Bauernland in Bauernhand

Ungarns Premier Viktor Orbán liebt es griffig: Obigen Slogan auf die Fahnen geheftet zog er im Jahr 2010 in den Wahlkampf und versprach, Agrarland von Ausländern zurückzuholen – neue Beschränkungen inklusive.

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Taschenverträge unter Feuer. Ungarns Premier Viktor Orbán liebt es griffig: Obigen Slogan auf die Fahnen geheftet zog er im Jahr 2010 in den Wahlkampf und versprach, Agrarland von Ausländern zurückzuholen – neue Beschränkungen inklusive.

Die Rückforderung von Agrarflächen nach dem Motto „Bauernland in Bauernhand“ war eines der wichtigsten Themen beim vorletzten Wahlkampf des ungarischen Premiers. Der Regierungschef, der sich als Schutzherr der „heiligen ungarischen Erde“ sieht, wollte so Agrarinvestoren, die mittels „Taschenverträgen” ungarischen Boden bewirtschaften, vertreiben und deren Land neu verteilen. Davon sind auch rund 200 Österreicher betroffen. Die „Repatriierungswelle“ rollt: Allein im Komitat Veszprem sollen angeblich 4.600 Grundbuchseinträge gelöscht worden sein. Neue Barrieren sollen Ausländer draußen halten: Ein Gesetz macht den Erwerb für Nicht-Ungarn so gut wie unmöglich. Hintergrund all dieser Aktionen war offenbar auch, dass Orbán mit der Freigabe des Bodens für Ausländer, die mit der Freizügigkeit des EU-Arbeitsmarktes für Osteuropäer verknüpft war, eine riesige Spekulationswelle auf die Magyaren zurollen sah. „Das schrittweise zwischen dem 15. Dezember 2013 und 1. Mai 2014 in Kraft getretene neue ungarische Bodenverkehrsgesetz ist eine der strengsten Regelungen in der EU“, berichtet Daniel Kellner, Rechtsanwalt bei der Budapester Kanzlei Szécsényi. „Die neue Regelung wurde erlassen, da am 30. April 2014 das sog. Bodenmoratorium (Übergangsfrist für die Beschränkungen des Ackerverkehrs, Anm.) abgelaufen ist. „Das Bodenverkehrsgesetz reguliert unter anderem den Erwerb des Eigentumsrechts eines Ackerlandes, die Bestellung von Nießbrauchrechten, die Nutzung von Ackerland sowie die Kontrolle der Erwerbsbeschränkungen“. Deklariertes Ziel des Gesetzes sei, so Kellner, ungarischen Boden vor Spekulanten zu schützen.

Neue Barrieren

Das Procedere zum Erwerb von Agrarboden wurde entsprechend verschärft, berichtet der Anwalt: „Zum Schutz der örtlichen Landwirte sieht das Gesetz gesetzliche Vorkaufsrechte für den ungarischen Staat und Landwirte (Reihenfolge vom Wohnort abhängig; Anm.), eine Überprüfung- und Bestätigungspflicht durch die lokale Bodenkommission und ein Abtretungsverbot von Bodennutzungsrechten vor, um die vor Ort tätigen Familienlandwirte zu bevorzugen.“ Juristische Personen können weiterhin kein Eigentum an Ackerland in Ungarn erwerben. Die Regelungen für Privatpersonen sind für ungarische und EU-Bürger jedoch gleich, erläutert Daniel Kellner: „Landwirte sind in Ungarn registrierte inländische natürliche Personen beziehungsweise EU-Staatsangehörige, die über eine in gesonderter Rechtsnorm festgelegte Qualifikation in der Fachrichtung Landwirtschaft oder Forstwirtschaft verfügen oder mangels dessen nachweislich seit wenigstens drei Jahren kontinuierlich in Ungarn eine land- bzw. forstwirtschaftliche Tätigkeit beziehungsweise ergänzende Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigenes Risiko betreiben und daraus nachweislich Umsätze hatten“, erklärt Daniel Kellner. „Nicht als Landwirt angesehene inländische natürliche Personen und EU-Staatsangehörige dürfen ein Eigentumsrecht an Ackerland erwerben, wenn die Flächengröße des in ihrem Besitz befindlichen Ackerlands zusammen mit der Flächengröße des zu erwerben beabsichtigten Ackerlands 10.000 Quadratmeter nicht übersteigt. Hierzu wird in seinem Eigentum beziehungsweise Besitz stehendes Ackerland, auch aktuell nicht bewirtschaftete Flächen angerechnet“, sagt der Experte. Somit ermöglicht das neue Gesetz den Eigentums- beziehungsweise Nutzungserwerb durch Landwirte und schließt gleichzeitig diejenigen hiervon aus, die eben keine Agrarproduktion führen oder die keine Landwirte sind. Die strengen gesetzlichen Bestimmungen verhindern mit allen möglichen Mitteln einen Bodenerwerb, der einem spekulativen Ziel dient, sagt der Rechtsanwalt.

