Sprache des Empfängers sprechen

Research. „Im Konsumgütermarketing sind Marktanteile und Marktdaten mein tägliches Brot gewesen, bei uns in der Immobilienbranche haben wir nur für größere Märkte Daten und auch diese werden oft ignoriert“, meint Philipp Kaufmann im Gespräch mit dem ImmoFokus.

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Research. „Im Konsumgütermarketing sind Marktanteile und Marktdaten mein tägliches Brot gewesen, bei uns in der Immobilienbranche haben wir nur für größere Märkte Daten und auch diese werden oft ignoriert“, meint Philipp Kaufmann im Gespräch mit dem ImmoFokus.

Philipp, Du bist mein Herausgeber beim ImmoFokus, seit langem eng verbunden mit dem Thema Nachhaltigkeit und beschäftigst Dich auch mit Immobilienmarketing – seit wann eigentlich?

Kommunikation, Marketing und Wirtschaft generell beschäftigten mich schon sehr früh. Du wirst es nicht glauben, aber ich war bereits in der Volksschule von der Wirtschaft und vom Wirtschaften begeistert, habe im Kindergarten Blumen, die ich vorher ausgegraben habe, verkauft; diese Geschäfte waren übrigens meine bisher erfolgreichsten, da die Einkaufspreise nicht vorhanden waren. Und ich bin seit 1988 an der Börse als aktiver Teilnehmer. Mit 14 Jahren nervte ich viele Lehrer und Mitschüler mit dem Börsengang der Verbund-Aktie sowie dem Kauf und Verkauf von Aktien.

Diese Leidenschaft habe ich ab 1993 auch studieren dürfen und konnte mit der Betriebswirtschaft, aber vor allem auch der Publizistik ein gutes Rüstzeug fürs Marketing erhalten.

Was bringt die Publizistik einem Betriebswirt?

Als Betriebswirt habe ich von den Financials kommend verstanden, was es heißt, eine Zielgruppe zu definieren, Umsatzpotenziale und Absatzchancen zu berechnen bzw. zu ermitteln und nach Philip Kotler, den ich immer noch gerne lese, mit dem 4P-Ansatz über ein Werkzeug zu verfügen, das die Bandbreite des Handelns aufzeigt. Was mir fehlte und was ich mit dem PKW-Studium (Anmerkung: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft) lernte, waren generelle Fragestellungen der Kommunikation und vor allem der kreativen Arbeit: Wie entsteht eine gelungene Kampagne, ein stimmiger Claim oder ein guter Pressetext?

In der Kombination spreche ich heute von inte­graler Kommunikation, welche PR, klassische Absatzförderung, CI und Marketing, Ziel- und Dialoggruppen verbindet. Dieser ganzheitliche Ansatz wird immer noch selten gelebt und noch allzu oft werden unterschiedliche Stakeholder unterschiedlich „bearbeitet“.

Kommunikation ist jedoch einfach zu verstehen, oder?

Keineswegs, denn es gibt nichts Spannenderes als Kommunikation. Dies unterscheidet uns von der unbelebten Welt der Dinge und zeichnet uns Menschen aus. Jedoch können hier einfache Denkmuster helfen, Fehler zu vermeiden. So verwende ich heute noch gerne das Modell des Kommunikationsprozesses, bei der der eigentliche Vorgang zwischen einem Sender und Empfänger sowie den jeweiligen Inhalten zerlegt wird. Mit der notwendigen Ver- bzw. Entschlüsselung und möglichen Störungen gibt es ein Modell, welches hilft, zu verstehen, ob eine Botschaft ankommt bzw. verstanden wird. Am Ende muss ich als Sender immer die Sprache des Empfängers sprechen und mögliche Störungen berücksichtigen. Hier bin ich mir bei so mancher Maklerkommunikation nicht sicher. Und als Marketer ist es meine Aufgabe, diesen Prozess zu beherrschen.

Aber auch das Verständnis über direkte bzw. indirekte Kommunikation sind wesentliche Dimensionen. Gerade das Marketing für Immobilien bedeutet immer, den unmittelbaren Kontakt zum Kunden aufzubauen und zu pflegen. Ich kenne derzeit noch keine Transaktion via Impulskauf und kurzfristiger Abwicklung via Kreditkarte aufgrund der Verfügbarkeit.

Ist Marketing nicht immer gleich Marketing und somit auch bei der Immobilie?

Marketing, und das finde ich so spannend, ist oft vom Konsumgütermarketing geprägt. Viele Instrumente und Tools leben vom Re-Purchase. Wie ich bei Procter&Gamble lernen durfte, war es unser Ziel, potenzielle Kunden durch den Gebrauch des Produkts zu loyalen langfristigen Kunden zu machen. Bei Immobilien funktioniert dies einfach anders. Sampeln zum Beispiel ist bei der Immobilie einfach anders zu interpretieren: Wohnen auf Zeit oder Testarbeiten funktionieren viel komplexer und sind nicht immer anwendbar.

