Seit Lehman ist alles anders

Kommentar von Peter Engert, Corsor GmbH, zum Artikel "Schau genau!"

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Die Zeiten haben sich gewandelt. Was für ein Finanzierungseldorado hat sich in der Immobilienbranche in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts aufgetan! „Geld muss arbeiten, um Ertrag zu bringen“ war der Schlachtruf der Banken und dementsprechend wurden die Kunden höchstmöglich finanziert. Gerade in der Immobilienbranche trieben die Finanzierungsmodelle seltsame Blüten. Projektfinanzierung ohne Eigenkapital? Kein Problem! Forward-Purchase? Kein Problem! Ein Spekulationsgeschäft. In Wirklichkeit aber wurde es im großen Stil angeboten. Lage entscheidet? Vollkommen egal. Das Wachstum endet sowieso nie, daher werden die Umfahrungen sämtlicher Kuhdörfer mit Fachmarktzentren zugepflastert, zum kurzfristigen Glück des jeweiligen Bürgermeisters. Dass er einige Jahre später die Verödung der Dorfzentren und damit der Nahversorgung beklagen und sich an die Spitze der Protestbewegung gegen das Fachmarktzentrum setzten wird, ist ihm natürlich noch nicht bewusst. Und dem Projektentwickler und der finanzierenden Bank ist es egal. Es ist ja ein kurzfristig gutes Geschäft.

Und heute? Alles ist anders, gerade in Österreich hat der Finanzierung Suchende oftmals den Eindruck, als sei „Nichts geht mehr“ der Schlachtruf der Banken. Nur mehr der private Wohn- und Häuselbau und exquisite Projekte werden finanziert und das mit hohen Eigenkapitalanteilen. Die Banken sind übervorsichtig geworden und oftmals mit Recht.

Die Wirtschaftskrise hat kaum jemand vorhergesehen und daher waren die Maßstäbe der Risikobeurteilung auf Rezession nicht eingestellt. Oft wurden die Risikomanager vor 2008 vom Vertrieb ob ihrer strengen Maßstäbe gescholten – die Wirklichkeit war aber noch viel düsterer, als es sich die Risikomanager je ausgemalt haben. Und heute gibt es kaum jemanden, der ein Ende der Krise vorhersieht – einmal abgesehen von katholisch gewordenen Menschen, die gerne die Bibel und ihren 7-Jahres-Zyklus zitieren.

Österreichische Banken sind im Vergleich zu ihrer Größe in einem viel höheren Ausmaß als alle anderen europäischen Banken in Osteuropa engagiert. Und Osteuropa wurde, mit Ausnahme Polens, von der Wirtschaftskrise schwer gebeutelt. Der Russland-Ukraine-Konflikt mit den Sanktionen und dem Bürgerkrieg in der Ukraine erhöht das Risiko des Engagements in diesen Ländern zusätzlich. Die Vorsorgen für Kreditausfälle steigen weiter und verzehren Eigenkapital.

Seit dem Urteil gegen Ex-Hypo-Banker Wolfgang Kulterer in der Causa „Styrian Spirit“ fährt der Tatbestand der Untreue bei jedem Entscheidungsträger und jeder Entscheidung ins Unterbewusstsein. Auch wenn der Herr Justizminister mittlerweile versucht, zu reparieren was zu reparieren ist, wird jede Entscheidung kompliziert, muss abgesichert werden, es werden Experten beschäftigt und Gutachten beschafft. Ein Vergleich aus einer Verhandlung heraus, schnell, effizient und für alle Beteiligten erfolgreich? Nicht mehr vorstellbar, da dieser Vergleich jederzeit eine gute Basis für eine Untreue-Klage enttäuschter Aktionäre bietet.

Aber nun hat die EZB die Gelddruckmaschine angeworfen und überschwemmt den Markt mit Liquidität – die Banken müssen sie nur mehr verteilen. Alles wird gut?

Leider nicht in Österreich. Unsere Banken bekommen auch Liquidität von der EZB, daran mangelt es nicht. Es mangelt am Eigenkapital, das zu großen Teilen langfristig in Osteuropa gebunden ist. Mit Basel 4 wird die Verknappung des Eigenkapitals der österreichischen Banken noch schärfer. Die Lösung: unsere Banken geben die Liquidität der EZB nicht an die Kunden weiter, sondern kaufen damit Staatsanleihen. Staatsanleihen kosten kein Eigenkapital, bringen einen kleinen Ertrag und sind leicht zu administrieren.

Es wird nichts werden mit dem Öffnen der Geldhähne wie vor 2008. Es werden also weiterhin nur hochwertige Projekte finanziert werden. Die Projektentwickler werden Eigenkapital beibringen müssen, denn sonst geht gar nichts. Aufgrund der Entwicklung der Nachhaltigkeit gibt es weitere Restriktionen (sagen die einen) bzw. Verbesserungen (sagen die anderen): Vermeidung von zusätzlichem Bodenverbrauch durch die Nutzung alter Bausubstanz, Betrachtung des Lebenszyklus von Gebäuden, Verwendung recyclebarer Baustoffe, etc.

Aber wie sagt ein weiser Mensch nach 2008: Dass wir leben, ist nicht am Wachstum zu sehen, sondern an der Veränderung!