Positionen & Meinungen Wollen wir das so?

Ein Kommentar von Michael Pisecky

Österreichs Bevölkerung wächst, in nahezu allen Bundesländern, kaum in den südlichen Bundesländern, seit Jahrzehnten kontinuierlich in den westlichen Bundesländern und seit zwei Jahrzehnten sehr stark in der Region Ost. In den östlichen Bundesländern hat sich das Wachstum auf das nördliche Burgenland, das Umland von Wien und vor allem auf Wien konzentriert.

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Wollen wir das so?

Aber was Wien betrifft, muss man mittlerweile und richtigerweise sagen „hatte“, denn dieses starke Wachstum hat sich ins Umland verschoben.

Das Angebot wird größer

Diesem Trend des Bevölkerungswachstums folgend stieg die Neubauleistung in vielen Regionen und speziell in Wien in den letzten zehn Jahren an. Bestand hier auf Grund des Wachstums sehr rasch ein großer Aufholbedarf, folgten die höheren Fertigstellungszahlen um Jahre später, jedoch nun in einer enormen Anzahl. So wurden 2018 und 2019 jeweils rund 14.000 Einheiten fertig und 2020 stieg diese Zahl, trotz Lockdowns, auf 18.000 und auch für 2021 sind ähnlich viele Fertigstellungen zu erwarten. Das sollte uns doch Anlass zur Freude sein, denn wir können nun durchaus von einem ausreichenden Angebot sprechen. Dazu kommt, dass das Bevölkerungswachstum schon 2019 und erwartungsgemäß auch 2020 in Wien stark zurückgegangen ist. 

Was ist an diesen hohen Fertigstellungszahlen und an der weiter hohen Bautätigkeit auffallend?

Nehmen wir die 18.000 Einheiten, die 2020 übergeben werden: Der wohnbaugeförderte Bereich ist in einer Seitwärtsentwicklung und erreicht rund 6.000 Einheiten pro Jahr. Das heißt, dass die Steigerung nicht unvermutet aus dem gewerblichen Wohnbau kommt, das freut sicher viele, auch mich. Vielleicht bin ich da allein, aber ich würde hoffen, dass dadurch der Eigentumsanteil in Wien steigt. 

Warum? Im Durchschnitt leben in den Bundesländern zwei Drittel der Bevölkerung im Eigentum, in Wien jedoch nur knapp 20 Prozent. Das Eigenheim oder die Eigentumswohnung ist die Basis der persönlichen Vorsorge und Vermögensbildung. Persönlich fände ich es gut, wenn auch in Wien mehr und mehr Menschen persönliches Vermögen aufbauen und damit Unabhängigkeit gewinnen. 

Wenn wir uns jedoch die 12.000 Einheiten, die 2020 aus dem gewerblichen Wohnbau kommen, anschauen, dann sind davon 7.000 freifinanzierte Mietwohnungen und von den verbleibenden 5.000 Eigentumswohnungen – weil Vorsorgewohnungen – kommt nochmals die Hälfte als Mietwohnungen auf den Markt. Das heißt, der Anteil der Wiener, die in Eigentum wohnen, steigt nicht. Immer mehr Projekte wurden und werden von Investoren gekauft. Viele davon kommen aus dem Ausland oder die Investoren kaufen gleich ganze Gesellschaften.

Wollen wir das so?

Eine weitere Folge ist, dass die Bauentwickler und Bauträger, weil sie sehr früh ganze Projekte verkaufen, in Versuchung geraten, noch schneller, noch höher, noch mehr zu bauen. Ein Überangebot kann auch nicht unser Ziel sein, wir sollten dem Bestand im Sinne von Umwelt und Klimaschutz mehr Augenmerk widmen. 

Das wollen wir!

KR Michael Pisecky ist Geschäftsführer der s Real und Obmann der Wiener Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder.

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