Aufgrund ihrer acht Charakteristika ist die Immobilie einfach ein anderes Wirtschaftsgut, welches immer eine intensive Kaufentscheidung voraussetzt. Meinungsbildner und damit die indirekte Kommunikation, das Image und das Vertrauen sind Werte, die für den Kauf bzw. die Anmietung von entscheidender Relevanz sind.

Ist der 4P-Ansatz frei nach Kotler denn auch für die Immo-Branche von Bedeutung?

Ja und nochmals ja! Und ich verstehe immer noch nicht, warum die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden in unserer Branche nicht viel unmittelbarer erfolgt. Dass die Distribution (Place) über den Makler erfolgt, spricht für einen wichtigen Player in unserem Markt; dass jedoch bereits bei der Promotion (Bekanntmachung) nicht mehr alleine der Makler gefordert ist, ist schon oft ein Widerspruch. Bei diesem Punkt lebt eine Immobilie von einem stimmigen Branding und einer guten Positionierung. Noch viel schlimmer ist es beim Preis, welcher am schnellsten wirkt, jedoch auch endgültig über den finanziellen Erfolg entscheidet.

Und oft vergessen wird das Produkt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir die Immobilie mit ihren Qualitäten besser verstehen, analysieren und gegebenenfalls auch verbessern müssen – Lage allein ist für den Erfolg nicht entscheidend. Dieser Hebel wird in der Praxis einfach vergessen bzw. ausgeblendet. Ich höre oft, dass dies beispielsweise der Makler nicht beeinflussen kann. Aber ohne das richtige Produkt für die richtige Zielgruppe kann ich am Ende nur über den Preis verkaufen und dies ist selten ein gutes Geschäft.

071 Fokus Immobilien-Expertengespräch 2013 Kopie

Wie gehe ich nun konkret bei einer Kampagne vor?

Das Wichtigste ist ein guter, fundierter Research! Im Konsumgütermarketing sind Marktanteile und Marktdaten mein tägliches Brot gewesen, bei uns in der Immobilienbranche haben wir nur für größere Märkte Daten und auch diese werden oft ignoriert. Fragen, wie groß der Büromarkt zum Beispiel in Linz wäre, können nicht von allen Marktteilnehmern beantwortet werden. Aber auch Fragen nach dem Leerstand, den Marktbewegungen führen zu Kopfschütteln.

Die Exekutionsstufen einer Projektkampagne sind einfach und zugleich aufwändig. Beginnend mit dem Research und einem tiefen Verständnis des Marktes, der Kunden und der Bedürfnisse, steht das Logo mit dem Claim und der Positionierung. Anschließend folgen das Corporate Design, die Selling Line und die Definition des Big Pictures. Mit dem Marketing- und Kommunikationskonzept erfolgt die Umsetzung mit den sieben Instrumenten. Vergessen wird dann immer auf die Erfolgskontrolle und die detaillierte Analyse, was funktioniert hat und was nicht!

Das klingt irgendwie komplex und für mich stellt sich die Frage, ob gutes Marketing erlernbar ist?

Die Tools und das operative Wie sind erlernbar, dafür gibt es sozialwissenschaftliche Fakultäten und die Betriebswirtschaft als Wissenschaft. Aber zu einer guten Kampagne braucht es einen Marketer mit Wissen und Gefühl. Das Gute ist, trotz allem Wissen gibt es erfolgreiche Kampagnen und zum Glück auch schlechte. Wäre es nur erlernbar, wären alle erfolgreich. Im Markt zeigen sich schon Unterschiede.

Welche Tipps kannst Du mitgeben?

Kochrezepte sind immer problematisch, aber wenn Du mich fragst, gebe ich folgende Big Five mit auf den Weg: Erstens zählt einzig und allein der Kunde. Seine Bedürfnisse und Wünsche gilt es zu verstehen und nie aus den Augen zu lassen. Zweitens ist Marketing ein Prozess, der immer wieder in Schleifen läuft: zuerst die Analyse mittels Marktforschung und somit ein tiefes Verständnis des Marktes, seiner Gesetze und der Akteure, anschließend die Planung mit Zielsetzung und Konzeption, dann die Exekution und schließlich die schonungslose Bewertung bzw. Kontrolle. Drittens das Wissen, die Vorgaben zu verschriftlichen, damit die Kontrolle auch ehrlich umsetzbar ist.

Somit sind Ziele zu operationalisieren und in Ausmaß, Zielgruppenbezug und zeitlicher Dimension exakt und schriftlich zu formulieren. Viertens der kreative Prozess und das Arbeiten mit Profis. Dafür ist jedoch ein Verständnis der Zielgruppen mit deren Insights notwendig. Viel zu wenige arbeiten mit guten Briefings, welche die Vorgaben definieren und der Kreativität die Basis für einmalige, überzeugende Arbeiten ermöglichen. Hier ist wesentlich: Kreative brauchen Raum, Feedback und somit Zeit. Und fünftens Geld: Nur mit einem Investment ist Kommunikation – vor allem eine einzigartige – erst möglich.

Wie verbindet sich Dein Verständnis von Marketing mit Deinem Engagement beim ImmoFokus?

