BIM ist nicht Hollywood

Potentiale und Illusionen. Von den einen als simple 3D-Modellierungssoftware missverstanden, von den anderen als ultimative Wunderwaffe überschätzt.

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Potentiale und Illusionen. Von den einen als simple 3D-Modellierungssoftware missverstanden, von den anderen als ultimative Wunderwaffe überschätzt.

Der Begriff BIM Building Information Modeling ist in der Baubranche angekommen. Doch was sich unter der Oberfläche dieses viel diskutierten Begriffs genau verbirgt, darüber gibt es noch Missverständnisse.  Dabei ist BIM sehr scharf definiert. „Sowohl international als auch in der Literatur wird BIM ganz klar abgegrenzt und durch die Level of BIM 1 ,2 und 3 eingeteilt“, erklärt Lars Oberwinter, Plandata. Durch die ÖNORM A 6241-2 ist der Begriff in Österreich sogar normativ festgelegt. „BIM ist weit mehr als nur 3D-Modellierung. Vielmehr geht es um die Information, die dahinter liegt“, hält Kevin Bauer, iC Consulenten, fest.

Grenzen

„Das Bild von einem Hollywood-BIM, das der Öffentlichkeit seit einigen Jahren verkauft wird – BIM installieren und wir können alle an einem Modell arbeiten – ist absolute Illusion – und wird auch eine solche bleiben“, mahnt Oberwinter zu mehr Realitätsnähe. Eine Kerbe, in die auch Strabag-Manager Reinhard Kerschner hineinschlägt. „Momentan gibt es nur konzern- eigene Insellösungen. Die Problematik sind die Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten“, bringt er es auf den Punkt. Oberwinter kann dem nur zustimmen: „Die Datenübergabe scheitert momentan oft daran, dass jeder mit unterschiedlichen Systemen arbeitet, die nicht aufeinander abgestimmt sind.“

Baustelle Standardisierung

Die Baustellen, an denen es zu arbeiten gilt, sind den Fachleuten sehr wohl bekannt. Bauer ist überzeugt, dass für den Austausch ein herstellerneutrales Datenformat unabdingbar ist: „Industry Foundation Classes (IFC) müssen sukzessive als offener Datenstandard forciert werden. Komplexe Projekte mit unterschiedlichen Fachplanungen können momentan noch nicht in einer Software abgebildet werden.“ Der IFC-Standard könne zu Koordinationszwecken zwischen den Gewerken genutzt werden. Dabei bleibe die persönliche Kommunikation ein wichtiger Bestandteil – „Wir dürfen uns trotz BIM noch unterhalten“, so Oberwinter.

Forschungsprojekte & Arbeitskreise

In einer Vielzahl an Forschungsprojekten und Arbeitskreisen wird intensiv an diesen Themen gefeilt. Der Plandata-Experte vertieft: „Auf Basis der Norm wird gerade ein Merkmalserver aufgebaut. Über diese Datenbank wird versucht, für alle Elemente einheitliche Attribute zu definieren. Eine solche Standardisierung würde einen sehr großen Schritt für den reinen Informationsaustausch über die Schnittstellen bedeuten.“ Matthias Artaker, Artaker CAD Systems, sieht BIM in erster Linie als Prozessthema: „BIM ist eindeutig kein Technologiethema. Der Erfolg von BIM hängt von einer bestmöglichen Vereinheitlichung der Prozesse ab.“

[caption id="attachment_10352" align="alignleft" width="341"]© cityfoto © cityfoto[/caption]

Produkt-Bibliotheken

Architekt Herbert Heidler sieht großes Verbesserungspotential in den von der Bauindustrie bereitgestellten Informationen über mögliche Materialien: „Planer benötigen unbedingt geeignete Herstellerprodukte, um effizient arbeiten zu können.“ „Die Hersteller haben die stark steigende Nachfrage bereits erkannt und reagieren entsprechend. Der Aufbau von Produkt-Bibliotheken mit Objekten in unterschiedlichem Detaillierungsgrad und Informationsgehalt ist in vollem Gange“, erklärt Artaker. Die größte Herausforderung sei, so Oberwinter, eine einheitliche Definition der Parameter und Strukturen, auf die sich alle Beteiligten, angefangen vom Planer bis zum Facility Manager, einigen müssen.

Internationaler Vergleich

Warum im internationalen Vergleich der BIM-Prozess schon viel stärker in der Bauwirtschaft integriert ist, führt Oberwinter auf mehrere Gründe zurück: „Sowohl die Planungskultur als auch die Vergabemodelle unterscheiden sich in Ländern wie den USA oder Großbritannien deutlich von den österreichischen.“ Die Qualität, mit der national gebaut wird, bedingt aber einfach auch eine aufwändigere Planung – dies merke jeder, der schon einmal eine amerikanische Türschnalle in der Hand gehabt habe. „Totalunternehmer können mit Closed-BIM-Lösungen die Schnittstellenproblematik zwischen den Gewerken vereinfachen. Die bei uns in Gewerke aufgeteilten Strukturen erschweren dies stark“, so Kerschner. Zudem halte sich die Bereitschaft zu Investitionen der öffentlichen Hand in Grenzen. Jedoch betont Artaker: „Das Thema hat besonders im letzten Jahr extrem stark an Fahrt aufgenommen.“ „Österreich ist anderen Ländern vom Verständnis für BIM teilweise weit voraus. Es gibt sehr gute Entwicklungen wie den Merkmalserver. Jedoch fehlt es an jeder Ecke an den finanziellen Mitteln, diese Konzepte detailliert auszuarbeiten und umsetzen zu können“, kritisiert Lars Oberwinter.

