Reformbedarf im österreichischen Mietrecht – Angebot und Deregulierung als Ausweg

Auch der regierungspolitisch angekündigte Neustart lässt wohl keine durchschlagenden Lösungen für den Reformbedarf des österreichischen Mietrechts erwarten und ideologische Grabenkämpfe der Interessensvertreter und Regierungspartner werden kein zufriedenstellendes Ergebnis der Diskussion über ein „leistbares Wohnen“ hervorbringen.

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Auch der regierungspolitisch angekündigte Neustart lässt wohl keine durchschlagenden Lösungen für den Reformbedarf des österreichischen Mietrechts erwarten und ideologische Grabenkämpfe der Interessensvertreter und Regierungspartner werden kein zufriedenstellendes Ergebnis der Diskussion über ein „leistbares Wohnen“ hervorbringen. Bei aller politisierenden Aufheizung der einzelnen diskutierten Aspekte des Mietrechtsgesetzes (MRG) kommt oftmals die Auseinandersetzung mit wesentlichen Grundsätzen des Mietrechts zu kurz.

Vom wirtschaftlichen Sinn und rechtlichen Zweck

Gestiegener Wohnbedarf und Städtezuzug verlangen Erleichterungen der Wohnraumschaffung, um über genügend Angebot Mietmärkte zu entlasten. Die Attraktivität der Investitionsbedingungen muss erhöht und nicht durch mehr Regulierungsbestrebungen nach zB einer Ausweitung des ohnehin komplizierten Anwendungsbereiches des MRG, universalisierte Mietformen mit Ab- und Zuschlagssystemen, ungünstigere steuerliche Rahmenbedingungen reduziert werden. Auch der soziale Wohnbau wird dies nicht auffangen können. Rechtlich unterliegt auch das Mietvertragsrecht der Vertragsfreiheit und grundsätzlich einem gebotenen Ausgleich zwischen den Interessen des einen Vertragsteils und den Belastungen des anderen Vertragsteils. Ein Abgehen vom Grundsatz eines ausgewogenen Interessenausgleiches findet sich in verbraucherschutzrechtlichen Vorgaben oder der Sittenwidrigkeits- bzw. Wuchergrenze oder Verkürzung über die Hälfte, um zB durch Verhinderung eines Missverhältnisses der vereinbarten vertraglichen Leistungen die Ausbeutung von sich in einer Zwangslage befindlichen Wohnungssuchenden zu vermeiden. Denkt man an die Diskussion einer maximalen Miethöhe und die Anwendung des MRG, würde möglicherweise auch der Wert einer Wohnung als wohl sachgerechteres Kriterium mehr Sinn machen als Größe oder Alter des Gebäudes des Mietgegenstandes. Grenzen für die Vertragsfreiheit bei der Mietvertragsgestaltung, Befristungs-, Beendigungs- oder Kündigungsregelungen zugunsten von Mietern zeigen sich durch Belastung des vermietenden Eigentümers in der Sicherstellung des Wohnens auf Dauer als Grundbedürfnis des Mieters auf einem knappen Anbietermarkt.

Angesichts der Vielschichtigkeit von Mieter- und Vermietergruppen (zB private versus unternehmerische Vermietung) setzen jedoch Privateigentum und Vertragsfreiheit der Verwirklichung von gesellschaftspolitischen Interessen durch Mietrecht Grenzen, da Verteilungsgerechtigkeit anders (zB Sozial- und Wohnbeihilfe, geförderter Wohnbau, Steuern oder Gebühren) geschaffen werden sollte, um nicht investitionsfreudige Vermieter für ihre Wohnraumschaffung im Vergleich zum bloßen Kapitalanleger neben Steuerlast zusätzlich durch Beschränkungen des Mietzinses zu bestrafen. Bescheidene Ansätze wie die geforderte Streichung der Mietvertragsgebühr „zumindest für unter 35-Jährige bei erstmaligem Mietvertragsabschluss zwecks Hauptwohnsitzbegründung“ ändern daran nichts.

Reformbedarf

Ein Neuanfang mit Schaffung einer Anreizsituation für mehr benötigte Wohnbauinvestitionen scheint politisch schwierig. Ausländischen Investoren erklären zu müssen, warum Geschäftraummieten in den Anwendungsbereich des MRG fallen, bleibt eine Herausforderung.

