Positionen & Meinungen Unternehmen werden sich stark mit ESG-Themen auseinandersetzen müssen

ESG als Chance nutzen: Stefan Merl, Manager bei Deloitte Österreich über die Vorteile einer guten ESG-Performance.

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Unternehmen werden sich stark mit ESG-Themen auseinandersetzen müssen

Welche Fragen müssen sich Unternehmen in Bezug auf ESG stellen? / Welche Tipps zur Formulierung von ESG-Zielen geben Sie? 

Beinahe jedes Unternehmen wird sich in Zukunft mehr oder weniger stark mit ESG-Themen auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang sollten sich Unternehmen zu Beginn drei Fragen stellen: Was bedeutet ESG für mein Unternehmen? Wer sind meine relevanten Stakeholder und was benötigen sie für Informationen? Und welchen Beitrag kann ich leisten, um meine Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern? 

Die letzte Frage führt bereits zur Formulierung von Zielen. Um sich jedoch sinnvolle Ziele zu stecken, ist es notwendig zu wissen, wo man sich befindet. Idealerweise sind dazu aktuelle Daten, aber auch Daten aus den vergangenen Jahren vorhanden, um daraus eine Entwicklung der eigenen ESG-Performance ableiten zu können. Auf Basis dieser Informationen lassen sich dann wesentliche Handlungsfelder identifizieren, für die konkrete Ziele und entsprechende Maßnahmen bestimmt werden. Diese sollten klar verständlich und realistisch formuliert sein. 

Zudem sollten sie laufend überwacht werden, um die Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls gegenzusteuern oder die Zielsetzung auch adaptieren zu können. Bei Nicht-Erreichen der Ziele sollte auch das offengelegt werden – inklusive der Gründe, weshalb diese nicht erreicht werden konnten. Um grobe Fehler zur vermeiden ist es gerade zu Beginn sinnvoll, externe Experten heranzuziehen, die diesen richtungsweisenden Prozess beim Projektstart begleiten.

Wie sollen Unternehmen das Thema am besten angehen? 

Unternehmen sollten sich so schnell wie möglich mit dem Thema auseinandersetzen. Denn vom Projektstart bis hin zur Präsentation einer soliden Datenbasis für Stakeholder wie etwa Investoren oder Banken ist es je nach Unternehmensgröße oftmals ein weiter Weg. Auch Unternehmen, die bereits seit mehreren Jahren ein ESG-Datenmanagement betreiben, haben teilweise noch Probleme mit der Datenqualität, die sie von ihren einzelnen Standorten geliefert bekommen. Der Aufwand für ein gut funktionierendes und qualitativ hochwertiges Datenmanagement wird häufig unterschätzt –  vor allem hinsichtlich der Komplexität und Vielfältigkeit der Daten. Ohne ausreichende und qualifizierte Ressourcen sind die Daten selten belastbar. 

Zu Beginn ist immer eine Erhebung des Status quo notwendig: Welche Daten wurden bereits gesammelt und sind ohnehin schon vorhanden? Die Erfahrung zeigt, dass sich in vielen Fällen bereits verschiedene Personen in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens bis zu einem gewissen Ausmaß mit ESG-Daten beschäftigen. Oftmals fehlt nur die koordinierende Stelle, die diese Personen und Daten zusammenbringt.

Wie alle Unternehmen können auch Immobilienunternehmen das Thema als Chance nutzen. Die Vorteile einer guten ESG-Performance reichen von gesenkten Kosten im Energiebereich über bessere Konditionen bei Finanzierungen bis hin zu einer besseren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. 

Rund 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs entfallen auf den Gebäudesektor, kommen die ESG-Richtlinien zu spät? 

Die Frage ist weniger, ob die EU-Vorgaben zu spät kommen, sondern vielmehr ob sie genügen, um die gesteckten Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Gebäude sind dafür ein wesentlicher Baustein und daher auch beim Green Deal ein wesentlicher Teil. Förderungen zur Verbesserung der Performance des Gebäudesektors sind vorhanden und werden auch verwendet. Letztlich stellt sich aber auch die Frage, ob die Taxonomie-VO ausreichend ist oder ob hier strengere Maßnahmen mit konkreten Grenzwerten notwendig wären.  

Welche kurzfristigen/langfristigen Veränderungen wird ESG in der Immobilienwirtschaft mit sich bringen? 

Auf dem Markt werden langfristig nur jene Unternehmen erfolgreich sein, die eine sinnvolle ESG-Strategie verfolgen und diese als immanenten Part ihres Unternehmens verstehen. Bereits jetzt werden vielfach neue Immobilien mit einem nachhaltigen Anspruch errichtet und auch bei Sanierungen werden nachhaltige Lösungen bevorzugt. Die Verantwortlichkeiten enden dabei nicht beim eigenen Unternehmen, sondern werden mittlerweile in der gesamten Wertschöpfungskette wahrgenommen. Im Grunde befindet sich die Branche wie die gesamte europäische Wirtschaft aktuell in einer Übergangsphase, an deren Ende jene Unternehmen mit einer hohen Resilienz gegenüber ESG-Risiken als Gewinner hervorgehen werden.

Die EU-Taxonomie ist der bedeutende Schritt für die Schaffung eines EU-weiten Instruments, das allen Mitgliedsstaaten einen Maßstab für Nachhaltigkeitsklassifizierungen bietet.

Sind Immobilien sind nur mit ESG zukunftssicher? 

Immobiliengesellschaften, die sich nicht mit ihrer ESG-Performance auseinandersetzen, werden künftig bei der Umsetzung ihres Geschäftsmodells auf gravierende Probleme stoßen. Denn einerseits ist die Verbesserung der ESG-Performance stark von Investoren getrieben, die immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen und in Unternehmen investieren, die langfristig zukunftssicher sind und auch ESG-Risiken in ihrer Strategie adressieren. Andererseits wird dies auch stark von der Finanzseite getrieben werden – etwa, wenn Banken bei Finanzierung, Krediten oder Investitionen die ESG-Performance in ihre Rechenmodelle einpreisen und so die Finanzierungskosten je nach Nachhaltigkeitsleistung variieren. Die Folge daraus ist, dass Gebäude energieeffizienter und ökologischer gebaut oder saniert werden, um sich Finanzierungsvorteile zu verschaffen oder Zugang zu Förderungen im Rahmen des Green Deals zu erhalten.

Wird es zu einer umfassenden Neubewertung von Immobilien am europäischen Markt kommen? Was sind die Auswirkungen? 

Die Neubewertung wird schon allein aufgrund der Taxonomie-VO durchgeführt werden müssen. Denn Unternehmen, die unter die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung fallen, müssen den Anteil jener Umsätze, Betriebs- und Investitionskosten, die gemäß Taxonomie-VO nachhaltig sind, offenlegen. Das betrifft die Immobilienwirtschaft sowohl direkt als auch indirekt – etwa über die finanzierenden Banken, die diese Informationen von den Immobiliengesellschaften benötigen, um ihre Anforderungen aus der Taxonomie erfüllen zu können.

Werden sich die Kosten/Investitionen lohnen? 

Unternehmen, die an ihrer ESG-Performance arbeiten, weisen bereits jetzt auch eine langfristig stabilere Finanzperformance auf. Durch das steigende Interesse der Investoren, die regulatorischen Anforderungen und den gesellschaftlichen Druck werden in Zukunft nur jene Unternehmen am Markt erfolgreich sein, die nachhaltig agieren. Und letztlich sind effizientere Gebäude im Betrieb kostengünstiger.

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