Bewusst verkehrt denken

Valued Data Building. Digitalisierung bedeutet das Aufbauen von intelligenten Datenketten in effizienten Prozessen. „Aber ich muss mit einer ordentlichen Qualität beginnen, sonst habe ich einen Datenfriedhof“, sind Mathias Ganspöck, Herbert Peter und Wilhelm Reismann, der Gründer der Initiative „the better way“ überzeugt.

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Valued Data Building. Digitalisierung bedeutet das Aufbauen von intelligenten Datenketten in effizienten Prozessen. „Aber ich muss mit einer ordentlichen Qualität beginnen, sonst habe ich einen Datenfriedhof“, sind Mathias Ganspöck, Herbert Peter und Wilhelm Reismann, der Gründer der Initiative „the better way“ überzeugt.

Sie haben die Initiative „the better way“ ins Leben gerufen. Was genau steckt dahinter?

Wilhelm Reismann: Aus der Überzeugung heraus, dass nur Alt und Jung gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Aufgrund der Tatsache, dass erfolgreiches Nutzen und Betreiben unser einziges Ziel beim Planen und Bauen ist, denken wir bisweilen bewusst ganz verkehrt und fangen von hinten zu optimieren an. Das Positive, die Erfolgsfaktoren herausarbeiten und bekannt machen, über Fehler offen reden, sodass die richtigen Lehren gezogen werden können, Innovation als Weg in die Zukunft aufzeigen, ist unser Lösungsvorschlag für Projekte und Prozesse. Damit ergab sich unser Leitmotiv „Innovate.Succeed.Learn“. Zusammenarbeiten, alle an einem Ziel – dem gemeinsamen Projekterfolg – orientiert, mit immer wieder optimierten, standardisierten, aber auch bewusst individualisierten Prozessen.

Da sind wir auch schon beim Thema: Gebäudedaten sind der Schlüssel zu einer sinnvollen Bewirtschaftung. Die Lebenszykluskosten, die sinnvolle Planung, das Facility Management, die Bauabwicklung kann ich erst dann intelligent gestalten, wenn ich die heutigen Möglichkeiten nutze. An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. Digitalisierung bedeutet das Aufbauen von intelligenten Datenketten in effizienten Prozessen. Diese Datenkette kann wachsen. Das ist nichts Einmaliges. Aber ich muss mit einer ordentlichen Qualität beginnen, sonst habe ich einen Datenfriedhof. Das Problem ist, dass wir ununterbrochen Daten produzieren ohne nachzudenken, was man vielleicht in fünf oder zehn Jahren aus diesen Daten herausholen kann. Kurz gesagt: Auf die Qualität der Daten kommt es an.

Wie haben Sie einander gefunden?

Reismann: Über gemeinsame Freunde. Über unser Netzwerk. Ein Netz, das über Jahre hinweg entstanden ist. Das ist eine logische Entwicklung. Wir haben einander gefunden, weil keiner von uns alles kann. Gemeinsam versuchen wir nun, miteinander für den Nutzer das Optimum rauszuholen.

Das ist eine Art Sharing Society. Ich glaube, dass die Jungen auch eher so ticken. Du kannst entweder einen Konzern machen, der Macht und Geld bringt – oder du kannst so eine Form finden. Wir glauben, dass wir jetzt einen gesamtheitlichen Ansatz dafür haben. Dafür haben wir auch mit VALUED DATA BUILDING eine gemeinsame Marke gewählt. Wir sind drei völlig unterschiedliche Unternehmen. Neben uns gibt es aber auch noch andere Unternehmen, die sich an dieser Initiative beteiligen. Was uns eint: Wir haben zueinander Vertrauen. Das verstehen wir unter „the better way“.

Know-how-Transfer inklusive …

Reismann: Ohne dem geht’s nicht. Da wirst du ja nicht gescheiter.

Aber mit Verlaub – manchmal hat man schon das Gefühl, viele Markteilnehmer sitzen regelrecht auf ihren Daten.

Mathias Ganspöck: Weil sie Angst haben, dass sie einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, wenn sie etwas hergeben. Einer der großen Vorteile des 3D-Scans für den Auftraggeber ist die Vollständigkeit. Bis vor ein paar Jahren, bei Verwendung der eher traditionellen Techniken, wurden Messungen für einen spezifischen Zweck angefertigt: einzelne Messungen für die Erstellung von Grundrissen, einzelne Messungen für Schnitte, Ansichten, Orthofotos usw. Der 3D-Scanner ermöglicht es uns, das gesamte Bauwerk vollflächig und präzise einzuscannen. Dadurch können wir selbst lange nach der Aufnahme unkompliziert weitere CAD-Produkte wie Pläne und Modelle sowie allerlei ingenieursmäßige Analysen erstellen. Es ist lediglich das Zeichnen oder Modellieren zu erledigen. Folgekosten für eine erneute Messung entstehen so nicht. Ausgenommen es erfolgen grobe Änderungen am Objekt, die nicht konsequent dokumentiert wurden. Deswegen sollte das Datenmodell konsequent nachgehalten werden. Uns ist auch die Datenquelle nicht wichtig, solange sie zuverlässig ist und unseren Anspruch auf Qualität erfüllt. Gerade im Airborne-Bereich kann man tolle Datensätze für sehr wenig Geld kaufen.