Stichtagsmelange

Historische Stichtage sind zudem ausschlaggebend für den Umfang des eröffneten MRG-Anwendungsbereiches (zB nach dem 8.5.1945 durch eine Baubewilligung errichtete Eigentumswohnungen fallen nur in den sogenannten Teilanwendungsbereich des MRG). Im Teilanwendungsbereich des MRG fehlt regulierender Preisschutz, Betriebskosten- und Erhaltungsregelungen können mietvertraglich ausgestaltet werden, es bestehen Ablösemöglichkeiten. Bei Wohnungserrichtung mit Baubewilligung am 7.5.1945 greift jedoch der Vollanwendungsbereich des MRG, der regulierte Mietzins ist überprüf- und begrenzbar, es gelten Ablöseverbote und detaillierte gesetzliche Betriebskostenbestimmungen, Entsprechendes gilt für Erhaltungspflichten. Nicht nur derartige Fälle fordern derzeit eine verfassungsgerichtliche Prüfung, bei Errichtung des Gebäudes um zB 1930 gilt für darin befindliche Wohnungen vollumfänglich das MRG. Wurde im Jahr 2016 dann der Dachboden ausgebaut, fallen seit 2002 derartig nachträglich neuausgebaute Dachgeschoßwohnungen nicht mehr in den MRG-Vollanwendungsbereich und stehen oben erwähnten Eigentumswohnungen gleich, die nach dem 8.5.1945 errichtet wurden. Seltsam? – Ist aber so, wenn auch sachlich kaum begründbar. Es bleibt abzuwarten, was der VfGH dazu entscheiden wird.

Abschlagsideen

Forderungen aus der Politik nach einem „Universalmietrecht“, das für Mietverträge nach 20 Jahren eine Deckelung von EUR 5,50 Euro pro Quadratmeter für den Basiszins vorsah, plus Zu- oder Abschläge für Lage und Ausstattung (in Wien beträgt der Richtwertmietzins derzeit 5,39 Euro pro Quadratmeter), sind da nicht besonders hilfreich. Befristungen bei Mietverträgen sollte es danach nur ausnahmsweise geben, zB bei Eigenbedarf des Vermieters, jedoch nur mit hohen Abschlägen: Für unter 5 Jahre befristete Mietverträge 40 Prozent, für 5 bis 10 Jahre 30 Prozent und für 10- bis 15-jährige Befristungen 20 Prozent. Umgekehrt wird zurecht eingewandt, dass die Vermieter bereits durch die Wohnrechtsnovelle 2015 (Thema: Erhaltungspflichten betreffend Warmwasseraufbereitungsgeräte, zB Heiztherme) und die Steuer-reform 2016 „enorm belastet“ wurden, die diesjährige „gesetzlich verordnete Zwangspause bei der Wertsicherung der Richtwertmieten“ würde daher Investitionen in Immobilien weiter verhindern. Knappes Wohnungsangebot aufgrund (über)regulierten Mietrechts schafft nicht mehr Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft.

Scheinsozialpolitische Umverteilung und Einzelfalldurchmischung

Noch strengere Regulierungen im Mietrecht sorgen sicher nicht für eine größere Bereitschaft von Vermietern, auf Dauer Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und was ist zB mit Gemeindebauten, bei denen bekanntermaßen statistisch nur ungefähr ein Viertel der Mieter sozial bedürftig sind? Politische Einzelfallausreden und Rechtfertigung mit Durchmischungswünschen verhelfen hier offenbar Nettogehaltsbeziehern zwischen ca 3.000 Euro und 5.000 Euro zu günstigsten Gemeindebaumieten. Verteilungsgerechtigkeit sieht anders aus.


Schlussempfehlung.

Wir warten immer noch auf den zündenden Funken, die dringend erforderliche Anreizsituation für Investitionen im Wohnsegment zu verbessern. Die Politik bleibt ihren Neustart zur Entlastung des Wohnungsmarktes schuldig und riskiert, dass „nach der Wahl vor der Reform“ sein wird.


Dr. Stephan R. Eberhardt ist als österreichischer und deutscher Rechtsanwalt in Wien und München tätig und auf die rechtliche Beratung bei Immobilientransaktionen und -finanzierungen spezialisiert (office@rechtsanwalt-eberhardt.com). Er ist Herausgeber des Handbuches Immobilienprojektentwicklung, Lindeverlag (2016).