Aus, Stopp, Retour

Beim Europark-Developer Spar European Shopping Center (SES) versteht man die Welt nicht mehr.

von 0 Minuten Lesezeit

Beim Europark-Developer Spar European Shopping Center (SES) versteht man die Welt nicht mehr:

„Europark Salzburg ist Österreichs flächenproduktivstes Shopping-Center – hier ist unsere Zentrale, das Center ist unser Flaggschiff. Es ist ein Zentrum, das für Nachhaltigkeit weltweit ausgezeichnet wurde und nach grünen Maßstäben erbaut wurde: Fernwärme, beste öffentliche Verkehrsanbindung, die auch mit Hilfe des Europarks geschaffen und finanziert wurde, mit eigenem Theater und Betriebskindergarten. 130 Shops, darunter meist kleinere und mittlere Geschäfte, die im Schnitt je rund 60 Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche benötigen würden - und die ihnen seit dem Jahr 2003 behördlich vorenthalten wird.“

Daher wollte man heuer auf den Ausbau setzen. Jetzt ist SES-Boss Marcus Wild über die getroffene (politische) Entscheidung, nun, irritiert: „Die Erweiterung bzw. Umwidmung der Lagerflächen würde keinen zusätzlichen Flächenverbrauch bedeuten. Im Übrigen erfüllt das Center seit vier Jahren vom Land Salzburg selbst beauftragte Gutachten, es untermauert die Voraussetzungen für eine Standorteverordnung und erfüllt die von den Grünen auferlegten Kriterien. Es ist daher eine eher symbolhafte politische Entscheidung, die eine hohe Willkür zeigt.“ Dennoch betreffe die Entscheidung nur den Standort Salzburg und hat nur dort Auswirkung. Denn, so Wild: „Wir haben mehrere Umbau- oder Erweiterungs-Projekte in Österreich, erleben diese extrem wirtschaftsfeindliche Haltung der Politik aber nur hier.“

Falsche Signale

Retail-Experten sehen auch die falschen Signale. Hannes Lindner, Geschäftsführer von Handelsberater Standort + Markt: „Der nicht genehmigte weitere Ausbau des Europarks durch die Salzburger Landesregierung hat sicherlich zu einer erheblichen Verunsicherung in der Einkaufszentrenbranche beigetragen. Dies ist umso bitterer, als dass gute Einzelhandelsflächen von den Konsumenten bestens akzeptiert werden und sehr häufig einen weiteren Ausbau wirtschaftlich ermöglichen.“ In diesem Zusammenhang sei doch Kritik an die Entscheidungsverantwortlichen zu richten: „Können gut konzipierte und bestens akzeptierte Zentren für Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht werden? Die in Salzburg getroffene Entscheidung ist aus diesem Blickwinkel als falsches Signal an eine Branche zu werten, die versucht, für rund 8.000 Handelsbetriebe bzw. 70.000 Handelsangestellte einen zeitgemäßen Raum zu bieten.“

Regioplan-Chef Wolfgang Richter kann überregional gesehen die Salzburger Entscheidung nicht nachvollziehen, denn: „Gemessen an der Dichte an Einkaufcentern ist Wien größer als Salzburg.“ Marketing-Experte Ingo Hödl findet, „dass es immer eine heikle Sache ist, wenn die Politik reglementierend in die Wirtschaft eingreift.“ Er persönlich glaube zwar nicht, dass ein weiterer Ausbau des Europarks jetzt eine Katastrophe für die Salzburger Händler bedeuten würde, aber: „Der Stopp desselbigen bedeutet auch keine Katastrophe für den Standort Europark, zumindest nicht aus Kundensicht, die sind, soweit ich weiß, sehr zufrieden. Aus Sicht der ,Gewinnoptimierung‘ ist das allerdings eine ausgesprochen unerfreuliche Sache. Das kann man so sicher auch auf viele andere Standorte in Österreich umlegen.“

