Planspiele

In der Ausbildung zum Generalstabsoffizier gibt es sie längst: Planspiele. Am Institut für Immobilienwirtschaft der FH Wien wird gerade an einem solchen für den Wiener Immobilienmarkt gearbeitet. Institutsleiter Otto Bammer und Stiftungsprofessor Peter Sittler im Gespräch mit dem ImmoFokus.

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In der Ausbildung zum Generalstabsoffizier gibt es sie längst: Planspiele. Am Institut für Immobilienwirtschaft der FH Wien wird gerade an einem solchen für den Wiener Immobilienmarkt gearbeitet. Institutsleiter Otto Bammer und Stiftungsprofessor Peter Sittler im Gespräch mit dem ImmoFokus.

Aus welchen Bereichen kommen die Studiengangsteilnehmer?

Otto Bammer. In der Regel sind unsere Teilnehmer bereits in der Immobilienbranche tätig. Zu Beginn des Instituts waren die Teilnehmer älter und bereits länger in der Branche. Man kann ruhig sagen, dass wir in den ersten Jahren einen Ausbildungs-Rückstau abarbeiteten. Heute sind die Teilnehmer deutlich jünger. Das Institut für Immobilienwirtschaft bietet die erste umfassende und fächerübergreifende Ausbildung im Immobilienbereich auf akademischem Niveau in Wien an. Unsere Absolventen sind akademisch ausgebildete Immobilien-Generalisten, die Lösungen „aus einer Hand“ anbieten können. Die Absolventen findet man in allen Sparten der Immobilientreuhandschaft. Sie finden aber auch Absolventen bei Banken, bei Versicherungen, bei Bewertern, zunehmend auch beratenden Berufen mit Immobilienschwerpunkt, also Steuerberatungs-, Wirtschafts-Treuhandkanzleien oder Rechtsanwaltskanzleien mit einem Immobilienschwerpunkt. Wir beliefern auch, wenn sie so wollen, die öffentliche Hand, allen voran die Bundesimmobiliengesellschaft. Meine Ambition ist es, den einen oder anderen sehr guten Absolventen wieder ans Institut als Vortragenden zurückzuholen – oder wie es bei Peter Sittler der Fall war, ihn als Stiftungsprofessor zu gewinnen.

Scheint so, als müsste man von einem Muss für Berufseinsteiger sprechen?

Peter Sittler. Es ist zumindest sehr nützlich und wäre sehr empfehlenswert, weil es erfahrungsgemäß äußerst nützlich ist, weil man hier bereits auch während des Studiums Netzwerke vorfindet und sich in ein Netzwerk einklinken kann, das einem nicht nur das Studium etwas erleichtert, sondern dann auch später die Umsetzung des hier erworbenen Wissens im Berufsumfeld. Das Besondere an unserem Lehrgang ist, dass – Praxis vorausgesetzt – der positive Abschluss die Konzessionsprüfung ersetzt.

Wie hoch ist die Dropout-Quote? Was sind die Gründe?

Bammer. Die Dropout-Quote liegt bei knappen fünf Prozent. Die Mehrheit davon legt von sich aus den Studienplatz zurück. Viele scheitern an der Doppelbelastung. Sie haben bereits Familie, Partnerschaft, Kinder. Da wird es zeitweise schon eng. Von einem Drittel müssen wir uns trennen, weil sich der Studienerfolg nicht so gestaltet, wie es wünschenswert wäre.

Der Lehrgang ist auch gleich Sprungbrett in die Selbständigkeit?

Bammer. Durchaus. 15 bis 20 Prozent unserer Absolventen wagen den Sprung in die Selbständigkeit. Bei uns wird nicht nur gelehrt und ausgebildet, bei uns wird auch geforscht. Die Schwerpunkte liegen auf Immobilienrecht und Immobilienbewertung. Der zweite im Immobilienmarketing. Besonders wichtig für uns ist es, die Forschungserkenntnisse über die Lehre direkt an die Studierenden weiterzugeben. Damit stellen wir sicher, dass wir am neusten Stand der Wissenschaft ausbilden. Aktuell wird im Rahmen einer Stiftungsprofessur an einem Marktmodell für den Wiener Büromarkt gearbeitet.

Was passiert da genau?

Bammer. Dieses „Immobilienplanspiel“ soll aufzeigen, wie sich die Abläufe am Wiener Büromarkt gestalten, welche Marktparameter wann welchen Einfluss haben. Ziel ist, die Zyklen am Wiener Büromarkt besser prognostizieren zu können. Mit Peter Sittler haben wir einen ausgewiesenen Experten für Software in der Immobilienwirtschaft gewinnen können. Worauf ich besonders stolz bin: Er ist quasi eine Eigenproduktion. Seit seinem Abschluss ist er als Lektor am Institut tätig.

Sittler. Ein weiterer Fokus meiner Forschungstätigkeit im Bereich Immobilienmarketing liegt in der Entwicklung neuer Technologien wie Immo-Apps. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Nachhaltigkeit der Immobilienbewertung, dem Transfer der Forschungsergebnisse in Praxis und Lehre sowie in der Analyse und Verbesserung der Übernahme von Management- und Expertenrollen von Studierenden in der Immobilienbranche.

