Vor der Kaserne, vor dem großen Tor...

Nachnutzung. Seit 2006 verkauft die SIVBEG (Strategische Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und EntwicklungsgesmbH) nicht mehr benötigte militärische Liegenschaften. „Viele Kasernen haben einen ganz besonderen Charme“, meint SIVBEG-Geschäftsführer Stephan Weninger.

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Nachnutzung. Seit 2006 verkauft die SIVBEG (Strategische Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und EntwicklungsgesmbH) nicht mehr benötigte militärische Liegenschaften. „Viele Kasernen haben einen ganz besonderen Charme“, meint SIVBEG-Geschäftsführer Stephan Weninger.

Wie viele Kasernen wurden bisher über die SIVBEG verkauft?

Wir verwerten nicht nur Kasernen sondern auch andere Liegenschaften wie beispielsweise Truppenübungsplätze, Schießplätze bis hin zu ganz speziellen Liegenschaften wie Bahngleise, Seilbahnen, Tunnels. Einfach alles, was aus dem Heeresbestand kommt. In Summe haben wir insgesamt 171 Verkaufsaufträge erhalten und davon bis dato 84 Prozent abgewickelt. In Zahlen sind das 143 Liegenschaften, die wir bereits verkauft haben und aus diesen Verkäufen haben wir einen Erlös von 264 Millionen Euro erzielt. Die teuerste Kaserne bzw. jene, bei der wir den höchsten Erlös erzielt haben, war die Rainerkaserne in Elsbethen, südlich von Salzburg. Das rund 18 Hektar große Areal wurde um 23,5 Millionen Euro von Red Bull erworben.

Wer schlägt bei den Verkäufen zu? Private, Bauträger, Gemeinden?

Die größte Gruppe stellen Projektentwickler und Bauträger. Auf deren Konto gehen auch rund 50 Prozent der Erlöse, die wir erzielen. Ein gutes Drittel der Käufer investiert zu Anlagezwecken. Der Rest teilt sich zu gleichen Teilen auf Gemeinden oder Private auf.

Gibt es unter den Developern bereits richtige „Kasernen-Spezialisten“?

Ja, durchaus. Einige Developer haben schon öfter bei uns gekauft. Einer davon zum Beispiel ist die Kohlbacher GmbH, ein auf Wohnimmobilien spezialisierter Bauträger, der zumeist Einfamilienhäuser errichtet, die er auch selbst produziert und verwertet.

Was macht denn aus Ihrer Sicht den Charme einer Kaserne aus?

Liegenschaften mit Kasernen haben unheimlich viel Potenzial. Sie bieten verschiedenste Möglichkeiten. Auch oder gerade wegen des Denkmalschutzes. Hier kann man sehr viele verschiedene Verwertungsvarianten andenken: Sei es in Richtung Gewerbe oder Wohnen. Die Kasernen liegen in der Regel in Top-Lagen. Da steckt viel Phantasie drinnen. Die meisten Kasernen verfügen über große Grünflächen.

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Wie sieht es mit Umwidmungen aus? Wird vor dem Verkauf umgewidmet oder muss sich der Käufer darum kümmern?

Das Thema Widmung bzw. Umwidmung ist natürlich eine sehr große Herausforderung. Die meisten Kasernen haben die Sonderwidmung „Bauland-Kaserne“. Wir selbst beantragen in den meisten Fällen keine Umwidmungen. Wir loten jedoch im Vorfeld die Möglichkeiten aus und sprechen mit den zuständigen Gemeinden, erstellen Entwicklungsszenarien, Masterpläne und klären diese auch weitgehend mit den Gemeinden ab. Diese Gespräche sind auch notwendig, um eine Basis für eine Wertermittlung zu haben.

Gibt es irgendeine Kaserne, die Sie sich selbst gerne gekauft hätten? Gibt es ein spezielles Lieblingsobjekt?

Also prinzipiell gibt es einige Kasernen, die sehr interessant wären. Ja, wenn ich Investor wäre, dann hätte ich mir wahrscheinlich auch die eine oder andere Kaserne gekauft. Vom Potenzial her sind die Liegenschaften in Wien sehr interessant, wie zum Beispiel die Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne in Breitensee, bei der wir 2013 eine Teilfläche verkauft haben. Oder die Riedenburgkaserne in Salzburg, die hätte mir auch von der Lage sehr gut gefallen. Besonders spannend finde ich die Martinek-Kaserne in Baden, die wir gerade anbieten.

Wie lange dauert der Verkauf im Schnitt? Gibt es regionale Unterschiede?

In den Landeshauptstädten und in der Bundeshauptstadt ist die Nachfrage am größten. Das war beim Verkauf der Riedenburgkaserne, der Erzherzog-Rainer-Kaserne und der Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne deutlich zu spüren. Da haben wir viele Kaufanbote gehabt. Eine größere Herausforderung war zum Beispiel der Verkauf der Kremstal-Kaserne in Kirchdorf. Kasernen, die abseits der Großstädte liegen, sind natürlich schwieriger zu verwerten. Truppenübungsplätze, Garnisonsübungsplätze, Schießplätze und Munitionslager, die in den land- und forstwirtschaftlichen Bereich fallen, sind vor allem bei privaten Investoren sehr beliebt. Der Verkauf jeder Sonderliegenschaft ist etwas Besonderes. Dass man den Verkauf einer Kaserne nicht so schnell abwickelt, wie den einer Wohnung, liegt in der Natur der Sache. Man kann keine Liegenschaft mit der anderen vergleichen. Jede hat spezielle Voraussetzungen, beispielsweise Denkmalschutz oder Widmungen, die es zu beachten gilt. Manchmal ist auch die Frage der vermuteten Kontaminationen zu klären.

