Challenges von morgen

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Chancen & Risken. Steigen die Zinsen? Hat der Flüchtlingsstrom Auswirkungen auf den Immobilienmarkt? Was sind die größten Herausforderungen, die in den kommenden Jahren auf die Immobilienwirtschaft zukommen? Der ImmoFokus hat bei Immobilienprofis nachgefragt.

DIE FRAGEN

  1. Die Zinsen sind nun schon seit Längerem auf einem Rekordtief. Immer wieder wird davon gesprochen, dass die Zinsen demnächst anziehen werden. Wie bereiten Sie sich auf dieses Szenario vor? Ist die Angst vor einem Zinsanstieg begründet?
  2. Der Flüchtlingsstrom fordert ganz Europa heraus. Mit welchen Auswirkungen auf den Immobilienmarkt ist zu rechnen? ehen Sie in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen im internationalen Immobilienbusiness?
  3. Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen im internationalen Immobilienbusiness?

BREZOVICH StefanStefan Brezovich, Vorstand ÖRAG

  1. Auch wenn die FED eine Zinserhöhung nun wieder verschoben hat, erwarten wir diesen Schritt mittelfristig für die USA und mit Zeitverzögerung dann auch in Europa. Um die zT massiv verschuldeten Körperschaften nicht in größere Probleme zu bringen, wird der Anstieg voraussichtlich maßvoll und langsam erfolgen. Die ÖRAG setzt derzeit keine Fremdmittel ein; unseren Kunden raten wir aber, das aktuell noch so attraktive Zinsniveau bei Finanzierungen möglichst abzusichern. Der Immobilienmarkt wird auf steigende Zinsen zeitverzögert mit steigenden Renditen reagieren.
  2. Der Bedarf an (schon jetzt sehr knappem!) günstigem Wohnraum wird weiter zunehmen. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Flüchtlinge wird das besonders für die öffentliche Hand und Hilfsorganisationen eine große Herausforderung, da sich die meisten Flüchtlinge eine Wohnung nicht oder nur zu extrem niedrigen Kosten leisten werden können.
  3. Besondere Herausforderungen liegen zweifellos im lange erhofften, aber immer noch zu zögerlichen gesamtwirtschaftlichen Aufschwung in Europa. Schließlich braucht das verfügbare Kapital auch langfristige Nutzer (Mieter) in den zu erwerbenden Häusern. Weiters liegen Herausforderungen in voraussichtlich steigenden Zinsen und damit höheren Finanzierungskosten.
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Ettenauer Bruno, CA Immo CEO

  1. Dass die Zinsen wieder ansteigen werden, ist absehbar – die Frage ist nur, wann und wie stark. Angesichts des aktuellen Runs auf Immobilienprodukte von Investorenseite muss man sich natürlich die Frage stellen, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Als langfristiger Investor setzen wir unsere Mittel mit Weitblick ein: Unsere Investments sind so angelegt, dass sie auch nach einem eventuellen Zinsanstieg – mit all seinen Folgen – noch attraktiv sind. Das bedeutet: In hochpreisigen Märkten verkaufen oder halten bzw. selbst entwickeln. Letzteres setzen wir intensiv in Deutschland um, vor allem in Berlin und München, aber aktuell auch in Wien sind wir als Developer sehr aktiv. Wir haben keine Angst vor einem Zinsanstieg.
  2. Fakt ist: Der Immobilienmarkt wird durch Emigration und Immigration in seiner Nachfrage zunehmend verändert. Herausforderungen wie rapider Kulturwandel durch starke Migration, Integrationsprobleme und ev. zunehmende Jugendarbeitslosigkeit werden soziale Sicherheit zu einem maßgeblichen Faktor für Standortqualität machen. Standorte mit gut funktionierender Integration werden somit Vorteile haben.
  3. Politische Instabilität ist generell ein großes Risiko, das sich natürlich im Fall auch auf die Immobilienmärkte auswirken würde. Damit verbundene wirtschaftliche Schwankungen wie derzeit in China haben ebenso weitreichende Folgen. Derartige Szenarien kann man als Bestandshalter nur dadurch bestmöglich abfedern, indem man die Mietverträge möglichst langfristig verlängert und die bestehenden Mieter bestmöglich an die eigenen Häuser bindet. Dies wird vor allem im CEE-Raum eine unserer größten Herausforderungen sein.
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Michael Ehlmaier, EHL Immobilien