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Wann wird das Immobilienplanspiel fertig werden?

Sittler. Die Stiftungsprofessur läuft bis Jahresende 2017. Bis dahin hoffe ich, dass wir ein Pflichtenheft fertig haben. Die Programmierung werden wir nicht selbst machen. Da lassen wir die Profis in Form von Kooperationen mit der Wirtschaft ans Werk. 2016/2017 sollten wir in der Endphase sein. Je besser das Pflichtenheft, desto kürzer sollte das Programmieren dauern. Vielleicht schaffen wir es aber auch schon früher.Wie immer hängt es natürlich auch vom Geld ab. Vielleicht findet sich auch das eine oder andere Unternehmen in der Branche, das uns finanziell unterstützt. Vielleicht könnte der ImmoFokus einen Aufruf starten?

In welchem Größenrahmen spielt sich das dann ab?

Sittler. Das können wir jetzt noch nicht einmal einschätzen. Schön wäre es auch, wenn man das Planspiel für die Wirtschaftsprognostik einsetzen könnte. Die Datenlage ist hier äußerst dürftig. Vor allem auch weil im Wohnungsmarkt weite Bereiche an sich mietrechtlich reguliert sind, und hier keine freien Marktkräfte wirken und daher auch nicht wirklich von Märkten gesprochen werden kann. Der Großteil der Wohnimmobilien ist dem Preisschutz des Mietrechtsgesetzes, also der Deckelung der Mietzinsbildung unterworfen.

Bammer. Wir sind ein kleines Institut. Das hat Vor- aber auch Nachteile. Da ich seit der Gründung mit dabei bin, das Institut von Null auf aufgebaut habe, kenne ich das Institut aus naheliegenden Gründen in- und auswendig. Ich weiß, worin wir wirklich gut sind, weiß, wo wir nachjustieren, wo wir beispielsweise beim Lehrangebot Veränderungen vornehmen müssen. Als ich 2001 begonnen habe, waren Lehrveranstaltungen drinnen, die damals absolut notwendig waren, nach denen heute aber kein Hahn mehr kräht. Diese Lehrveranstaltungen wurden aus den Curricula herausgenommen und durch andere ersetzt, die damals noch kein Thema waren.

… zum Beispiel?

Bammer. Das Vergaberecht hat sich zu einer Spezialmaterie entwickelt. Dieses Spezialthema in aller Tiefe den Studenten zu vermitteln, macht absolut keinen Sinn. Auf der anderen Seite haben wir Dinge hineingenommen, die damals noch kein Thema waren, beispielsweise die Thematik der Due-Diligence-Prüfung, Portfolio-Management, oder Immobiliencontrolling, das sind alles Themen, die bei Gründung des Institutes noch in den Kinderschuhen steckten.

Wie schnell können Sie diese Veränderungen in der FH implementieren?

Bammer. Als FH hat man hier gegenüber den Unis einen großen Vorteil. Wir können schnell reagieren, weil die Entscheidungen bei uns im Haus fallen. Sowohl Peter Sittler als auch ich haben Sitz und Stimme im Kollegium, das solche Entscheidungen mitträgt. Ich sitze dort in der Kurie Studiengangsleiter, Peter Sittler in der Kurie Lehr- und Forschungspersonal, also der akademische Mittelbau.

Wer gut vernetzt ist, setzt sich durch?

Sittler. Ja, das gehört dazu, das erleichtert das Leben.

Wie schwer ist es, einen Studienplatz zu ergattern?

Bammer. Wir vergeben jährlich 40 Plätze für den Bachelor und 40 Plätze für den Master. Für den Bachelor bewerben sich ungefähr drei Mal so viele Damen und Herren, als wir freie Plätze haben, und für den Master knapp 2,5 Mal so viele, als wir Plätze haben. Das bedingt, dass wir ein Auswahlverfahren vorschalten, das wir gemeinsam mit der Universität Wien entwickelt haben. Da ist dann bei uns im Mai/Juni jedes Jahr die ganz besonders heiße Zeit, da führen wir immer Aufnahmeinterviews durch.

Aktuell liegen wir bei 400 Absolventinnen und Absolventen. Diese sind untereinander schon sehr oft sehr gut vernetzt, was natürlich für die beteiligten Player Vorteile hat.

Sittler. In Ost-Österreich werden sie nicht mehr sehr viele Immobilienunternehmen finden, wo keine Studierenden oder Absolventen von uns tätig sind. Wir sind stolz auf unsere Absolventen: Andrea Dissauer, Prokuristin bei EHL-Immobilien, hat bei EHL das ganze Osteuropageschäft aufgebaut. Peter Scharinger hat ein Drittel der ÖRAG gekauft und sitzt heute im ÖRAG Vorstand, Michael Zöchling ist BAR Geschäftsführer, Christoph Petermann und Peter Weinberger sind Raiffeisen Immobilienvermittlung Geschäftsführer.

Alexandra Kassler hat sich mit Wolfgang Chaloupek mit dem Wohnsalon selbständig gemacht, da gibt es auch noch Michael Klinger, selbständiger Immobilienvermögenstreuhänder. Die Liste ließe sich jetzt noch ewig fortsetzen.

Quelle: cityfoto
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