"Schiefe" Mieter und Häuser unter Wasser

Scheefhuurders. Kein anderes Land in Europa hat so viele Sozialwohnungen zu bieten wie die Niederlande. Ebenso war es lange Zeit nirgendwo sonst in Europa so leicht, Hauseigentümer zu werden.

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Scheefhuurders. Kein anderes Land in Europa hat so viele Sozialwohnungen zu bieten wie die Niederlande. Ebenso war es lange Zeit nirgendwo sonst in Europa so leicht, Hauseigentümer zu werden.

Bezahlbarer Wohnraum für sozial schwache Mitbürger ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts erklärtes politisches Ziel. Mit der Folge, dass gut 95 Prozent aller Mietwohnungen Sozialwohnungen mit einer durchschnittlichen Miete von 680 Euro sind. Jeder dritte Niederländer wohnt in einer Sozialwohnung. Die Mietverträge sind unbefristet. Einkommenskontrollen finden nicht statt. Viele Sozialwohnungen werden von sogenannten „Scheefhuurders“ bewohnt, von „schiefen Mietern“, die dafür eigentlich zu viel verdienen. Aber auch Haus- und Wohnungskäufer hatten es in den Niederlanden leicht. Der niederländische Staat hatte viele Anreize geschaffen, schoss dabei aber offenbar über das Ziel hinaus.

Banken verzichten auf Tilgung

Weil die Immobilienpreise schon seit den Neunzigerjahren immer weiter kletterten und gleichzeitig die Bauzinsen immer weiter sanken, verzichteten die Banken bei Immobilienfinanzierungen auf eine Tilgung der Darlehen. Die steigenden Preise für Immobilien und damit der Sicherheit für die Hypothek machten das möglich. Bis zu 30 Jahre lang blieben die Darlehen tilgungsfrei. Die Zinsbelastung aus den Hypotheken durften die Hauskäufer zum größten Teil von der Steuer absetzen. Außerdem gestatteten die Banken eine Finanzierung von bis zu 125 Prozent des Kaufpreises. Eigenkapital war für den Hauskauf somit völlig unnötig. Denn die mögliche Kredithöhe - bis zum sechsfachen Jahreseinkommen – reichte in der Regel aus, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.

60 Prozent wohnen in Eigentum

Sechs von zehn Niederländern bewohnen mittlerweile ihre eigenen vier Wände. Dann platzte die Immo-Blase. Die niederländische Regierung nahm den Sparstift in die Hand. Man sah sich gezwungen, zu handeln und neue Regeln für den Miet- und Immobilienmarkt aufzustellen. „Schiefe Mieter“ werden aus ihren Paradiesen vertrieben; auch für Hausbesitzer sind längst andere Zeiten angebrochen: Ausschlaggebend war eine schwere Rezession, die dafür gesorgt hat, dass die Immobilienpreise drastisch gesunken sind. Gut eine Million Niederländer besitzt auf einmal ein Haus, das weniger wert ist als die Hypothek. Strengere Regeln gelten nun auch bei der Kreditvergabe. 2010 wurde die Beleihungsgrenze für neue Immobilienkäufe zunächst auf 106 und später 104 Prozent begrenzt. Bis 2018 sollen sie bis auf 100 Prozent sinken. Die Steuervorteile für Neukäufe sinken ebenfalls schrittweise von maximal 52 Prozent auf bis zu 38 Prozent - allerdings erst in den kommenden 28 Jahren in Schritten von jeweils einem halben Prozentpunkt pro Jahr.

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Große Kapitalmengen aus dem Ausland

Einer aktuellen Researchanalyse von Savills zufolge wurden 2014 bislang 1,7 Milliarden Euro in den holländischen Wohnungsmarkt investiert. 2013 lag das Transaktionsvolumen bei 1,3 Milliarden Euro. Dieses starke Ergebnis führt Savills vor allem auf große Kapitalmengen aus dem Ausland zurück und geht vor dem Hintergrund einiger derzeit im Markt befindlichen Großportfolios, darunter Vestia, Lips und WIF, davon aus, dass das Jahrestransaktionsvolumen die 2 Milliarden Euro Marke überschreiten wird.

Äußerst interessante Assetklasse

„Die Rahmenbedingungen des holländischen Wohnungsmarktes, nämlich steigende Nachfrage, begrenztes Angebot und relativ niedrige, aber steigende Preise machen Wohnimmobilien zu einer äußerst interessanten Assetklasse, sowohl für einheimische als auch für internationale Investoren“, ist Jan de Quay, Director Investment Savills Niederlande, überzeugt: „Derzeit gibt es Interessensbekundungen von mehr als einem Dutzend internationaler Investoren.“ Zu den wesentlichen demografischen Entwicklungen, die den Wohnungsmarkt in Zukunft prägen werden, zählt Savills die steigende Zahl an Einpersonenhaushalten, die Überalterung der Bevölkerung und den Fokus auf die größten Städte.

Neubauprojekte sollten sich daher auf kleinere Wohnungen in den Kernstädten konzentrieren. „Die Vorschriften für Wohnungsbaugesellschaften sind strenger geworden und die Steuer für Vermieter wird auch über 2017 hinaus Bestand haben. In Verbindung mit einer dreijährigen Festschreibung der maximalen Miethöhe im sozialen Wohnungsbau auf 699,48 Euro wird dies vermutlich sowohl die Zahl der Angebote, die der staatlichen Regulierung unterworfen sind, als auch die Zahl der frei verfügbaren Angebote erhöhen.“

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Quelle: pixelio.de