Chancen erkennen

Wichtig war den Experten auch, dass Auftraggeber den Mehrwert von BIM für sich erkennen und auch fordern müssen. Auf die Frage, ob es durch eine Forderung von BIM in Ausschreibungen zu einer Benachteiligung von einzelnen Unternehmen kommen könne, argumentiert Kevin Bauer: „Wir müssen uns fragen, ob wir einzelne langsame Unternehmen ausschließen und innovativ sind, oder ob wir auf alle warten und dadurch Entwicklungen ausbremsen.“ BIM wird auch als Chance für kleinere Unternehmen wahrgenommen, da hier die Strukturen nicht so komplex sind wie in großen Konzernen und so der Prozess leichter implementiert werden könne. Generell fehle es jedoch an der Bereitschaft zur Weiterbildung.

Abschließend kommt die Runde noch auf einen interessanten Punkt zu sprechen. Michael Neubauer, Chefredakteur ImmoFokus, fasst die Gedankengänge zusammen: „Momentan sind die Konzepte noch Prototypen, die für jedes Projekt neu geschnitzt werden müssen. Der Schritt aus den Kinderschuhen hin zu einem offenen Prozess, der Datenaustausch über alle Disziplinen und Lebenszyklusphasen ermöglicht, ist noch mit viel Arbeit verbunden.“


Was ist BIM

Das Building Information Modeling beschreibt einen Prozess. Ein Verfahren zur Erschaffung, Änderung und Verwaltung eines digitalen Datenmodells eines Bauwerks.


Was ist BIM nicht

BIM ist weit mehr als nur 3D-Modellierung. Aber auch keine Wundersoftware, welche auf Kopfdruck alle Informationen ausgewertet ausgibt.


Level of BIM

Die verschiedenen Entwicklungsstufen werden als Level of BIM definiert.

BIM Level 1: die übliche 2D und 3D Modellierung BIM Level 2: Parametrische Objekte werden mit Information hinterlegt und mit einer Datenbank verbunden. BIM Level 3: eine durchgehende Datensammlung über den gesamten Lebenszyklus mit einem offenen Datenaustausch zwischen allen Disziplinen


Level of Development (LOD)

Der LOD gibt Auskunft über den Detailierungsgrad des BIM-Models. Je nach Projektphase werden unterschiedliche Ansprüche an Informationsgehalt und Geometrie gestellt.


IFC

Die Industry Foundation Classes sind ein Datenstandard für die digitale Abbildung von Gebäudemodellen in Form von Geometrien und Eigenschaften. Entwickelt wurden die IFC von buildingSMART International, einer nichtstaatlichen Non-Profit-Organisation.


BIM Execution Plan

Durch den BIM-Prozess können nur Ziele erreicht werden, die vorher auch definiert worden sind. Darum müssen im Vorfeld Eckpunkte wie Erwartungen, Ziele, Personal, Prozesse, Datenaustausch, Detaillierungsgrad festgelegt werden.


BIM Dimensionen

3D: Die Basis des Prozesses ist eine dreidimensionale Modellierung. 4D: Das Modell wird mit Informationen zur Herstellungsdauer der einzelnen Bauteile und ihrer Zusammenhänge im Bauablauf, also den Faktor Zeit erweitert. 5D: Mit Kosten als Parameter kann unter Einbeziehung der Massen aus dem 3D-Modell eine detaillierte Kostenkalkulation erfolgen. 6D: Das Facility Management wird in den Prozess eingebunden und kann das Datenmodell für die Betriebsphase nutzen.


Merkmalserver

In einer Datenbank werden die Parameter von Elementen eindeutig und sprachlich unabhängig definiert. Die Bauteileigenschaften von BIM-Software-Anwendungen können dann auf die einheitlichen Parameter der Datenbank angeglichen werden.


Weitere Informationen

ÖNORM A 6241-2 Digitale Bauwerksdokumentation; Teil 2: Building Information Modeling

www.buildingSMART.de

www.freebim.at

André Pilling: BIM - Das digitale Miteinander: Planen, Bauen und Betreiben in neuen Dimensionen. Beuth 2016

Bauer, Kevin: Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit durch den Einsatz von BIM im Planungsprozess. Wien: FH Campus Wien, Diplomarbeit, 2016.

Fellner, Thomas: Baubetrieb und Baumanagement. Wien: Manz Verlag 2016.