Und noch eine weitere Dimension kommt zum Tragen, so Hödl: Für internationale Player könnte ein österreichweiter Baustopp zu ziemlich heftigen Problemen führen. Denn: „In den Bilanzen nach IFRS sind häufig die „Ausbaupotentiale“ eines Centers mit nicht unwesentlichen Beträgen bewertet. Muss man diese wertbereinigen bzw. ausbuchen, weil wenn ein totaler Baustopp die Aussicht auf einen weiteren Ausbau zunichte macht, hat man plötzlich einiges an Erklärungsbedarf gegenüber den Shareholdern.“

[caption id="attachment_4713" align="aligncenter" width="300"](c) SES Christof Lackner (c) SES Christof Lackner[/caption]

Örtliche Hürden

Welche Signalwirkung könnte die Salzburger Entscheidung nun für andere Developer haben? Standort+Markt-Chef Lindner: „Die Raumordnung fällt zwar in die Landes-Kompetenz, die Entscheidung in Salzburg hat aber sicherlich Signalwirkung für das gesamte Bundesgebiet: Bei den Einkaufszentren-Entwicklern wie auch den -Eigentümern entsteht allmählich ein Bild der Willkür, das transparente Entscheidungsprozesse und fachlich objektive sowie faire Diskussionen vermissen lässt. In Zeiten wirtschaftlicher Rezession mutet es nahezu paradox an, dass investitionswillige Unternehmen laufend als Bittsteller auftreten müssen.“ Relativierend müsse allerdings festgehalten werden, dass insbesondere die Standortgemeinden sehr häufig hinter den Ausbauplänen stehen und bemüht sind, zumindest die örtlichen Hürden zu meistern, weiß Lindner. Möglicherweise liegt hier die unterschiedliche Bereitschaft zur Unterstützung von Projekten darin begründet, dass die lokalen Entscheidungsträger stärkere Verantwortung in Bezug auf das wirtschaftliche Wohlergehen der Kleinregion verspüren, übergeordnete Instanzen eher stärker auf abstrakter Ebene gegen das „Phänomen“ oder „Gespenst“ Shopping Center agieren, vermutet Retail-Experte Lindner.

Marktkenner Wolfgang Richter glaubt, dass die Zeit für die Developer arbeiten wird: „Derzeit kann einmal nichts gemacht werden, aber man kann diesen Zustand nicht ewig aufrecht erhalten. Das wäre ja praktisch wettbewerbsverzerrend: Denn, wenn ich nichts bauen kann, erhalte ich das Bestehende – und das ist nachteilig für diejenigen, die woanders etwas machen wollen.“ Auch Retailmarketing-Experte Hödl will zunächst die Kirche im Dorf lassen: „Ich denke, dass die Signalwirkung für andere Developer nicht so enorm sein wird. Der wirtschaftliche Druck, „ordentliche“ Renditen abzuliefern, wird auch weiterhin den Wunsch nähren, neue Standorte zu entwickeln und bestehende Handelsagglomerationen weiter auszubauen. Im Gegenteil, vielleicht wird man versuchen, geplante Projekte jetzt rascher umzusetzen, bevor noch andere Bundesländer auf ähnliche Ideen kommen wie Salzburg.“

Kuchen wird kleiner

Denn die Luft wird im Center-Developing ohnehin immer dünner. Standort+Markt-Chef Lindner: „Durch E-Commerce wird dem stationären Handel immer stärker der Nährboden entzogen, womit Neuentwicklungen auf dem Einkaufszentren-Sektor mit erhöhtem Risiko konfrontiert sind. Erweiterungen bestehender, gut laufender Zentren - wie etwa im Fall des Europarks oder des Messeparks in Dornbirn - sind hier exakt die richtige Antwort.“