  1. In den USA scheint ein erster Zinsschritt/-anhebung noch dieses Jahr anzustehen, im Euroraum werden uns die niedrigen Zinsen voraussichtlich noch einige Zeit erhalten bleiben. Da aber davon auszugehen ist, dass auch die Euro-Zinsen irgendwann wieder steigen werden (was am langen Ende schon im Gange ist), gehen viele unserer Kunden dazu über, ihre Finanzierungen langfristig auf dem aktuell noch günstigen Niveau abzusichern.
  2. Abgesehen von der menschlichen Tragödie, die sich vor unseren Augen abspielt, wird der Flüchtlingsstrom einerseits starke Nachfrage nach geeigneten Immobilien für die kurzfristige Unterbringung der Flüchtlinge auslösen (Hallen, Pensionen, etc.). Mittel- bis langfristig wird der Zustrom an Migranten den Bedarf an Wohnimmobilien in den Städten sowie die Nachfrage insbesondere nach günstigem Wohnraum weiter steigern.
  3. Die große Herausforderung für die Immobilienwirtschaft wird mE darin bestehen, auf das sich ändernde Nutzerverhalten in den einzelnen Segmenten adäquat zu reagieren. So muss bspw im Bürobereich auf Heimarbeitsplätze und flexible Arbeitsplätze, im Einzel­handelsbereich auf die Online-Konkurrenz und im Wohnungsbereich auf die oben zitierten Migrationsbewegungen reagiert werden, und dies vor dem Hintergrund der global ab­laufenden Kapitalströme.
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Andreas Köttl, Vorstand der value one group

  1. Das Tief dauert immerhin schon seit Dezember 2008 an. Ich bin überzeugt, dass eine mögliche Anhebung sehr behutsam vonstattengehen wird. Die Finanzmärkte würden einen schnellen Schritt nicht verkraften und das zarte Pflänzchen der Konjunktur würde darunter leiden. Daher werden wir durchaus Zeit zur Anpassung haben. Ich bin sicher, dass eine gut aufgestellte, diversifizierte Unternehmensgruppe mit einer durchdachten Produktpalette die beste Basis bietet, auf Zinsanpassungen bzw. auf einen Anstieg adäquat zu reagieren.
  2. Es wird lebensnotwendig sein, Asylwerber möglichst früh in den Arbeitsmarkt und im Land überhaupt zu integrieren. Dazu gehört auch, geeigneten Individualwohnraum zur Verfügung zu stellen. Diese Anforderung wird neue, eigene Wohnprodukte hervorbringen. Städte werden wachsen und müssen trotzdem lebenswerten Raum bieten, sonst drohen langfristig soziale Konflikte und Unruhen. Der Immobilienmarkt muss darauf reagieren und ein entsprechendes Angebot schaffen.
  3. Es wird darum gehen, trotz aller Verdichtung den Lebensraum Stadt auch tatsächlich lebenswert zu gestalten. Wir müssen Mobilität ermöglichen, statt sie einzuschränken. Eine zentrale Zielsetzung muss sein, Stadtzentren autofrei zu machen, ohne dass dies als Einschnitt in die persönliche Freiheit, sondern vielmehr als Mehrwert empfunden wird. Die moderne, veränderte Arbeitswelt braucht neue Lösungen im Bereich der Büroimmobilien. Wir sollten davon abkommen, in den gewohnten, klassischen Segmenten wie Retail oder Büro zu denken, sondern uns auf neue, zeitgemäße Produkte konzentrieren, die aktuelle Trends aufgreifen - beispielsweise auch auf Sonderwohnformen, die etwa flexibles Wohnen auf wenig Raum auch für Familien ermöglichen.
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Michael Pisecky, S Real

  1. Ich gehe davon aus, dass die Zinsen in Europa noch längere Zeit sehr tief bleiben werden. Die hohe Staatsverschuldung und ein fehlendes Wirtschaftswachstum sind die Hauptgründe dafür. Durch das niedrige Zinsniveau können die stark gestiegenen Immobilienpreise und andere Belastungen zumindest zum Teil kompensiert werden. Wenn die Preise weiterhin stagnieren oder vielleicht sogar rückläufig sind, ist in einigen Jahren auch ein Zinsanstieg verkraftbar.
  2. Wir sprechen heute von rd. 1,2 Millionen Flüchtlingen für Europa. Bei über 510 Millionen Einwohnern in der EU sind das gerade einmal 2 Promille aller Einwohner. Wir bemerken zwar gerade, wie einfach es ist, die EU an den Rand der Handlungsfähigkeit zu bringen, ich bin aber Optimist und glaube daran, dass wir das meistern. Auf den Immobilienmarkt sollte der Flüchtlingsstrom -  mit Ausnahme vorübergehend der Gemeinden entlang der Hauptflüchtlingsrouten - kaum Auswirkungen haben.
  3. Diese liegt vor allem darin, Lösungen zu finden, wie man die Wünsche und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bevölkerung mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen und Normen sowie den damit einhergehenden steigenden Kosten in Einklang bringen kann.  Hier geht die Schere seit Jahren immer weiter auseinander und eine Trendwende ist derzeit noch nicht absehbar.