Schutz für Vertriebene

„Das Gesetz sieht ein generelles Erwerbsverbot für Ausländer - sowohl für natürliche, als auch juristische Personen - vor. Das Bodenverkehrsgesetz sieht eine Ausnahme für EU-Bürger vor, die besagt, dass ein EU-Bürger Ackerland nur unter Einhaltung der Einschränkungen bezüglich des Erwerbs von Eigentum und Besitz von Ackerland erwerben darf.“ Zum Erwerbsbegriff gehören zum Beispiel Kauf, Tausch und Schenkung. Nicht inbegriffen ist der Eigentumserwerb durch gesetzliche Erbschaft, Enteignung und bei einer Entschädigungsversteigerung, erläutert Daniel Kellner. Dies schützt auch viele von den Kommunisten enteignete und vertriebene„Donauschwaben“, die in den 1990er-Jahren von der ungarischen Regierung entschädigt wurden. „Im Falle der Nutzung und Verwertung sowie des Ackerbaus kann dies unter mehreren Rechtstiteln verwirklicht werden: durch Nießbrauchrecht, Nutzungsrecht - diese sind so genannte dingliche Rechte - sowie durch (Halb- und Teil-)Pacht und Nutzung aus Gefälligkeit (Sammelname: Bodennutzungsrechte; Anm.)“, erläutert der Anwalt. Die Veräußerung des Ackerlandes bedarf einer behördlichen Genehmigung. Die Bestätigung und Zustimmung seitens der Behörde erfolgt nach einer gründlichen Überprüfung der formellen und inhaltlichen Bedingungen, so Kellner.

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Legistische Zäune nicht nur in Ungarn

Wer sich die Regelung also im Detail ansieht, merkt rasch: Das ist ein De-facto-Ausschluss der Mehrheit der EU-Bürger. Auch in anderen Ländern im Osten der EU wurden ähnliche Regulative eingeführt. Wenig verwunderlich: „Die Europäische Kommission hat am 26. März 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und auch gegen Bulgarien, Litauen und die Slowakei wegen Beschränkungen des Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen eröffnet“, sagt der Budapester Rechtsanwalt. „Dem rechtlichen Standpunkt der Kommission nach enthält das ungarische Gesetz verschiedene Bestimmungen, die nach EU-Recht als Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit betrachtet werden können. Jedwede Beschränkung dieser im EU-Vertrag verankerten Grundfreiheiten müsse gerechtfertigt und mit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein – sagt die Kommission.“ Man wird sehen, wie das Verfahren ausgeht.

Taschenverträge unter Feuer

Um seine Magyaren bei Laune zu halten, hatte Orbán versprochen, die von Ausländern zurückgeholten Flächen an arme Kleinbauern zu verteilen. „Die im Jahr 2010 ins Amt getretene zweite Orbán-Regierung hat einen Kampf gegen so genannte Taschenverträge angekündigt“, erläutert Kellner. „Taschenverträge sind Verträge, mit denen sich Ausländer - vor allem die in Ungarn tätigen rund 200 österreichischen Landwirte - in den Jahren des Erwerbsverbotes durch ungarische ,Strohmänner‘ Ackerland sicherten.“ Dies geschah vor allem in der Goldgräberstimmung nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“. Orbáns Reaktion: „Das ungarische Strafgesetzbuch wurde verschärft: Der neu in das Gesetz aufgenommen Tatbestand sieht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren für den unrechtmäßigen Erwerb von Ackerböden vor. Unter unrechtmäßigen Erwerb fallen der Erwerb des Eigentumsrechts an Ackerland sowie die Begründung eines Nießbrauchs- oder eines Nutzungsrechts“, erklärt der Budapester Rechtsanwalt die Situation. Der Staatsanwalt kann auf Anzeige eine Untersuchung einleiten, wenn der begründete Verdacht besteht, dass irgendein Rechtsgeschäft beim Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen auf die Umgehung der gesetzliche Verbote oder Beschränkungen abzielt, sagt Kellner: „Der Staatsanwalt beantragt in einem auf die Feststellung der Nichtigkeit dieses rechtswidrigen Rechtsgeschäfts gerichteten Prozess, das Eigentumsrecht an mit dem Rechtsgeschäft betroffenen Ackerland vom Gericht dem Staat zuzusprechen, wenn es festzustellen ist, dass sich das Rechtsgeschäft gegen die schon erwähnten gesetzlichen Verbote oder Beschränkungen richtet. Laut der zur Verfügung stehenden öffentlichen Angaben ist festzustellen, dass bisher nur wenige Verfahren vom Gericht eingeleitet wurden.“ Ein Interview mit dem Oberstaatsanwalt vom Mai 2015 berichtet über zehn eingereichte Klageschriften im Komitat Zala (in Westungarn: Anm.) mit dem Verweis auf die Feststellung der Nichtigkeit von Kaufverträgen, die gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen, sagt Rechtsanwalt Daniel Kellner.