situation zwischen Vermieter und Mieter schaffen; aber auch die Kommune hat hier viel davon, da gerade beim Bestand kaum Infrastruktur gebaut werden muss.

Mit der Mietrechtsthematik hängt auch das Förderungswesen im Wohnbau eng zusammen. Hier sind momentan gegenläufige Intentionen festzustellen, nach dem Motto „Bauen wir billiger, dann können wir ums gleiche Geld mehr bauen“.

Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit nicht nur positiv, weil Errungenschaften der letzten Jahre – Stichwort Barrierefreiheit – Gefahr laufen, wieder „wegrationalisiert“ zu werden. Wichtig ist daher, dass wir im Lebenszyklus planen, bauen und bewirtschaften. Dies sowohl im ökologischen als auch ökonomischen Sinne. Einerseits haben wir dafür die Ökobilanz und anderseits die Lebenszykluskostenberechnung. Aber: Wir haben rund 80 Prozent der Kosten in der Bewirtschaftung, 18 Prozent in der Errichtung und nur 2 Prozent in der Planung. Meine Forderung ist, der Planung einen höheren Stellenwert einzuräumen, da wir damit 98 Prozent der gesamten Kosten steuern.

Mit integraler Planung, den Vorteilen der Digitalisierung, Stichwort BIM, und veränderten Prozessen schaffen wir es bei der Bewirtschaftung Kosten zu optimieren. Erlauben Sie mir die Rechnung: wenn wir bei der Bewirtschaftung die Potentiale nutzen, dann bekommen wir die Planung und den Bau fast geschenkt.

Hier müssen wir alle zusammenarbeiten und aufschreien, denn eine Entwicklung, wie die oben angesprochene, wird länger wirken. Genau aus diesem Grund haben wir als ÖGNI das 7 Punkte Reformprogramm entwickelt, mit dem wir die Bundesregierung auffordern, die Nachhaltigkeit nicht aus den Augen zu verlieren und damit Wachstum zu ermöglichen. Eines darf nicht vergessen werden: die Forderung nach Billig und Quantität zielt auf kurzfristige Impulse. So wie eine Abwrackprämie Effekte nur verschiebt, dürfen wir nicht auf Kosten der Gesundheit bzw. der Lebensqualität handeln und vor allem die Spielräume unserer Kinder einschränken – dies sowohl im Bereich der Budgets als auch der Umwelt und natürlichen Ressourcen.


ARBEITSGRUPPE:

  • MMag. Stefan Arnter (DORDA BRUGGER JORDIS Rechtsanwälte GmbH)
  • Mag. Lothar Egger (LeitnerLeitner GmbH)
  • Fabian Kaufmann (CC Real)
  • MMag. Philipp Kaufmann (ÖGNI)
  • Mag. Thomas Kurz (Heid Schiefer Rechts­anwälte OG)
  • Mag. Christoph Luegmair (Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH)
  • Dr. Saskia Machold (DORDA BRUGGER JORDIS Rechtsanwälte GmbH)
  • Dr. Hannes Pachler (BergsTopp GmbH)
  • Sonja Schweitzer
  • Mag. Oliver Strauss (ÖGNI)
  • MMag. Roland Strauss (TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH)
  • Mag. Georg Tusek (Lawfirm Rechtsanwälte)
  • Mag. Wolfgang Vejdovsky (PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
  • Dr. Lothar Wachter (WOLF THEISS Rechts­anwälte GmbH)
  • Franz Waglhuber (ÖGNI)
  • Mag. Beata Neumaier (IC Projektentwicklung)
  • DI MSc. BSc. Christian Blaskovits (IC Projektentwicklung)
  • Dr. Franz Reinthaler (kerschbaum partner rechtsanwälte)