3D-Digitalisierung ante portas

Fortschritt. Ein vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung eigens entwickelter 3D-Scanner revolutioniert die Digitalisierung von Artefakten. Er soll die digitale Dokumentation dreidimensionaler Kunstwerke wie Stauten, Büsten oder Skulpturen qualitativ hochwertiger, rascher und somit auch günstiger ermöglichen.

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Fortschritt. Ein vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung eigens entwickelter 3D-Scanner revolutioniert die Digitalisierung von Artefakten. Er soll die digitale Dokumentation dreidimensionaler Kunstwerke wie Stauten, Büsten oder Skulpturen qualitativ hochwertiger, rascher und somit auch günstiger ermöglichen.

Bücher, Gemälde, Fotos, aber auch Filme und Tonaufnahmen – sie auch automatisch zu digitalisieren, ist mittlerweile keine Hexerei mehr. Aber was tun mit Statuen, Skulpturen und anderen dreidimensionalen Kulturgütern? Da ist Handarbeit gefragt. „Deren Digitalisierung ist zwar mit verschiedenen handelsüblichen Scannern möglich, aber nur, indem Menschen mit den Scannern um die Gegenstände herum gehen. Das ist aber ein Zeit- und Kostenfaktor“, weiß Pedro Santos, Head of Competence Center Cultural Heritage Digitization am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung.

Doch das könnte sich bald ändern: „Wir haben ein modulares, farbkalibriertes Scan-System für die 3D-Digitalisierung entwickelt“, sagt Santos. Die Idee dahinter sei gewesen, den Durchsatz zu erhöhen, neue Materialien zu erfassen und die Qualität zu steigern. Denn bisher habe es beispielsweise bei der Farbwiedergabe gewisse Qualitätsverluste gegeben, darüber hinaus seien stark reflektierende Materialien wie etwa Gold nur schwer zu scannen gewesen. „Das Gerät sieht aus wie ein Förderband mit zwei Scan-Stationen. Die zu scannenden Objekte liegen auf einem transparenten Tablet“, beschreibt Santos den Vorgang. Bei der ersten Scan-Station wird das Objekt 153 Mal von oben und neun Mal von unten fotografiert. „Binnen zwei bis drei Minuten entsteht anhand dieser Fotos ein erstes 3D-Preview-Modell, an dem man Lücken und Hinterschneidungen erkennen kann“, erklärt Santos. Und nur um diese „kümmert“ sich die zweite Scan-Station, die aus einem Roboterarm mit einer noch höher aufgelösten Kamera besteht und das nun auf einem Drehteller liegende Objekt fotografiert. Nach Auswertung aller Bilder erhält man die farbkalibrierte 3D-Darstellung des Objektes. „Der gesamte Vorgang dauert weniger als zehn Minuten“, sagt Santos, der darauf hinweist, dass alle fünf Minuten ein Objekt gescannt werden könne.

Ziel sei es, den Prototypen noch heuer zu lizenzieren. Santos sieht zwei Möglichkeiten: Es könnten Service Provider einen dieser Scanner kaufen und diesen dann Museen und anderen Instituten für einen bestimmten Zeitraum zum Scannen ihrer Artefakte zur Verfügung stellen. „Eine einfachere und günstigere Variante ist, dass man sich auf den Drehteller und den Roboterarm beschränkt“, sagt Santos. Den könnten große Häuser dann selbst ankaufen und auf Dauer nützen – Deadline für dieses Produkt ist für ihn 2018.

Die Vorteile des 3D-Scans liegen für den Experten auf der Hand: Zum einen könne man den Ist-Zustand dokumentieren, zum anderen bedeutsame Kunstwerke sichern. „Wird eines dann durch Umwelteinflüsse oder Katastrophen zerstört, kann man es anhand des 3D-Scans leichter wieder aufbauen“, ist er überzeugt. Auch die wissenschaftliche Forschung könnte erleichtert werden: Kann jetzt oftmals nur ein Wissenschafter an einem Objekt arbeiten, könnten es künftig mehrere sein. „Und das, ohne das Artefakt außer Haus geben zu müssen“, so Santos. Das sei etwa in Hinblick auf die Versicherungen ein Thema. Daneben gebe es eine Reihe von Vorteilen in Hinblick auf die Besucher. So könnten virtuelle Reproduktionen in Hybrid-Ausstellungen genutzt werden, wodurch das Besuchererlebnis hinsichtlich der Interaktion und Realitätsgenauigkeit vollkommen neu definiert würde. „Manche Sammlungen sind ja auf verschiedene Häuser aufgeteilt. In Hybridausstellungen könnten diese dann sowohl reale als auch virtuelle Exponate kombinieren“, sagt Santos. Ein weiterer Vorteil sei die Tatsache, dass die Exponate interaktiv und unabhängig von ihrem Aufenthaltsort für Besucher zugänglich seien – so könnten 3D-Repräsentationen über den Webbrowser eine lebensnahe Darstellung von allen Seiten im Rahmen einer „digitalen Ausstellung zu Hause“ erlauben.

Santos sieht aber auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, die noch bewältigt werden müssten: So müsse eine webbasierte, 3D-zentrierte Annotationssoftware entwickelt werden. „Man kann ein 3D-Modell nicht ohne Provenienzdaten stehen lassen“, sagt Santos. Dieses müsse mit Informationen über geschichtliche Hintergründe und vieles mehr verknüpft werden. Darüber hinaus müsste geklärt werden, in welchem Format die 3D-Rekonstruktionen gespeichert werden. „Die Formate müssen schließlich auch in 100 Jahren lesbar sein“, so Santos. Ebenfalls zu klären sei die Frage, wer die Daten halten solle – eine staatliche Institution oder ein privates Unternehmen. Falls zweiteres, müsse geklärt werden, was beispielsweise bei einer Insolvenz der Firma mit den Daten passieren soll. Handlungsbedarf sieht er nicht zuletzt bei der Klärung der Frage, wer die Rechte an dem digitalen 3D-Modell halt soll. „Es gibt noch viele offene Fragen“, sagt Santos. n