Was kann man in Zukunft noch an Zentren-Neuentwicklungen erwarten? Lindner: „In ländlichen Gebieten werden lose Verbünde von ungeplant entstandenen Fachmarktagglomerationen verstärkt zu modernen Retail Parks gebündelt, einzig in stark wachsenden Ballungsräumen ist ein Funken Hoffnung für Neuentwicklungen von klassischen Shopping Malls noch vorhanden.“ Die Innenstädte könnten eine neue Renaissance erleben, glaubt Lindner: „Hier wird nicht Multifunktionalität vorgegaukelt, sondern großteils tagtäglich noch gelebt. Die Funktionsdurchmischung der Innenstädte bietet hier die Möglichkeit einer ausgezeichneten Verzahnung mit dem Einzelhandel, womit wir bei Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern hier ein spannendes Entwicklungspotenzial in der Zukunft sehen.“

[caption id="attachment_4714" align="aligncenter" width="300"](c) SES Christof Lackner (c) SES Christof Lackner[/caption]

Das bestätigt auch Retail-Marketing-Experte Hödl: „Innerstädtische Einkaufszentren sehe ich persönlich als Chance, da es im klassischen Stadtmarketing in der Praxis zu viele unterschiedliche Interessen der Händler als auch der einzelnen Immobilieneigentümer gibt, um einen attraktiven Mietermix auf die Beine stellen zu können.“ Kurzfristige Eigeninteressen haben da meist Vorrang, oft fehlt es auch ganz einfach an spezifischem Know-how im Standort-Marketing und dem tatsächlichen Willen zur Zusammenarbeit, glaubt Hödl. Einkaufszentren-Betreiber haben den unbestrittenen Vorteil, dass sie wichtigen Ankermietern entsprechend günstige Konditionen anbieten können, um ihnen einen Standort „schmackhaft zu machen“, erläutert Hödl, da sie die Einbußen mit potentiellen Mehreinnahmen bei den anderen Mietern, die von der Frequenz der Ankermieter profitieren, wieder kompensieren können: „Das geht im Stadtmarketing mit einer Struktur aus unterschiedlichen Eigentümern, nicht – mir ist zumindest kein Beispiel bekannt.“

Mischt man ein Shoppingcenter mit einer Innenstadt und macht es mit Weitblick und Gewissenhaftigkeit, bekommt man im Idealfall einen über die Stadtgrenzen hinaus interessanten Mieter-Mix und eine lebendige Innenstadt, so Hödl. Ein Trend, den auch SES-Chef Wild so sieht: „Andere Bundesländer wollen urbane Handelsstrukturen fördern und insbesondere bestehende Standorte organisch weiterentwickeln lassen, was wünschenswert ist. Nachhaltige, urbane Center zu bauen, bietet für gewöhnlich die große Chance auf grünes, nachhaltiges Wachstum im Handel. Regionalität, der Gastroanteil und der Trend, Center in Innenstädten zu errichten, nimmt stärker zu.“

Einen generellen Center-Boom will Regioplan-Chef Richter nicht ausmachen: „Der Kuchen für den stationären Handel wird immer kleiner – anders gesagt: Es gibt weniger Kuchen für zumindest gleich viele Errichter.“ Der Handel reduzierte zuletzt dramatisch seine Expansionsgelüste, erzählt Richter, höchstens Bekleidung und spezieller Lebensmittelhandel (Tiernahrung, Systemgastronomie) kann kleineres Wachstum aufweisen. „Die Nachfrage nach neuen Standorten ist viel schwächer geworden, auch in Osteuropa, nicht nur in Österreich. Die Lust der Developer und Financiers, neue Projekte anzugehen, ist geringer geworden, weil das Wagnis, das Haus voll zu bekommen, gestiegen ist.“ Somit gebe es kaum gefüllte Pipelines für Großprojekte, so Richter, wo hingegen es Kleinprojekte bis etwa 20.000 Quadratmeter „immer wieder“ geben wird. Seine Prognose: „Große Neubauten: nein. Kleine Neubauten: ja. Erweiterungen und Relaunches: Doppeltes Ja.“