Wasser, Luft, Licht, Sonne

Heilende Architektur. Healing Environment untersucht den Einfluss, welchen Temperatur, Farben, Licht oder Materialien auf die Genesung von Menschen haben. Aus gutem Grund sollte Healing Environment nicht nur bei Gesundheitsbauten Berücksichtigung finden, meinen Bente Knoll und Katharina Pink.

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Heilende Architektur. Healing Environment untersucht den Einfluss, welchen Temperatur, Farben, Licht oder Materialien auf die Genesung von Menschen haben. Aus gutem Grund sollte Healing Environment nicht nur bei Gesundheitsbauten Berücksichtigung finden, meinen Bente Knoll und Katharina Pink.

Healing Environment. Eine junge Disziplin. Was darf man sich darunter vorstellen?

Katharina Pink. Healing Environment untersucht, welchen Einfluss Temperatur, Farben, Licht oder verwendete Materialien auf kranke Menschen haben. Der amerikanische Architekturprofessor Roger Ullrich war in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts einer der ersten Wissenschaftler, der sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt hat. Dieser Forschungsbereich hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.

Zahlreiche Studien bestätigen mittlerweile, dass die Rahmenbedingungen in Krankenhäusern nicht gleichgültig sind. Vor allem Faktoren wie menschliche Zuwendung, einfühlsame Kommunikation und Qualitätszeit für Arzt-Patienten-Gespräche während des stationären Aufenthalts haben einen entscheidenden positiven Einfluss auf den Genesungsprozess. Roger Ullrich konnte darüber hinaus auch in einer Studie nachweisen, dass ein Patient, der nicht nur gegen die Hauswand schaute, sondern Natur in seinem Blickfeld hatte, eine deutlich kürzere Verweildauer und eine bessere Genesung aufwies und zudem weniger Schmerzmittel benötigte. Healing Environment sollte aber nicht nur bei Krankenhausbauten Berücksichtigung finden.

Das Thema ist also nicht allein auf den Krankenhausbau fokussiert?

Pink. Nein. Auf keinen Fall. Auch der Gesunde fühlt sich in einer Umgebung mit viel Grün oder Wasser einfach deutlich wohler. Es gibt Studien, die belegen, dass sich die Verweildauer bei Wohnbauten mit Teichanlagen um 20 bis 25 Prozent erhöht. Am Wasser, da fühlt man sich einfach wohl. Wasser bedeutet Leben.

… und wie reagiert die Architektur darauf?

Bente Knoll. Unsere Städte sind von einem sehr hohen Versiegelungsgrad und einer dichten Bebauung geprägt. Das hat natürlich negative Auswirkungen. Wir müssen wieder mehr Natur in die Stadt bringen. Das hätte einen positiven Effekt auf das Mikroklima. Die Temperaturen würden sinken, die städtische Hitze würde sich reduzieren und die Luftfeuchtigkeit steigen. Das heißt: Eine begrünte Dachterrasse, ein begrünter Dachgarten, eine entsiegelte Fläche bringen Lebensqualität, bessere Luftqualität, weniger Feinstaub. Das bewirkt ganz einfach, dass sich die Menschen wohler fühlen.

Eine klare Aussage gegen Verdichten?

Knoll. Ich bin ganz klar für städtische Strukturen und Verdichten. Verdichten ist speziell ein Wiener Thema. Verdichten und Verdichten sind aber zwei paar Schuhe. Es gibt auch qualitätsvolles Verdichten. Man muss nur die Pflanze als Baustoff sehen. Jeder Baukörper hat ein vielfältiges Grünraumpotenzial. Es gibt Dachgärten, Fassadenbegrünung, Dachterrassen, Balkongestaltung.

Ein großes Handlungsfeld gäbe es auch in der Veränderung der Bauordnungen. Heute ist vieles aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht möglich. Aber auch auf Seiten der Auftraggeber und Bauherren ist ein Bewusstseins- und Imagewandel notwendig. Es ist bei weitem nicht ausreichend, einfach Grünflächen einzuplanen. Pflanzen sind lebendige Baustoffe, sie brauchen Pflege. Im Bereich eines Krankenhauses besteht die große Herausforderung darin, ein adäquates Grünraumkonzept zu entwickeln, das auch ein Grünraumpflegemanagement umfasst. Derartiges ist bislang in den Planungsvorgaben nirgendwo vorgesehen. Das wäre auch ein gutes Beispiel, wie man Qualität in Planungsprozessen verankern kann. Es gilt nicht nur zu planen, wodie schönen Pflanzen hinkommen. Entscheidend ist der dazugehörige Bewirtschaftungsplan.

[caption id="attachment_810" align="aligncenter" width="300"]Dipl.-Ing. Dr. Bente Knoll (c) ImmoFokus Dipl.-Ing. Dr. Bente Knoll (c) ImmoFokus[/caption]

Was aber ist mit den Kosten? Welcher Betreiber von Krankenanstalten halst sich gerne neue Kosten auf?

Knoll. Auch Beton-, Asphalt- oder Dachflächen müssen gepflegt und instand gehalten werden. Es ist ja nicht so, als ob es diese Kosten nicht gäbe. Die eigentliche Herausforderung liegt im Bestand. Im Bereich der privaten Krankenhäuser geht es in erster Linie um Sanierung und Zubauten und schon auf kleinen Flächen lässt sich Grünraumpotenzial umsetzen, das auch den Wert der Immobilie steigert.

Bei den Dachgärten könnte man auch in Richtung Nutzpflanzen denken, gerade bei gemeinschaftlichen Dachterrassen, Balkonen etc. würde sich das anbieten. Man müsste Angestellte finden, die bereit wären, sich für diese Gärten zu engagieren. Man würde somit zur Qualität des Arbeitsplatzes beisteuern.

Pink. Healing Environment ist ja nicht etwas, das erst seit kurzem umgesetzt wird. Der Mehr-Grün-Aspekt ist ja nur ein Teil. Denken Sie an Lärm. Ein- bis Zweibettzimmer tragen zum Beispiel enorm zur Lärmreduktion bei. Das Stressniveau sinkt und hat damit positiven Einfluss auf den psychischen, und somit auch auf den physischen Genesungsprozess.

Wie kann die Bauweise die Arzt-Patienten-Kommunikation beeinflussen?

Knoll. Es geht ganz einfach darum, ob in einem Raum Kommunikationsmöglichkeiten vorliegen. Ein Tisch mit einem Sessel und das war’s, das ist halt zu wenig. Gerade in einem Spital ist „Wohnzimmer-Atmosphäre“ gefragt. Man braucht „Aufenthaltsnischen“. Ein gutes Beispiel dafür sind Therapiegärten.

Wie kann man in einem Krankenhaus den Geruch anpassen? Wie darf man sich das vorstellen?

Knoll. Ganz einfach: Pflanzen! Es gibt einige, die einen nicht dauernd mit Geruch „belästigen“, sondern erst zum Beispiel beim Zerreiben von Blättern Duftstoffe freisetzen. Ganz wichtig dabei ist, dass alles Hand in Hand geht. Auch das Personal muss da mitspielen.

Pink. Das Interessante ist, das Begrünungspotenzial zu entdecken und zu nutzen – jedoch müssen zu jedem Zeitpunkt die jeweiligen Rahmenbedingungen der Hygienevorschriften eingehalten werden.