Tradition, Vision und Konsens

Der Neue. Neuer Präsident des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder wurde der 55jährige Niederösterreicher Georg Edlauer. Er folgt damit indirekt seinem Vater nach, der in den 80er Jahren dieses Amt bereits innehatte. Der ImmoFokus traf ihn in St. Pölten zum exklusiven Antrittsinterview.

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Der Neue. Neuer Präsident des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder wurde der 55jährige Niederösterreicher Georg Edlauer. Er folgt damit indirekt seinem Vater nach, der in den 80er Jahren dieses Amt bereits innehatte. Der ImmoFokus traf ihn in St. Pölten zum exklusiven Antrittsinterview.

Es war das Gesprächsthema bei der diesjährigen GREET Vienna. „Hast schon g‘hört? Georg Edlauer ist neuer Präsident des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder. Was sagst‘ dazu?“ Der ImmoFokus hat sich kurz vor Redaktionsschluss auf den Weg nach St. Pölten gemacht, um den neuen Präsidenten nach seinen Zielen und Vorstellungen zu befragen. Edlauer ist ein klassischer Immobilientreuhänder – Makler, Bauträger, Hausverwalter und Gerichtssachverständiger. Er leitet seit 25 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Paul Edlauer das von seinen Eltern 1962 gegründete Familienunternehmen.

Bereitwillig führt uns Edlauer durch sein Unternehmen, in dem 23 Mitarbeiter beschäftigt sind. Moderne Kunst hat es ihm besonders angetan. Vor allem ein Werk von Friedrich Sochurek. Es gehört zwar zu einem 3-Bilder-Zyklus, hat aber allein seinen Weg in den Stiegenaufgang des vor 5 Jahren aufwendig sanierten Firmengebäudes gefunden - die Bausubstanz aus den 1960er Jahren wurde teilweise erhalten und modernisiert, Neues dazu gebaut; das Ergebnis ist ein architektonisch äußerst bemerkenswertes Gebäude mit annähernd Passivhausstandard. Nach einem kleinen Rundgang nehmen wir in seinem Büro Platz. Über dem Platz des Hausherrn hängt ein Porträt seines Vaters.

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Herzliche Gratulation zur neuen Funktion. Darf man Ihnen gratulieren? Die Wahl kam für viele, ich bin versucht zu sagen, für alle in der Branche mehr als überraschend.

Vielen Dank für die Glückwünsche. Ich habe selbst erst 1 Woche vor der Wahl beschlossen zu kandidieren. Mein Vater hat ja diese Funktion in den späten 80er- bis Mitte der 90er-Jahre mit sehr starkem Rückhalt aus allen Bundesländern lange Zeit ausgeübt. Daher weiß ich, welche Anforderungen - nicht nur in zeitlicher Hinsich - mit dieser Funktion verbunden sind. Ich bin heuer auch nicht das erste Mal gefragt worden, sondern wurde schon bei den letzten beiden Wahlen gebeten, die Übernahme dieser Funktion zu überdenken. Damals konnte ich das mit meiner Lebensplanung aber absolut nicht in Einklang bringen.

Was war Ihre Hauptmotivation, zur Wahl anzutreten?

Grundsätzlich dieselbe, mit der ich seit 13 Jahren die Funktion des Fachgruppenobmanns in Niederösterreich erfülle. Einfach etwas für den Berufsstand und für die Mitarbeiter des Berufsstandes zu bewegen. Dass mich meine Stellvertreter Gerald Gollenz und Reinhold Lexer dabei bestens unterstützen, hat auch wesentlich dazu beigetragen, „Ja“ zu sagen. Auch die Berufsgruppensprecher der drei Branchen haben mich ihrer Unterstützung versichert.

Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation war kein Motiv?

Es ist mit Sicherheit keine Unzufriedenheit mit der bisherigen Arbeit, die mich dazu bewogen hat. Thomas Malloth hat aus meiner Sicht 10 Jahre lang einen beispiellosen Einsatz an den Tag gelegt und eine Vielzahl von Themen „auf Schiene“ gebracht. Es wird auch zu keinen radikalen Umwälzungen kommen: Wir gehen alle im Fachverband geschlossen seit Jahrzehnten denselben Weg. Ich freue mich ganz besonders, dass ich über alle Parteigrenzen hinweg akzeptiert werde. Mich hat es wirklich sehr gefreut, dass mich viele Bundesländer angesprochen haben und gesagt haben: „Mach du das. Bitte überlege es, wir halten dich für geeignet.“

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Was werden jetzt Ihre ersten Schritte sein?

