Zu neuem Leben erweckt

Das Palais Schwab. Knapp zehn Jahre stand das Palais in der Weihburggasse leer. Nach einer Generalsanierung erstrahlt es nun in neuem Glanz.

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Das Palais Schwab. Knapp zehn Jahre stand das Palais in der Weihburggasse leer. Nach einer Generalsanierung erstrahlt es nun in neuem Glanz.

DB10912893_2CDBWie stark das Palais Schwab in der Weihburggasse 30 auch heute noch emotionalisiert, beweist eine kleine Episode im Vorfeld. Wie immer bin ich einige Minuten vor der vereinbarten Zeit am Treffpunkt. Eine kleine Gedenktafel in rund 2,2 Metern Höhe zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Zugegeben, stark kurzsichtig habe selbst ich Mühe, die kleine Schrift zu entziffern, die die wechselhafte Geschichte des Hauses zusammenfasst. Eine vorbeilaufende Passantin merkt nur spitz an, dass diese Tafel ursprünglich noch viel höher hing. „Das haben die Eigentümer sicher mit Absicht getan. Die wollen mit der Geschichte des Hauses nichts zu tun haben“, sprach’s und lief weiter.DB10912893_3DF0_2

Doch das Gegenteil ist der Fall, wie ÖRAG-Vorstand Stefan Brezovich später während des Rundgangs durch das Haus anmerkt. „Die Tafel hing früher noch höher. Der Eigentümer ließ sie sogar nach unten versetzen.“ Nicht nur das. Der neue Eigentümer habe auch die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses in Auftrag gegeben.

Die zwischen Ronacher und Stadtpark gelegene Immobilie ist ein Zeuge der historischen Verwerfungen der letzten eineinhalb Jahrhunderte. Es war der aus Prag stammende jüdische Textilindustrielle Gottlieb Schwab, der sich mitten im Gründerzeit-Boom der frühen 1870er Jahre von Architekt Wilhelm Stiassny ein Innenstadtpalais bauen ließ, einen repräsentativen Wohnsitz, der den Aufstieg der Schwabs in die tonangebenden Kreise Wiens auch architektonisch dokumentieren sollte. 1938 wurden Flora und Heinrich Schnabl, die damaligen Besitzer, an die Schwab verkauft hatte, von den Nazis zum Verkauf ihres Hauses gezwungen. Mit 250.000 Reichsmark war der „Kaufpreis“ nicht nur sehr niedrig, sondern er wurde auch nur zum Teil ausbezahlt. Käufer war die „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Berlin“.

Bild3Wien setzt auf Kontinuität

Wie in vielen Fällen gab es auch hier nach 1945 Kontinuität. Das Gebäude blieb im Besitz des Arbeitsamtes, nur eben jetzt nicht mehr des reichsdeutschen, sondern des österreichischen, das später in „Arbeitsmarktservice“ (AMS) umbenannt wurde. Statt eine Rückerstattung des Gebäudes voranzutreiben, entschied sich die Republik Österreich 1957 dazu, Heinrich und Flora Schnabl 618.000 Schilling (was etwa 10 Prozent des damaligen Marktwerts entsprach) auszuzahlen und das Verfahren damit für beendet zu erklären. Erst im November 2003 entschied die Schiedsinstanz beim Allgemeinen Entschädigungsfonds, dass das Objekt seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben ist. Damit wurde erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik einem Antrag auf Naturalrestitution entsprochen.

Man merkt es gleich. Brezovich, ÖRAG-Geschäftsführer Reinhard Prüfert und der Leiter der Abteilung Architektur & Generalplanung Josef Jakob sind sichtlich stolz darauf, „ihr Gebäude“ präsentieren zu können. „Sie müssen sich unbedingt zuerst das Foyer ansehen“, rät Architekt Jakob – und Recht hat er. „Das Foyer, auf das wir besonders stolz sind, wurde vom griechischen Künstler Panagiotis Papadopoulos gestaltet.“ Das offene Foyer im Innenhof erweitert das zentrale Verbindungselement zwischen der historischen Einfahrt, den im Ringstraßenstil reich ausgestatten Räumen der Beletage und den darüber liegenden, modern und funktional ausgestatten Geschoßen. Für ausreichend Licht sorgt eine Glasdecke. Eine Malerei (Acryl auf Kalkzementputz) bildet einen starken Kontrast zur historischen Substanz. Die Malerei besteht aus Zitaten „Da finden sich Texte von Falco bis Bukowski“, so Brezovich.