… sind Kontaminationen ein Problem? Wie wird das vertraglich geklärt? Oder sind Kontaminationen das Risiko des Käufers?

Eines gleich vorweg. In den meisten Fällen stellt sich heraus, dass keine vorhanden sind. Dort, wo Verdacht besteht und wir Informationen bekommen, dass Kontaminationen vorhanden sein könnten, werden Bodengutachten erstellt. Diese dürfen die Käufer natürlich auch verwenden und einsehen. In den Kaufverträgen selbst wird vertraglich vereinbart, dass für Kontaminationen keine Haftungen übernommen werden.

Sind schon einmal Kontaminationen aufgetreten?

Nein, bis jetzt bei bereits verkaufen Liegenschaften noch nicht.

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Wie läuft ein Verkaufsprozess ab?

Es ist so, dass wir den Verwertungsauftrag vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport bekommen, in diesem steht dann auch, wie lange die Kaserne noch genutzt wird. Das kann sich über mehrere Jahre hinwegziehen. Sobald wir den Auftrag haben, machen wir die übliche Due Diligence, technische und wirtschaftliche Untersuchung, gehen zu den Gemeinden, machen Masterpläne, Nutzungsstudien etc. und versuchen sie weitestgehend mit den Gemeinden abzustimmen. Die endgültige Widmung soll jedoch der Käufer gemeinsam mit der Gemeinde definieren, da er ja letztendlich andere Vorstellungen haben kann als wir.

In manchen Fällen gibt es bereits eine „zivile“ Widmung. In einem nächsten Schritt werden Fragen des Denkmalschutzes und möglicher Kontaminationen abgeklärt. Sobald uns alle diese Informationen vorliegen, beauftragen wir einen externen Sachverständigen, der den Verkehrswert ermittelt. Mit diesen Gutachten gehen wir in eine interne Kommission, die den Mindestverkaufspreis festlegt. Dieser kann natürlich vom Gutachten abweichen. Mit dem Mindestverkaufspreis gehen wir auf den öffentlichen Markt, bieten die Liegenschaft mindestens zwei Monate an und sammeln in der Zeit Angebote. Gibt es mehrere Angebote zum Mindestverkaufspreis, gibt es eine zweite Runde. Eine Verkaufsverhandlung, die ähnlich wie eine Versteigerung abläuft. Den Zuschlag erhält der Meistbietende.

Die Gemeinden haben aber kein Vorkaufsrecht?

Nein. Wenn eine Gemeinde öffentliches Interesse anmeldet, das ist im engeren Sinne zu verstehen. Öffentliches Interesse heißt nicht: Billig einkaufen und teuer weiterverkaufen. Öffentliches Interesse besteht, wenn auf der Liegenschaft ein Spital oder eine Schule oder sonstige öffentliche Einrichtungen errichtet werden soll. In diesen Fällen können wir auf Basis eines Gutachtens direkt an die Gemeinde verkaufen.

Ansonsten spielt das auf der Liegenschaft geplante Projekt keine Rolle?

Nein. Wir handeln mit Immobilien der Republik Österreich und müssen daher an den Meistbietenden verkaufen. Wir dürfen uns nicht das schönste Projekt oder die beste Idee aussuchen. Bei uns gilt rein das Meistbieter-Prinzip. Wir müssen den „höchstmöglichen“ Erlös erzielen. Bei uns gilt: Transparenz, Gleichbehandlung und Meistbieterprinzip.

Was wurde denn alles aus den bisher verkauften Kasernen? Haben Sie ein Lieblingsprojekt?

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Was letztlich umgesetzt wird, hängt von der jeweiligen Lage der Liegenschaft ab. Aus einigen Kasernen wurden attraktive Wohnbauprojekte – zum Beispiel in Stockerau oder in Klagenfurt –, andere wieder wurden einer gewerblichen Nutzung zugeführt. So sind zum Beispiel auf der Liegenschaft der Smola-Kaserne in Groß-Enzersdorf ein Fachmarktzentrum sowie ein Blaulichtzentrum entstanden. Im denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Kaserne ist heute eine Schule untergebracht.

Wie geht man damit um, wenn Sonderbauten auf Grundstücken stehen und sich das als Verkaufshindernis erweist?

Nun, bei uns gibt es auf jeder Liegenschaft Sonderbauten und die waren bisher kein Verkaufshindernis. Für Wirtschaftsbetriebe mit speziellem Bedarf kann vielleicht sogar ein Erdbunker interessant sein. Wir haben schon mehrere ehemalige Munitionslager in verschiedenen Bundesländern verkauft. Da sind große Liegenschaften damit verknüpft, die auch meist bewaldet sind und da befinden sich auch mehrere Bunker. Diese Liegenschaften haben viele Interessenten angesprochen und waren bisher immer ein Renner.

Wie viele und an welchen Orten haben Sie derzeit Liegenschaften zum Verkauf?

Aktuell bieten wir die Martinek-Kaserne in Baden an. Das Areal hat 400.000 m2 Grundstücksfläche und kostet 33,1 Mio. Nächstes Jahr kommen neue, sehr interessante Kasernen dazu, z.B. in Wien, Linz, Salzburg und Klosterneuburg.

Quelle: cityfoto
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