In vielen Köpfen ist der 3D-Scan Mittel zum Zweck und nicht großartige Chance. Den Auftraggebern ist das Potenzial oft nicht bewusst, respektive der Weg zu den Plänen oder zum Modell interessiert nicht. Das Ergebnis zählt. Wenn im Auftrag an die Firma XY steht, dass fünf Grundrisse und drei Schnitte zu erstellen sind, wird das erledigt und das war es dann wieder. Wenn der Kunde dann später noch weitere Pläne vom selben Objekt benötigt und die Daten nicht in einem offenen Format übergeben bekommen hat, muss er ja wieder zur Firma XY gehen oder eine Neuvermessung beauftragen. Das bringt natürlich eine gewisse Abhängigkeit mit sich und fördert eine Art von Datenmonopol, was sich im Preis widerspiegelt.

Da gibt es einen schönen Vergleich. Nämlich zu Fotografen, die heute ja alle digital fotografieren. Bei Passfotos bekomme ich exakt vier Abzüge. Das digitale Foto, die Datei, bekomme ich meist nicht. Wenn ich nun wieder ein Passbild benötige, welches ich einfach selber drucken könnte, muss ich dennoch wieder zu dem Fotografen gehen, weil der die Datei hat.

Reismann: Ich mache mir keine Sorgen um meine Daten – außer meine persönlichen. Jeder soll damit arbeiten. Daher bin ich auch ein Fan von Open Data. Es ist nicht einzusehen, dass man dauernd Daten generiert und gleich wieder in der Versenkung verschwinden lässt, die man 2022 für einen ganz anderen Zweck gebrauchen könnte. Für Zwecke, die wir heute noch gar nicht kennen.

Herbert Peter: Man muss es einlesen können. Ein File-Format ist vergänglich. Es muss über die Jahre hinweg immer lesbar sein. Die Software, mit welcher Daten erstellt werden, ist nicht vorrangig wichtig. Daten kann ich auch von einem Dritten kaufen. Es ist aber wichtig, dass die Daten vollständig in hervorragender Qualität erstellt und in offene Datenformate überführt werden.

Wenn ich etwas brauche, das noch nicht modelliert ist, weil es noch nicht erforderlich war, gehe ich in die Punktwolke, hole mir die notwendigen Daten heraus und modelliere nach. Ich kann auch jederzeit nachscannen. Es gibt einen Umbau, der nicht erfasst ist. Ich scanne nach und der Workflow bleibt durchgängig. Man muss sowohl die Punktwolke und das BIM-Modell als Rohstoff  erkennen. Die Daten daraus sind Rohstoff und Werk.

Reismann: Entscheidend sind nicht die Daten selbst, sondern der Nutzen, den man daraus generiert. Das ist das Know-how von VALUED DATA BUILDING. Wie die einzelnen Disziplinen miteinander kommunizieren und arbeiten. Fünf eingespielte Fachärzte können in Summe für mich mehr bewirken, als wenn ich fünf unabhängige Ärzte einzeln finden und aufsuchen muss.

Ziel ist die umfassende Gebäudedigitalisierung. Wichtig dabei ist für uns, dass man von diesem singulären Nutzen der Datenerhebung wegkommt.

Ganspöck: Völlig richtig! Ich habe ja auch ein Auto für alles. Ein Auto, um die Kinder in den Kindergarten zu bringen, um einzukaufen, um auf Urlaub zu fahren. In vielen Bereichen des Lebens gibt es so eine Universallösung und hier tut man so, als ob man die Daten nur für einen einzigen Vorgang verwenden kann – und dann sind sie verbraucht.

Die Daten sind da – also verwenden wir sie auch gemeinsam!

Reismann: Wichtig ist, dass von Anfang an alle zusammenarbeiten. Es muss von Anfang an klar sein: Was brauchen die Nutzer, Betreiber, Auftraggeber?

Mit der Punktwolke aus dem Laserscanning lassen sich Anwendungsfälle ableiten. Eine Punktwolke ist kein „diskretes“ Modell, kein Plan. Das sind 3D-Messdaten. Erst das Experten-Know-how macht aus der Punktwolke eine intelligente Punktwolke.

… also ein g’scheites Briefing am Anfang?