STADLHUBER ChristophChristoph Stadlhuber, SIGNA

  1. SIGNA hat sich bei den Immobilien-Projekten immer schon gegenüber den Veränderungen in der Zinslandschaft abgesichert und Vorkehrungen getroffen, um dieses Risiko – zum Teil sogar langfristig - zu minimieren. Deswegen sehen wir einem möglichen Zinsanstieg gelassen entgegen. Ohnehin sollte eine Immobilienfinanzierung niemals derart gestaltet sein, dass ein leichter Zinsanstieg schon zu Verwerfungen beim Projekt führt.
  2. Wesentliche Auswirkungen des Flüchtlingsstroms sind noch kaum abschätzbar und bedürfen einer gesamteuropäischen Lösung. Dennoch ist erkennbar, dass es, sofern viele dieser Menschen dauerhaft bleiben werden, einen erhöhten Bedarf an Wohnraum geben wird. Hier sind rasche private, aber auch öffentliche Initiativen gefragt.
  3. Die wirtschaftliche Stabilität sowie das aktuelle Zinsumfeld in Deutschland und Österreich werden uns in den nächsten Jahren eine steigende Nachfrage internationaler Investoren nach hochwertigen Immobilien bescheren. Das knappe Angebot wird in absehbarer Zeit einen nachfragegetriebenen Markt zur Folge haben. Durch anhaltend starken Zuzug in die Großstädte wird es außerdem eine Herausforderung bleiben, den notwendigen neuen Wohnraum auch herzustellen.

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Peter Ulm, 6B4

  1. Aufgrund der konjunkturellen Lage Europas ist mit großen Zinssprüngen kurzfristig sicher nicht zu rechnen, jedoch muss man mittelfristig auf Zinserhöhungen vorbereitet sein. Ich sehe hier kein Angstszenario, sondern eine Situation, die es gilt, in allen Businessplänen und Projektkalkulationen bereits jetzt einzupreisen. Dies gilt sowohl für die Zinskosten als auch für ein mögliches verändertes Verhalten von Investoren aufgrund der dann wieder gewonnenen höheren Attraktivität von Alternativveranlagungen.
  2. Der ohnedies schon große Bedarf an Wohnungen gerade in Ballungszentren wird weiterhin steigen, jedoch verbunden mit der Tatsache, dass die Herstellung von wirtschaftlichen Wohnräumen mehr denn je gefragt sein wird. Kurzfristig gilt es jedenfalls, für ausreichend Notquartiere zu sorgen.
  3. Im europäischen Umfeld erfordern das geringe Wirtschaftswachstum und stagnierende Preise eine erhöhte Aufmerksamkeit in der strategischen Unternehmensausrichtung, was sowohl Produkte als auch Regionen betrifft.

VCELOUCHPeter Vcelouch, Head of Real Estate & Construction CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati

  1. Derzeit ist – siehe die jüngste Entscheidung der US Fed – ungewiss, ob die Zinsen in naher Zukunft tatsächlich steigen werden. Einer gegenwärtig noch nicht seriös abschätzbaren Zinserhöhung kann nur durch sorgfältiges unternehmerisches Handeln begegnet werden. Wer seine wirtschaftlichen Möglichkeiten schon beim derzeit niedrigen Zinsniveau zur Gänze ausschöpft, wird bereits bei einer geringen Zinserhöhung die Belastbarkeitsgrenze erreichen oder überschreiten. Wo die Renditen kreditfinanzierter Wirtschaftsgüter – zB Immobilien – künftig nicht ausreichen, um Kredite auch bei höherem Zinsniveau zu bedienen, ist die Angst vor einem Zinsanstieg berechtigt.
  2. Erwartungsgemäß wird der Druck auf den Wohnimmobilienmarkt sowie auf kommunale Einrichtungen wie etwa Spitäler, Schulen, usw. vor allem dann steigen, wenn und sobald den Flüchtlingen Asyl gewährt wurde und sie sich – langfristig oder dauerhaft – in Europa niederlassen.
  3. Entlastung des Wohnungsmarktes; Überschuss an Büroflächen; Vermeidung von Immo­bilienblasen; Ökologisierung der Immobilienwirtschaft, etwa durch Steigerung der Energieeffizienz, Vermeidung übermäßiger Bodenversiegelung, etc.
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Ernst Vejdovszky, Vorstandsvorsitzender der S IMMO AG

  1. Wir haben bereits Ende 2014 begonnen, unsere Finanzierungsstruktur neu aufzusetzen, um das aktuelle, historisch niedrige Zinsniveau abzusichern. Wir haben für zwei Drittel unserer variabel verzinsten Kreditverbindlichkeiten Absicherungen für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren abgeschlossen.
  2. In Städten wie Wien und Berlin ist der Zuzug in den letzten Jahren ungebrochen hoch und die Prognosen für die kommenden Jahre sehen keine Trendwende. Insofern gibt es auch ohne Berücksichtigung der aktuellen Situation großen Bedarf an Wohnraum – die Nachfrage im Bereich leistbares Wohnen wird dadurch weiter deutlich steigen. Das wird sich mittelfristig auf alle Segmente am Wohnungsmarkt durchschlagen. Hier ist die Politik gefragt. Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, die den Wohnbau für Investoren attraktiv und die Wohnungen für Mieter leistbar machen.
  3. Bei kommerziell genutzten Immobilien geht es vor allem darum, Trends frühzeitig zu erkennen und umzusetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Am Büromarkt geht die Entwicklung einerseits immer stärker in Richtung Green Building und Zertifizierungen. Gleichzeitig müssen Büroflächen auch an die modernen Arbeitsstandards angepasst werden und immer flexibler werden: Moderne Lösungen wie Desk-Sharing, flexible Zeit- und Arbeitsmodelle und individuelle Raumangebote prägen den Büromarkt immer mehr.