City-Logistik – mit frischen Ideen in die Stadt

Der Warentransport innerhalb dicht besiedelter Gebiete gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ballungszentren kämpfen rund um die Welt gleichermaßen mit der Bewältigung der stetig wachsenden Flut an Warensendungen. Da insbesondere der B2C-Bereich immer wichtiger wird, ist eine Lösung für die reibungslose Abwicklung der Warenströme dringend notwendig. 

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Experten sind sich einig: Paketzustellungen in Ballungsgebieten werden dramatisch steigen. Wie lässt sich da ein Verkehrschaos verhindern? Was erwarten Logistiker und Investoren von einer Immobilie für City-Logistik – und wie sieht diese konkret aus?

Der Warentransport innerhalb dicht besiedelter Gebiete gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ballungszentren kämpfen rund um die Welt gleichermaßen mit der Bewältigung der stetig wachsenden Flut an Warensendungen. Da insbesondere der B2C-Bereich immer wichtiger wird, ist eine Lösung für die reibungslose Abwicklung der Warenströme dringend notwendig.

Die Ursachen für den Bedarf an (neuartiger) Citylogistik lassen sich im Allgemeinen auf zwei Punkte reduzieren: die anhaltende Urbanisierung und der Onlinehandel. Denn erstens ist allgemein bekannt, dass die Bevölkerung nicht nur wächst, sondern auch, dass es die Menschen vermehrt in Ballungsräume zieht. Kürzlich veröffentlichte Statistiken zeigen, dass Ende 2016 rund 75 Prozent der EU-Bürger in Städten lebten. Mit einem Trendwechsel ist nicht zu rechnen. So erwarten Experten von Eurostat, dass der Urbanisierungsgrad 2050 bei weit über 80 Prozent liegen wird.

70 bis 90 Prozent mehr Paketzustellungen

Der zweite Grund liegt im zunehmenden Onlinehandel. Betrachtet man die zugestellten Pakete pro Person, befindet sich Österreich im Mittel der EU Staaten (siehe Grafik). In absoluten Zahlen werden in Wien jährlich etwa 17 Millionen Pakete übermittelt. Vorreiter sind die Britischen Inseln und Deutschland mit mehr als 30 Paketen pro Person und Jahr. Und auch hier sind sich die Experten einig: Es ist ein starker Aufwärtstrend in Europa zu erwarten. Eine Studie von P3 und Cushman & Wakefield etwa berechnet für die nächsten vier Jahre einen Zuwachs von Paketzustellungen um weitere 70 Prozent. Bei Onlineverkäufen sei sogar mit einer Steigerung von 95 Prozent zu rechnen.

Damit Städte das zu erwartende Wachstum bewältigen können, besteht dringender Handlungsbedarf, um einem absoluten Verkehrschaos entgegenzuwirken. Die Stadt Wien ist, so wie viele andere europäische Städte, durch ihre historisch gewachsene Struktur in ihrer Flexibilität der Entwicklung eines Versorgungsnetzwerkes eingeschränkt. Diese geschichtliche Fessel verpflichtet um so mehr, frühzeitig eine Lösung zu finden.

Neue Widmungskategorie: Herausforderung für Bauträger

Im Zentrum Berlins gibt es z.B. weitaus mehr freie Flächen als in Wien. Die Stadt Wien muss sich also intensiv mit der zukünftigen Versorgung der Bewohner beschäftigen. Während in Berlin innerstädtische Baulose beinahe ausschließlich an Wohnbauentwickler gehen, arbeitet die Stadt Wien intensiv daran, die Versorgung aller bestehenden und geplanten Wohnungen sicherzustellen. Insbesondere durch die neue Widmungskategorie „Gewerbliches Mischgebiet“ – in gewissen Bereichen wird ein verpflichtender Anteil der Baukubatur (nicht Nutzfläche!) als Gewerbe- und Betriebsfläche vorgeschrieben – werden Bauträger gezwungen, sich mit der Verwertung dieser Flächen zu beschäftigen.