Fragen Sie mich das bitte in 4 Wochen. Wir sind seit der Wahl intensiv dabei, die Themen zu bündeln und zu evaluieren und in einer Strategiesitzung noch im Juni nach Prioritäten zu ordnen und die Vorgangsweisen festzulegen.

Was fällt Ihnen spontan ein?

Vordringlich sind natürlich die geplante Steuerreform und ein neues Wohnrecht, ebenso wie die schwelenden Themen rund um unsere Maklerprovision. Wir brauchen auch eine andere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wir müssen danach trachten, wieder als achtbarer und hoch spezialisierter Berufsstand wahrgenommen zu werden. Wir müssen uns selbst qualifizieren, akademisieren und als Experten positionieren. Wir müssen aber auch versuchen, andere „Märkte“ zu erschließen.

Ein Beispiel: Der Immobilientreuhänder wird meiner Meinung nach im öffentlichen Raum, von den Gemeinden und Kommunen viel zu wenig als der erste Partner in immobilienbezogenen Fragen wahrgenommen. Dabei können gerade die Immobilientreuhänder die Gemeinden bei der Entwicklung, Vermarktung und dem Betrieb ihrer Immobilien als Experten am besten unterstützen.

Wichtig ist auch die Schärfung des Berufsbildes. Ewiges Thema ist natürlich der Ruf der Branche. Vielleicht fünf Prozent aller, die sich in diesem Gewerbe tummeln - und oft selbst nicht einmal Makler sind - sind dafür verantwortlich, dass 90 Prozent der Bevölkerung glaubt, dass alle schwarze Schafe sind. Es wird in diesem Zusammenhang nicht möglich sein, einen streichelweichen Kurs zu fahren und zu sagen, „die schwarzen Schafe greifen wir jetzt nicht hart an“.

Wir müssen uns auch Gedanken über die bestehende interne Organisation des Fachverbandes machen. Die organisatorische Situation ist für mich eine, die man sich für den eigenen Betrieb auf Dauer nicht wünschen würde. Wir haben schon begonnen, dieses Thema möglichst schnell einer Lösung zuzuführen; ich erwarte sie noch in den ersten Juniwochen. Kurz gesagt: Wir arbeiten an der Stärkung der eigenen Leistungsfähigkeit des Verbandes. Ich brauche zu allererst einmal eine Organisationseinheit, die eingespielt und fachlich firm ist und in der sich jeder auf den anderen verlassen kann. Aus meiner Sicht ist der Fachverband nicht die zehnte Fachgruppe. Der Fachverband hat seine ureigenen Aufgaben und hat für die neun Fachgruppen der Bundesländer da zu sein. Er ist eine Anlaufstelle und Drehscheibe für Wissensvermittlung.Er hat den Fachgruppen Hilfestellung zu geben. Er hat die Branche bundesweit zu vertreten.

Ist auch eine Redimensionierung des Budgets ein Thema? Oder kann man finanziell aus dem Vollen schöpfen?

Um Dinge umsetzen zu können, braucht man ein gesundes Budget. Ziel muss sein, dass der Fachverband nicht nur über ausreichende Mittel verfügt, sondern dass diese auch relativ schnell für zielführende Aktionen eingesetzt werden können. Ich bin dagegen, für Projekte einfach Geld auszugeben in der Hoffnung, dass diese in Zukunft vielleicht aufgehen. Das bin ich in meinem Geschäft nicht so gewohnt und das wird es auch im Fachverband nicht geben. Wir sind gezwungen, auch viel Detailwissen zuzukaufen; wir müssen die Themen professionell aufarbeiten und noch professioneller überarbeiten lassen. Das alles kostet natürlich Geld. Diesen Polster müssen wir uns schaffen.

Unser Berufsstand muss auch weiter akademisiert werden. Da ist im letzten Jahrzehnt ja wirklich unglaublich viel weitergegangen. Wenn beispielsweise der Fachverband vor mehr als zehn Jahren nicht eine Ausfallshaftung übernommen hätte, gäbe es den Lehrstuhl Immobilienwirtschaft an der FH Wien vermutlich nicht.

Sie gelten als teamfähig?

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Ich bin jemand, der sehr gerne im Team arbeitet. Jeder Mensch hat eigene Talente, die ich gerne für unsere gemeinsame Arbeit nutzen möchte. Ich meine, dass gerade bei so komplexen Dingen wie beim Programm der nächsten fünf Jahre alle Mitglieder des Fachverbandsausschusses mitdenken und mitreden sollen. Es soll ein Programm herauskommen, das von allen mitgetragen ist. Diesen Führungsstil setze ich auch in Niederösterreich um, wo ich seit 13 Jahren Fachgruppenobmann sein darf.

