OGH-Urteil zu „Airbnb-Judikatur“

Keine analoge Anwendung der wohnungseigentumsrechtlichen außerhalb des Wohnungseigentumsrechts

von 3 Minuten Lesezeit

OGH-Urteil zu „Airbnb-Judikatur“

Für einen zulässigen Analogieschluss ist eine echte Gesetzeslücke erforderlich. Dies ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Es muss der Schluss gerechtfertigt sein, dass die aus der konkreten gesetzlichen Regelung hervorleuchtenden Zwecke und Werte die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen.

Die Beklagte ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein Haus mit Wohnungen befindet; es handelt sich um keine Wohnungseigentumsanlage. Die Beklagte vermietet die Wohnungen – mit Ausnahme jener des Klägers – ganzjährig über die Internet-Plattform Airbnb zu touristischen Zwecken. Dem Kläger wurde das grundbücherlich sichergestellte lebenslängliche Wohnungsgebrauchsrecht an der Wohnung Top 6 eingeräumt.

Der Kläger begehrte, der Beklagten die kurzfristige Vermietung der Wohnungen (außer Top 6) zur Beherbergung von Touristen zu verbieten.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

 Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Dazu führte das Höchstgericht aus:

Die Vorinstanzen haben die „Airbnb-Judikatur“ nach § 16 WEG 2002 (Unterlassung einer widmungswidrigen touristischen Nutzung von Wohnungen zufolge Genehmigungsbedürftigkeit einer Widmungsänderung) auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Inhaber eines Wohnungsgebrauchsrechts an einer von mehreren Wohnungen und der Beklagten als Alleineigentümerin der Liegenschaft und damit außerhalb des WEG analog angewandt. Dieses Ergebnis widerspricht der Rechtsprechung.

 Für einen zulässigen Analogieschluss ist eine echte Gesetzeslücke erforderlich. Dies ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Es müsste der Schluss gerechtfertigt sein, dass die aus der konkreten gesetzlichen Regelung hervorleuchtenden Zwecke und Werte die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen.

Das Wohnungseigentum ist die untrennbare Verbindung eines ideellen Miteigentumsanteils an der Liegenschaft mit einem ausschließlichen Nutzungsrecht an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt. Mit der Begründung von Wohnungseigentum erhält der Wohnungseigentümer das dingliche Recht, das ihm zugewiesene Objekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Beim Rechtsverhältnis zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern handelt es sich um eine spezielle, gesetzlich ausgestaltete Rechtsbeziehung, die eine wirksame Wohnungseigentumsbegründung nach den gesetzlichen Modalitäten voraussetzt. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind Ausfluss dieses besonderen rechtlichen Gefüges und setzen dieses notwendigerweise voraus. Dafür, dass der Gesetzgeber einzelne Ansprüche, die sich aus dieser besonderen Rechtsbeziehung zwischen Wohnungseigentümern ergeben, auch auf andere Fälle der Ausübung von Nutzungsbefugnissen an Wohnobjekten außerhalb des WEG angewandt wissen möchte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Ein Übersehen dieser Problematik kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Der Kläger, der (nur) Wohnungsgebrauchsberechtigter einer Wohnung ist, an der kein Wohnungseigentum begründet wurde, kann daher keine Unterlassungsansprüche auf Basis des § 16 WEG 2002 geltend machen.

OGH | 3 Ob 173/21v | 21.10.2021