Um gewerbliches Mischgebiet optimal zu nutzen, und somit auch nachhaltige Attraktivität eines Standortes zu gewährleisten, entstehen vermehrt Kooperationen zwischen spezialisierten Entwicklern und der öffentlichen Hand. So arbeitet beispielsweise der auf Logistikimmobilien spezialisierte Entwickler GO ASSET Development GmbH gemeinsam mit der Stadt Wien und namhaften Wohnbauträgern an optimalen Lösungen für Stadtentwicklungsgebiete.

Design von Urban Logistik Hubs

Aber, wie soll die optimale, innerstädtische Logistikfläche aussehen? Beim GO ASSET Logistik Symposium wurden die Herausforderungen bezüglich City-Logistik von internationalen Experten vielschichtig beleuchtet. Eine passende Lösung für einen Standort zu finden benötigt Zeit und muss erprobt werden. Bedingt durch diverse Faktoren testen verschiedenste Stakeholder momentan unterschiedliche Lösungen. Diese reichen von innerstädtischen Hubs (z.B. DPD), über temporär als Lager genutzte Container (UPS), bis hin zu einer Zustellung mit Elektrofahrrädern. Um im Speziellen für Wien ein Netzwerk zur Verteilung der Pakete zu errichten, das auch die Paketmengen der Zukunft bewältigen kann, wird aktuell ein gemeinsames Konzept entwickelt.

Unumgänglich ist die Anbindung an ein hochrangiges Verkehrsnetz für jeden innerstädtischen Hub. Citylogistik muss tatsächlich in der Stadt erfolgen. Für ein funktionierendes Konzept darf die maximale Zustellzeit, selbst während der Rush-Hours, nicht mehr als eine halbe Stunde betragen. Um eine lückenlose und schnelle Versorgung sicherzustellen, müssen Sattelschlepper, teilweise auch in der Nacht, die Möglichkeit haben, Ihre Ware über kurze Strecken in den Hub zu bringen. Von dort aus werden ab den frühen Morgenstunden die Fahrzeuge für die Feinverteilung in mehreren Fuhren beladen. Zur finalen Abwicklung können dabei sowohl Lieferwägen mit Diesel- oder Elektroantrieb sowie Elektroräder zur Anwendung kommen.

Multi-Tenant Hubs

Es mag überraschen, aber die Nutzer der Hubs werden nicht ausschließlich Paketzusteller sein. Auch Retailer, die Onlinehandel betreiben und über ihr eigenes Distributionsnetzwerk verfügen, sehen vermehrten Bedarf an innerstädtischen Logistikflächen. Speziell reine Onlinehändler wie Amazon oder Zalando konkurrieren nicht mehr ausschließlich durch niedrige Preise, sondern insbesondere auch durch die Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Paketzustellungen. Beide werden in Zukunft vermehrt innerstädtische Logistikflächen benötigen. Dass Logistik auch immer mehr eine Kernkompetenz von vielen Retailern wird und sogar werden muss, beweist Amazon eindrucksvoll. Der Internetriese will europaweit bis 2018 rund 180 zusätzliche Verteilungszentren in Betrieb nehmen, um eine verlässliche Zustellung zu gewährleisten.

Nach Meinung der Logistikdienstleister kann die Erschließung der Großstädte nicht schnell genug erfolgen. Eine rasche und zuverlässige Zustellung wird von den Kunden nicht nur gewünscht, sondern sogar gefordert. Mit der heutigen Infrastruktur wird es jedoch immer schwieriger, den steigenden Andrang zu bewältigen.

Asset-Chance

Investoren stehen dieser neuen Untergruppe der Assetklasse „Logistik“ noch skeptisch gegenüber. Ein nicht etabliertes System wird immer mit einem erhöhten Risiko verbunden. Zu erwartende Verkaufspreise sind daher vergleichsweise gering. Dieses Defizit wird jedoch von erheblich höheren Quadratmeter-Mietpreisen kompensiert. Bezieht man beide Faktoren mit ein, resultiert dies sogar in einem deutlich besseren Endergebnis im Vergleich zu außerstädtischen Distributionszentren.

Die Ansprüche an die Logistiker sind hoch und wachsen weiter. Hier sind Entwickler, die öffentliche Hand und Zustelldienste aufgefordert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um unsere Großstädte schon heute „fit für die Zukunft“ zu machen.

Quelle: Fotolia