Ganz einfach: Eine Branche ist für mich so gut wie ihre Medien und ihre Plattformen. Ich möchte beitragen, dass wir für Leser ein Magazin machen, welches so attraktiv ist, dass noch mehr der Besten unserer Gesellschaft bei uns in der Bau- und Immobilienbranche arbeiten möchten. Denn von einem bin ich überzeugt: mit den besten Köpfen findet eine Professionalisierung statt und das Zusammenarbeiten macht einfach richtig Spaß. Abgesehen davon war es schon ein Jugendtraum, mit einem tollen Team ein Medium zu gestalten und damit Inhalte wie eine saubere Immobilienwirtschaft zu prägen.

Was meinst Du mit einer sauberen Immobilienwirtschaft?

Die Bau- und Immobilienwirtschaft kommt um die Frage der Nachhaltigkeit nicht mehr herum. Neben Industrie und Verkehr zählen die Gebäude zu den größten Energieverbrauchern im Land. Eine Branche, die für bis zu 40 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich ist, muss von sich aus Verantwortung für ihre Aktivitäten übernehmen. Nachhaltiges Bauen heißt aber in erster Linie im Lebenszyklus zu planen und zu handeln; somit werden Brüche – wie etwa zwischen Neubau und Nutzung – vermieden. Auf lange Sicht wird nachhaltige Architektur neben einer ethischen und ökologischen auch eine ökonomische Entscheidung sein.

Wie kann eine Effizienzsteigerung im Bereich der Immobilien Realität werden?

Im Sinne der Nachhaltigkeit gilt es, den Eingriff in die Natur zu minimieren und gleichzeitig die ökonomischen und soziokulturellen Qualitäten zu maximieren. Nur mit einer Steigerung der Sanierung auf drei Prozent jährlich schaffen wir einen wesentlichen Beitrag zur Energieautarkie und ermöglichen leistbares Wohnen durch günstigere Betriebskosten. Die heutigen Technologien erlauben es, den Bestand umfassend zu modernisieren und damit sicherzustellen, dass die Energieeffizienz eines Gebäudes um 50 bis 60 Prozent und mehr verbessert wird. Hier gibt es noch ein riesiges Potenzial, das es zu heben gilt.

Die Branche wird den Umbruch nicht alleine bewältigen können, die Rahmenbedingungen sind ein entscheidender Faktor?

Es ist eine politische Herkulesaufgabe, den Immobilienbestand nachhaltiger zu machen. Intention ist es, dass die Eigentümer den Gebäudebestand durch Sanierungsmaßnahmen von sich aus (ohne Förderung per se) auf aktuelle Standards bringen und somit investieren. Hinderlich dabei ist die ewige (!) Anwendbarkeit des MRG im Bereich der Mietzinsbildung, da das Gesetz auf die ursprüngliche „Baubewilligung“ abstellt. So wie es in der Immobilienbewertung in Theorie und Praxis üblich ist, führt eine umfassende Sanierung zu einer Verjüngung des Objekts und schafft damit Potenzial, in den Bestand zu investieren. Daher meine Forderung an die Politik: Bitte entfesselt die Immobilienwirtschaft und schafft Rahmenbedingungen, bei denen sich Nachhaltigkeit rechnet!

Mit dem obligatorischen Energieausweis hat die Politik einen ersten Schritt gesetzt. Er sollte doch Transparenz in den Markt bringen?

Die Sinnhaftigkeit eines Energieausweises wird von vielen Gestrigen noch immer infrage gestellt. Er wird oft nur auf die Kosten, die er verursacht, reduziert. Ein notwendiges Übel, sozusagen. Es wird kaum ein Gedanke an die Möglichkeiten und Chancen verloren, welche der Energieausweis bieten kann, denn er ist ein etabliertes und zentrales Instrument zur Bewertung der thermischen Gebäudehülle bis hin zum Primär-Energiebedarf eines Objekts. Nicht umsonst sind die Kennwerte aus dem Energieausweis wesentliche Benchmarks des DGNB Systems, das die ÖGNI in Österreich anbietet.

Aber ist das nachhaltige Bauen wirklich für alle möglich?

Selbstverständlich! Jeder hat das Recht auf ein nachhaltiges Umfeld und gesunde Immobilien, denn jeder von uns verbringt rund 92 Prozent seiner Lebenszeit in Immobilien. Und das Beste: Es gibt keine Immobilienart, bei der es sich nicht lohnt, einfach besser zu bauen! Beispielhaft seien die Handelsbauten von Spar erwähnt; das Vorzeigeunternehmen setzt Zeichen, indem es bei allen Neubauten mit System nachhaltig baut. Für viele überraschend: Auch Sportstätten sind heute nachhaltig zu bauen. So freue ich mich schon, wenn ich die ersten Fußballstadien besuchen kann, bei denen das schlechte Gewissen aufgrund einer schlechten Immobilie zu Hause bleiben kann!

Wir starteten sehr persönlich und landeten bei einem Aufruf zu mehr Qualität und nachhaltigem Handeln.