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Die Malerei (Acryl auf Kalkzementputz) bildet einen starken Kontrast zur historischen Substanz.
(c) cityfoto[/caption]

Blick bis in den Wienerwald

Die Beletage lassen wir - noch - links liegen. Mit dem Aufzug geht es ins Dachgeschoß. In den neu errichteten Dachgeschoßwohnungen entstanden großzügige, lichtdurchflutete Maisonetten. Diese spielen alle Stückerl und bieten Luxus pur. „Jedes Geschoß verfügt über Terrassen. Von der oberen Dachebene haben Sie von den Sonnendecks freien Blick auf den Wienerwald und den Stephansdom.“ Dieser Blick - aber auch der Blick in eine der Wohnungen - bleibt mir verwehrt. „Alle Wohnungen sind bereits vermietet.“

[caption id="attachment_1993" align="aligncenter" width="300"]GRÖSSTMÖGLICHE FLEXIBILITÄT. Die Büroräumlichkeiten wurden den modernen Erfordernissen entsprechend angepasst. GRÖSSTMÖGLICHE FLEXIBILITÄT.
Die Büroräumlichkeiten wurden den modernen Erfordernissen entsprechend angepasst.[/caption]

Jetzt geht es zu Fuß durch das renovierte Stiegenhaus weiter. „Wir konnten das alte Stiegenhaus erhalten. Die Stufen sind - wie man sieht - abgenutzt, aber original.“ Erhalten sind auch die zum Spannen der Teppiche vorgesehenen Haken. Auf die Teppiche selbst musste man wegen des Brandschutzes verzichten. Die Büroetagen sind in ihrer Grundrissgestaltung flexibel geplant und mit der neuesten Haustechnik ausgestattet.

Die Raumhöhen betragen 3,70 bis 4,80 Meter, die Heizung/Kühlung erfolgt über Fan-Coils, die EDV-Kabelkanäle laufen unter massiven Parkettböden, eine Lüftungsanlage mit hoher Wärmerückgewinnung sorgt für angenehmes Raumklima. Was besonders auffällt, ist die angenehme Akustik – selbst im noch leeren Großraumbüro. Pawlatschen dienen als Verbindungsgänge zwischen den Gebäudeflügeln. „Was uns besonders freut, ist, dass das Gebäude mit dem „Green Building Zertifikat“ der europäischen Kommission ausgezeichnet wurde“, unterstreicht Prüfert die Nachhaltigkeit der Renovierungsmaß­nahmen.

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Das AMS war ein Glücksfall

Aufwendiger gestaltete sich das Renovieren der Prunkräume, der Beletage. „Dass das Arbeitsmarktservice jahrzehntelang eingemietet war, darf als Glücksfall bezeichnet werden“, so Architekt Jakob. Dem AMS habe immer das Geld gefehlt, durch Renovierung und Adaptierungen Schäden an der Bausubstanz zu verursachen, wie es bei anderen Palais der Fall war. „Wir konnten die Generalsanierung in 18 Monaten realisieren“, blickt Brezovich zufrieden zurück. „Die Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt lief problemlos ab“, so Jakob. „In Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt haben wir viele Originalelemente restauriert und rekonstruiert.“ So wurden zum Beispiel einige Wandtapeten nachgewoben. Vorhandene Materialien wurden sorgsam renoviert - wie der Steinboden - oder wiederverwendet. So findet sich der alte Handlauf des Treppengeländers als Griff bei den Türen wieder.

Jeder Raum der 353 Quadratmeter großen Beletage hat sein besonderes Flair. Da gibt es den vertäfelten ehemaligen Speisesaal. In seine Holzkassettendecke sind zwei Gemälde des deutschen Historienmalers Julius Frank eingearbeitet. Sie zeigen eine Kahnfahrt und eine Tafelszene. Im Ecksalon sind kassettierte Türen mit Goldgrotesken und Puttenreliefs in den Supraporten erhalten. Bemerkenswert sind auch hier die Deckenbilder der Stuckkassettendecke. Sie stellen im Mittelteil Allegorien von Musik, Poesie und Tanz dar. In den Ecken befinden sich fünfeckige Ölbilder von Julius Frank mit Märchenmotiven aus Rotkäppchen, Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen. Auch das Wohnzimmer sowie einige kleinere Räume sind reich mit Deckengemälden, Stuckkassetten und Holzverkleidungen ausgestattet.