Ich habe dort keinen einzigen Beschluss gefasst, der nicht einstimmig war. Es ist mir einfach wichtig, dass man den Dialog solange pflegt, bis man gemeinsam sagt: „O.k. - das ist jetzt der richtige Weg zum Ziel“.

Für Sie hat Konsens Priorität?

Ja, das kann man uneingeschränkt so sagen.

Was passiert nun in Niederösterreich, werden Sie Fachgruppenobmann in NÖ bleiben?

Ich glaube, hier eine gewisse Unvereinbarkeit feststellen zu können. Es könnte Themen geben, bei denen Niederösterreich andere Intentionen oder Vorstellungen hat als die übrigen Bundesländer.

Mein langjähriger Weggefährte und bisheriger Stellvertreter in Niederösterreich – Johannes Wild, ein Kollege aus dem Waldviertel – hat sich bereit erklärt, in NÖ die Obmannschaft zu übernehmen. Dafür bin ich meinem Freund Johannes sehr dankbar und weiß diese Aufgabe bei ihm in den besten Händen.

Sie haben vorher gesagt, dass Sie bereits bei den Kammerwahlen 2005 und 2010 gebeten wurden zu kandidieren. 2015 haben Sie sich eine Woche vor der Wahl entschlossen anzutreten. Was ist 2015 anders als 2010 bzw. 2005?

2005 und 2010 waren meine beiden Kinder, Theresa und Maximilian, noch in der Schule bzw. knapp vor der Matura. Auch im Hinblick auf mein eigenes Unternehmen habe ich es mir nicht zugetraut, die Funktion im Fachverband in der Qualität zu erfüllen, die ich mir selbst auferlege. Mittlerweile studieren meine Kinder in Wien, meine Mitarbeiter in der Kanzlei sind in ihrer Leistungsbereitschaft und in ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, einzigartig. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ich gehe solche Aufgaben ja nicht deshalb an, weil ich blauäugig bin. Ich weiß, was da auf mich zukommt. Ich habe es ja auch als Stellvertreter im Fachverband die letzten fünf Jahre gewissermaßen hautnah erlebt. Ich gehe ernsthaft an die Aufgabe heran und will für unseren Berufsstand etwas erreichen und bewegen.

Das heißt aber: Diese Funktion hat Sie auch vor fünf oder zehn Jahren schon gereizt? Natürlich. Es muss einen „reizen“. Wenn es einen nicht reizt, dann ist man an der falschen Stelle. Man kann nicht sagen: „Das reizt mich zwar nicht - aber jetzt mache ich es halt“. Das wäre der falsche Zugang. Es muss der Reiz da sein, zusätzlich eine Vision, aber auch viel Respekt. Es ist ja nicht so, dass ich derzeit unter mangelnder Beschäftigung leiden würde.

Man hört, Sie haben Ihre Kandidatur von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht … und die waren?

Ich habe angeboten, ich übernehme die Funktion unter der Voraussetzung, dass wir teamorientiert arbeiten, dass wir einen Vorstand haben – den Fachverbandsobmann mit seinen beiden Stellvertretern – in dem alle drei Berufsgruppen vertreten sind.

Genauso wichtig – auch das habe ich ganz deutlich gesagt – ist, dass das gemeinsam mit Thomas Malloth in der letzten Periode entwickelte Instrument des so genannten erweiterten Vorstandes beibehalten wird, in dem nicht nur der Obmann und seine beiden Stellvertreter vertreten sind, sondern auch die Berufsgruppensprecher.

"Wir Immobilientreuhänder müssen genau hinschauen, damit wir nicht in ein Eck gestellt werden, in das wir nicht hingehören."

Wir haben in unserem Kreis viele kluge Leute, das ist evident. Kollegen, die in ihrer Berufsgruppe viel Erfahrung und Wissen haben. Wenn es uns gelingt, dieses Wissen und diese Erfahrung weiter zu bündeln und diese als eine geschlossene Einheit zu formen, dann ist es das, was ich mir unter einer gelungenen Fachverbandsarbeit vorstelle. Eine Arbeit, die bestmöglich die Interessen aller vertritt.

Im Sinne der Kontinuität war es mir also wichtig, dass die Berufsgruppenvertreter dieselben wie in der vergangenen Periode sind.

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In der Aussendung der Wirtschaftskammer ist von „einstimmig“ die Rede. Das kann nur bedeuten, dass es nur einen Wahlvorschlag und damit keine Kampfabstimmung gab?

Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen keine internen Details über die Wahl darlegen kann. Das eine aber kann ich bestätigen: Es gab nur einen Wahlvorschlag und es gab natürlich keine Kampfabstimmung. Für mich war klar, dass ich in keine Abstimmung gehen möchte, bei der nur einer gewinnen kann. Auch wenn versucht wurde, das in der Öffentlichkeit anders darzustellen. Sie sprechen hier die Wortmeldung von „FPÖ pro Mittelstand“ Präsident Reinhard Pisec an, der meint, Thomas Malloth sei von seinen eigenen Leuten politisch „gekillt“ worden. Ich weiß nicht, welche Intention Bundesrat Pisec hatte, so etwas zu lancieren. Ich weiß auch nicht, woher er seine angeblichen Informationen hat. Ich gehe einmal davon aus, dass das eine gezielte, politisch motivierte Störaktion sein hätte sollen.

Welche Rolle wird Ihr Vorgänger Thomas Malloth in der Kammer nun spielen? Er ist und bleibt zu meiner Freude Mitglied des Fachverbandsausschusses. Seine Erfahrung ist für uns alle unbestreitbar positiv und seine konstruktive Einbringung ist für alle Beteiligten etwas Wünschenswertes. Ich durfte Thomas Malloth ja auch bitten, die wohnrechtlichen Verhandlungen weiterzuführen; dies mit Zustimmung des gesamten Ausschusses.

Das heißt konkret, er bleibt in einzelne Aufgaben involviert?

Nicht nur in einzelne Aufgaben. Wie gesagt: „Nutzen wir unsere Talente“. Thomas hat viele davon.

Wo drückt aktuell der Schuh? Welche Themen sind Ihnen wichtig?

Wohn- und Steuerrecht sind, wie gesagt, nur zwei Gebiete, die uns Treuhänder unmittelbar oder mittelbar betreffen. Beispielsweise Diskussionen über Mietzinshöhen, Befristungen, steuerrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit Immobilien usw. Wir sind Immobilientreuhänder, wir sind Makler, wir sind Verwalter, wir sind Bauträger. Wir sind gefordert und auch bereit, in solche rechtlichen und wirtschaftlichen Diskussionen Expertenwissen und Erfahrung einzubringen. Wir sind diejenigen, die alle Facetten der Immobilienwirtschaft kennen und auch Auswirkungen von angedachten Änderungen aus immobilienwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht beurteilen können.

Also der Politik Fakten liefern, damit sie entscheiden kann?

Ja. Dafür müssen wir aber gefragt, gehört und als integre, lautere Ansprechpartner und Berater wahrgenommen werden.

Das ist derzeit nicht der Fall?

Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Eines aber steht fest: wir stehen zu unserem Angebot und sind bereit.

Sehen Sie in diesem Zusammenhang schlimme Entwicklungen auf uns zu­kommen?

Wieder nur ein Beispiel: Auf der einen Seite diskutieren wir über Mietzinsobergrenzen. Auf der anderen Seite über die Verschärfung der Erhaltungspflichten des Vermieters und darüber, die steuerliche Abschreibungsdauer zu verlängern – sogar für vergangene Investitionen. Wir schaffen damit mit Sicherheit keine Investitionsanreize. Das heißt aber in Folge: Der Instandhaltungszustand der Häuser wird zurückgehen, genauso der Ausstattungszustand der Wohnungen. Das Ablösewesen, das wir seit Anfang der 1980er Jahre nicht mehr kennen, wird im schlimmsten Fall wieder aufleben.

"Den Dialog suchen und führen, den anderen ernst nehmen und zuhören. Dann aber auch entscheiden."

Die Bauwirtschaft und die Baunebengewerbe werden das schmerzlich spüren. Das wiederum wirkt sich erheblich auf die Arbeitsplatzsituation in den betroffenen Branchen aus. Wir müssen schön langsam wirklich aufpassen – ich kann es nur aus meinen europäischen Kontakten berichten – dass wir bald nicht mehr ernstgenommen werden, was den Wohnimmobilienmarkt in Österreich betrifft.

Ist Österreich als Wohnungsmarkt jemals wahr- und ernstgenommen worden?

Das meine ich schon. Dass wir in einem europäischen Umfeld, in dem selbst die ehemaligen Ostblockstaaten bewiesen haben, dass der Markt für einen ausgewogenen Wohnungsmarkt das bessere Regulativ ist, krampfhaft versuchen, eine im Kern fast 100 Jahre alte Notverordnung (Friedenskronenzins, Anm. der Redaktion) am Leben zu erhalten, finde ich aber wenig zeitgemäß.