Ganspöck: Genau, auch eine „g´scheite“ Bestellung. Die Beteiligten müssen zusammensitzen und wissen, was die anderen brauchen. Dieses Wechselspiel ist wichtig. Ich weiß mittlerweile zum Beispiel sehr genau, was der Herbert braucht, um gut modellieren zu können – und er weiß sehr genau, was er von mir bekommt. Deshalb können wir gute Konzepte erstellen und gut kalkulieren. Die Experten bei VALUED DATA BUILDING sind Leute aus den Bereichen Architektur, Vermessung, Facility Management. Sie stehen in gutem Kontakt mit Herstellern von Hard- und Software und denken konsequent weiter. So werden schon von Anfang an alle Anforderungen im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes nachhaltig beleuchtet.

Was sagen die Controller dazu? Rechnet sich BIM?

Reismann: Die Herausforderung bei diesem übergreifenden Thema ist, dass Kosten und Nutzen bei verschiedenen Beteiligten zu verschiedenen Zeiten entstehen. Da brauchen wir die Digitalisierung. Nur über die Digitalisierung bekommen wir die Lebenszykluskosten in den Griff. Es reden viele von Lebenszykluskosten, aber in Wirklichkeit wird dieses Thema noch nicht beherrscht. Es sei denn, du bist die ÖBB oder die BIG, die Wiener Linien oder die SIGNA. Diese Daten sind aber natürlich nicht Gemeingut.

Ergänzend muss man auch noch sagen, dass man jeden Schritt optimieren kann, aber auch muss. Wenn jetzt ein Schritt teurer ist, man dafür beim anderen Schritt ein bisschen sparen kann, ist es unterm Strich trotzdem günstiger. Es bringt nichts, wenn man bei jedem einzelnen Schritt den billigsten Anbieter nimmt. Ein Planer plant mir dann vielleicht etwas, das nicht effizient und günstig zu bauen oder zu betreiben ist. Geht man zurück zu BIM: Es kann schon sein, dass ein ordentliches Gesamtmodell am Anfang ein bisschen teurer ist. Die Kostenvorteile kommen später.

Wie definieren Sie BIM?

Peter: Nennen wir es VALUED DATA BUILDING. Ziel von BIM muss sein, vollständige und handwerklich tadellose Modelle zu erstellen und zu einer offenen Struktur zu kommen. Intelligente digitale Gebäudemodelle werden vollkommen selbstverständlich werden. In Zukunft wird es Modelle statt Pläne geben.

Ein kleines Beispiel: Vor vier Jahren hat in einer Landeshauptstadt ein Landesmuseum ein BIM-Modell bestellt. Man hatte ein bisschen Budget über. Also machen wir BIM. Gesagt. Getan. BIM wurde bestellt und geliefert. Drei Jahre später sollte durch uns ein Umbau geplant werden. „Super“, sagte man sich im Museum. Wir haben ein BIM-Modell, dafür haben wir X Euro bezahlt. Wir geben dem Architekten die Daten – und die Sache ist am Laufen. Doch dann kam das böse Erwachen. Die Modellstruktur entsprach nicht der österreichischen BIM Ö-NORM. Das vorhandene BIM-Modell konnte in dieser Qualität nicht für weitere Planungsschritte verwendet werden. Der Besteller hatte keine Ahnung, welche Anforderungen zu berücksichtigen waren. Wir konnten jedoch Teile des Modells übernehmen und den Rest aus der Scan-Punktwolke heraus normgerecht anreichern.

Viele glauben ja noch immer, dass BIM eine Software ist und kein Prozess. Die blenden einfach aus, dass sie den Prozess ändern müssen. 

Reismann: Was wir da beobachten, ist, dass die BIM-Prozesse von A bis Z nicht immer von den richtigen Leuten bedient werden. Aber neue Technologien, neue Anforderungen bedingen neue Expertise und die liegt oft im engen Zusammenwirken mit dem Vorhandenen. Da geht es um weit mehr als „Bestandsvermessung“ oder Tools, Hardware, Software. Da geht es um das Fachwissen von Architekten und Ingenieuren in Kombination mit den immer neuesten Tools. Also nicht „Komm her, mach mir das schnell auch noch mit!“, sondern um „Lass uns gemeinsam nachdenken, was wir wirklich langfristig brauchen und wer das am besten erfüllen kann.“

Wir müssen bautechnische Details erkennen, festhalten, modellieren und parametrisieren. Und die Softwareindustrie stellt die Werkzeuge bereit. Wir von der Wirtschaft müssen sagen, wo es langgeht. Die Software dient der Industrie. Die öffentliche Hand, international und national, sorgt für Standards. Und nicht umgekehrt, wie es leider bisweilen der Fall ist.

Mit BIM sollte es nicht mehr passieren, dass ich zum Schluss in der Ausführung ständig improvisieren muss. Es hebt absolut die Qualität der Planung – und zwangsweise auch die Offenheit. Wenn es im Modell nicht funktioniert, dann bekomme ich es in Echt auch nicht hin. Digital vor real. Die kommende Realität. Nutzen wir sie!