[caption id="attachment_2001" align="alignleft" width="150"](c) cityfoto (c) cityfoto[/caption]

"Sind vorsichtig mit der alten Bausubstanz umgegangen." - Stefan Brezovich, ÖRAG-Vorstand

Die Geheimtreppe

Die Beletage hat aber auch mit einem ganz besonderen Gustostückerl aufzuwarten – einem durch eine Geheimtreppe erreichbaren Saal im Soutterrain. An einer Längswand befindet sich eine Nische. Man vermutet, dass es sich um den Versammlungssaal einer Freimaurerloge gehandelt hat.


To this day Palais Schwab located at Weihburggasse 30 in Vienna evokes strong emotions.

While waiting in front of the building I noticed a small plaque around 2.2 metres above street level. Being short sighted I have problems deciphering the small letters which are telling the turbulent history of the house. A passer-by comments that the pla que had originally been attached much higher. “I bet the owners did this on purpose because they did not want to have anything to do with the history of building,” she said before walking on.

But this is far from the truth as ÖRAG-chairman Stefan Brezovich tells me later while showing me around the house: “The owners had the plaque put much lower.” And they also had the building’s past reappraised.

The property situated between Ronacher and Stadtpark is witness to the historic upheavals of the last century and a half. It was the Prague-born Jewish textile industrialist Gottlieb Schwab, who commissioned architect Wilhelm Stiassny to build him a palais in the city centre during the “Gründerzeit”-boom of the 1870s. In 1938, the successive owners Flora and Heinrich Schnabl were forced by the Nazis to sell. The purchase price was very low at 250.000 Reichsmark and it was not even paid in full. Buyer was Reich’s job centre in Berlin.

Continuity in Vienna

Like in many cases there was continuity after 1945. The new Austrian job centre, which later was renamed AMS, became the owner of the building. Instead of pushing for the restitution of the building the republic of Austria decided in 1957 to pay out 618.000 Schilling to Heinrich and Flora Schnabl, which was about 10 percent of the market price at the time, and closed the case. Only in November 2003, the restitution fund decided the property has to be returned to the previous owners. This was the first time since World War II in Austria that a request for restitution of property was granted.

And ÖRAG is clearly proud to be able to present “its building”, especially chairman Brezovich, managing director Reinhard Prüfert and the head of the department for architecture and general planning, Josef Jakob. The foyer is a particular eye catcher. It is the central connecting element between the historic driveway, the rooms in the Beletage that are richly decorated in the Ringstraßen style and the modern, functional levels above. A glass ceiling ensures there is enough light. A painting serves as a contrasting element to the historic elements. It is made up of quotes. “You can find texts from Falco to Bukowski,” says Brezovich.

View of the Vienna woods

The new light-flooded maisonettes under the roof offer pure luxury. “Every level has two balconies. From the top roof level you have an undisturbed view of the Vienna woods and St. Stephen’s Cathedral”. I cannot see any of this because all flats are already rented out.

Walking down the stairs, Brezovich tells me they were “able to preserve the old staircase”. The steps are worn but original and they still have the hooks used to hold the carpets. Those could not be put back in because of fire regulations. The office levels have flexible floorplans and are issued with the latest building services. The rooms are between 3.7 metres and 4.8 metres, fan coils regulate heating and cooling, the IT cables are running underneath the massive parquet flooring. An airing system with a high heat recovery ensures a good indoor climate. I immediately notice the agreeable acoustics – even in the still empty open-planned office. Galleries serve as connecting corridors. Prüfert is particularly happy that the buildings received the European Commission’s “Green Building Certificate” confirming the sustainability of the renovation measures.

The AMS was a stroke of luck

The renovation of the state rooms was more complex. “It was a stroke of luck that the AMS was using the building for decades,” says architect Jakob. The AMS never had the money to cause damage to the historic elements by renovations or adaptations, he explains. The complete renovation was done within 18 months without any glitches in the cooperation with the federal heritage agency (BDA). Original elements were restored and reconstructed,

Every room in the 353 square metre Beletage has a distinctive flair. There is the panelled former dining room. In the corner salon there are panelled doors with golden grotesques and cherub reliefs in the sopraportas. Also the living room and a few smaller rooms are richly decorated with painted ceilings, stucco panels and wooden panelling.

The secret stairway

The Beletage also has a very special gem – a hall in the basement reachable via a secret stairway. It was probably a meeting place for Freemasons.

Quelle: cityfoto
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