Ich bin jetzt nicht jemand, der die freie Marktwirtschaft forciert – ich stehe uneingeschränkt zur sozialen Marktwirtschaft, gerade auch bei so sensiblen Bereichen wie Wohnen. Die Frage ist nur: ist das leistbare Wohnen für sozial Schwächere nicht eine Aufgabe der öffentlichen Hand bzw. von diesen nahestehenden gemeinnützigen Bauvereinigungen unter Einsatz von öffentlichen Förderungsmitteln? Dem privaten Investor kommt die Aufgabe zu, marktgerechte Wohnungen zu marktgerechten Preisen zu schaffen und anzubieten.

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat vor ein paar Wochen bei der Klubklausur in Rust von einem neuen Modell des geförderten Wohnbaus bei Neubauten berichtet, bei dem der Mieter keine Eigenleistung – also keine Eigenmittel – einbringen muss. Der Gesamtmietzins liege bei 7,50 Euro pro Quadratmeter pro Monat. Das finde ich bemerkenswert: Rechne ich die Umsatzsteuer und die Betriebskosten heraus, komme ich auf einen Nettomietzins von knapp 5 Euro pro Quadratmeter. Das heißt also für mich – nachdem die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ja kostendeckend zu wirtschaften hat – dass man fast 5 Euro veranschlagen muss, um einen geförderten Neubau im gesamten Gebäudelebenszyklus erhalten zu können. Und wieviel kostet dann ein nicht geförderter Neubau oder ein nicht gefördertes Zinshaus aus der Jahrhundertwende in der Erhaltung? Das kann ja wohl nicht billiger sein. Wir schauen ja immer gerne nach Deutschland – dort gibt es im Wesentlichen die Marktmiete, auch wenn einige in Österreich das Modell der „Mietpreisbremse“ gerne anders interpretieren würden. Eine große Zahl der österreichischen – auch institutionellen - Investoren schaut nicht nur nach Deutschland, sondern kauft dort auch Wohnimmobilien und zwar wesentlich mehr als sie das in Österreich tun. Diesen Investoren fehlt scheinbar das Vertrauen in den österreichischen Markt oder vielmehr in das normative Umfeld.

Ich versuche, Situationen auch im Hinblick auf volkswirtschaftliche Auswirkungen und Nachhaltigkeit zu beurteilen. Natürlich kann man entscheiden, einen Dachbodenausbau nur auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes abschreiben zu können. Derzeit ist das so - außer der Ausbau wird von der öffentlichen Hand gefördert, dann darf auf die Laufzeit der Förderung abgeschrieben werden. Ist das sinnvoll? Ist es nicht besser, gerade den Dachbodenausbau zumindest steuerlich zu fördern? Man würde damit Wohnraum in Gebieten schaffen, in denen man fast keine zusätzliche Infrastruktur herstellen muss. Warum denken wir nicht umgekehrt? Ich schaffe Investitionsanreize, indem ich sage: „Du kannst den Dachbodenausbau auf zehn Jahre abschreiben und schaffst damit den Wohnraum, den wir in Ballungszentren dringend benötigen.“ Allein in Wien wissen wir, dass bei der Neubauleistung mindestens 4000 Wohnungen pro Jahr fehlen. Wie schaffe ich Wohnbau? Entweder ich investiere als öffentliche Hand selbst oder ich schaffe Anreize, dass andere – Private – investieren.

Die Familie war happy oder befindet sich noch im Findungsprozess?

Für meine Kindern wird sich nicht großartig viel ändern. Wie gesagt, die beiden leben während der Woche in Wien. Vielleicht unternehmen wir an dem einen oder anderen Wochenende einmal weniger gemeinsam. Meine Frau Andrea, mit der ich bald silberne Hochzeit feiern darf, ist da sehr viel stärker betroffen. Aber sie steht in ihrer toleranten und weitsichtigen Art zu unserer gemeinsamen Entscheidung und sie steht voll hinter mir. Ihr abschließender Kommentar war „Wenn du etwas wichtig findest und auch möchtest, dann tue es bestmöglich“.

Mein Motto ist privat wie beruflich: den wertschätzenden Dialog suchen und führen, andere Meinungen ernst nehmen und zuhören. Ich schlage prinzipiell niemandem die Türe vor der Nase zu.

Mussten Sie schon welche zuschlagen?

Gott sei Dank noch nicht viele. Aber ein paar waren es in meinem Leben schon. Ich bin im Sternzeichen Stier. Mir ist ein Umfeld, in dem es allen gut geht, lieber als eines, das von Streit geprägt ist.

Quelle: cityfoto
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