Das geht ins Ohr

Der richtige Ton. Gesundes Wohnen ist ein Trend, der aus der Immobilienbranche nicht mehr wegzudenken ist. Raumakustik kann zu einem angenehmen Wohngefühl beitragen, dies ist aber vielen noch nicht bewusst, erklärt Andreas Mühlmann, Klangforscher und Geschäftsführer von WV Sound music production.

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Der richtige Ton. Gesundes Wohnen ist ein Trend, der aus der Immobilienbranche nicht mehr wegzudenken ist. Raumakustik kann zu einem angenehmen Wohngefühl beitragen, dies ist aber vielen noch nicht bewusst, erklärt Andreas Mühlmann, Klangforscher und Geschäftsführer von WV Sound music production.

Gesundes Wohnen rückt in der Immobilienbranche immer mehr in den Mittelpunkt. Wie kann Raumakustik zu einem gesunden Lebensgefühl beitragen?

Andreas Mühlmann: Da muss ich gleich einhaken: „Gesund“ definiere ich als Tontechniker nicht, das ist ein medizinischer Begriff. Ich kann nur sagen, ob es angenehm ist oder nicht – wenn man sich wohl fühlt und es angenehm ist, dann ist es in dem Sinn auch „gesund“.

Welche Faktoren sind für ein angenehmes Wohngefühl ausschlaggebend?

Ein großer Aspekt ist der Lärm-Smog. Klimaanlagen, Lüftungsgeräusche von Laptops, Beamer usw. Man nimmt das eigentlich nicht wahr. Wie laut die Geräte wirklich sind, merkt man oft erst, wenn man sie abschaltet. Neue Geräte sind mittlerweile wesentlich leiser, das macht schon Sinn. Wie viel Lärm die Geräte machen, wird vom Hersteller auch angegeben. Ob die Werte wirklich stimmen, habe ich noch nicht nachgemessen – aber es kommt auch drauf an, ob die Geräte frei im Raum stehen und ob bzw. wie gut sie verbaut sind.

Ein weiterer Punkt ist aber auch die angesprochene Akustik: Wenn man sich miteinander unterhält und der Raum sehr hallig ist, muss man lauter sprechen, um die Verständlichkeit zu gewährleisten. Was ich auch herausgefunden habe, ist, dass Räume, die hallig sind, kühler wirken. Ein gedämmter Raum wirkt immer wärmer und angenehmer, das geht Hand in Hand.

Wie kann man diesen Hall verbessern?

Hall ist eigentlich Reflexion von glatten Oberflächen. Da reflektiert der Schall am besten. Wenn die Flächen mit Textilien behaftet sind oder eine haptische Oberfläche haben, wo der Schall sich bricht und somit absorbiert wird, ist auch der Hall geringer.

Bei Möbeln gilt zum Beispiel: Alles, was an Ecken oder Kanten platziert wird – dort wo sich der Schall bricht – ist von Vorteil.

Gibt es Materialien, die positiv dazu beitragen den Schall zu verbessern?

Ja, definitiv. Alles, was nicht komplett glatt, sondern strukturiert ist, zum Beispiel strukturierte Tapeten, kann den Hall reduzieren. Vorhänge vor den Fenstern sind sehr gut, weil Glas stark reflektiert. Aber auch Teppiche wirken sich positiv aus.

Im professionellen Bereich gibt es auch Absorber, die den Schall aufnehmen. Der wird dann nicht mehr reflektiert, sondern im Material „aufgenommen“. Diese bestehen aus eher weichem Material – zum Beispiel Schaumstoff. Je tiefer die Frequenz, desto dicker und dichter muss das Absorber-Material sein.

Reicht auch die normale Einrichtung aus, um die Akustik zu verbessern?

Normalerweise ja. Wenn irgendwo ein Teppich liegt oder eine Couch steht, das bringt einem schon sehr viel.

Hat die Raumtemperatur Einfluss auf den Klang?

Schallwellen sind schon abhängig von Luftdruck, Feuchtigkeit und Temperatur. Das ist im Wohnbereich aber kein Problem – egal, ob man 18 oder 25 Grad in der Wohnung hat.

Wie ist das mit den Böden? Gibt es da Unterschiede?

Das ist auch eine Frage von Körperschall. Der Boden steht unter Spannung und trägt den Schall weiter – ähnlich einer Membran. Naturholzböden absorbieren hier besser als zum Beispiel Laminat, das stimmt schon. Hier wirkt auch die Struktur der Oberfläche.

Heißt das, dass Holzbauten von der Akustik her besser wären als reine Betonbauten?

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Die Basis vom Holzbau ist sicher besser.

Spielt hier auch die (Decken-)Form des Raumes eine Rolle?

Generell gilt: Dort, wo sich der Schall brechen kann, ist es besser – Gewölbe wären beispielsweise vorteilhafter. Wenn man einen Würfel hat, wo jede Seite reflektiert, ist die Akustik katastrophal.

Setzt sich die Baubranche Ihrer Meinung nach genug mit dem Thema der Raumakustik auseinander – oder wird eher nicht so darauf geachtet, wie die Räume später klingen?

Ich denke, im hochpreisigen Segment natürlich. Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man sich im niedrig- oder mittelpreisigen Segment nicht allzu sehr damit auseinandersetzt. Man merkt schon, dass darauf nicht besonders Wert gelegt wird. Da stehen viele andere Punkte im Vordergrund.

Wie kann ich denn selbst herausfinden, ob die Akustik in meiner Wohnung gut oder schlecht ist?

Am leichtesten ist immer, in den Raum zu gehen, sich zu unterhalten und zu schauen, ob man das Gegenüber gut versteht. Oder ob es sich hallig anhört.

Genaue Messungen selbst durchzuführen wird eher schwierig. Es gibt aber viele Experten, Tontechniker oder Akustiker, die einem da weiterhelfen können. Dabei wird eine Schallquelle über einen Lautsprecher in den Raum eingespeist und über Messmikrofone wieder aufgenommen und auf Frequenzbändern genau dargestellt.

Gibt es No-Gos für die Raumakustik oder Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Die Lautsprecher von Flatscreens sind nicht zu empfehlen, sie geben den Ton nach hinten aus und die Wand dahinter reflektiert den Schall. Das wird zwar immer besser, aber externe Lautsprecher kann ich hier schon empfehlen.

Gibt es hier Unterschiede zwischen hochpreisigen und billigeren Produkten?

Ja, auf jeden Fall. Im Hi-Fi-Bereich gibt es nach oben hin da auch keine Grenzen. Irgendwann kann man aber keine Unterschiede mehr ausmachen – solange man nicht das Allerbilligste nimmt, kann man schon einiges daraus machen. In der normalen, digitalen Produktschiene im Consumer-Bereich sollte heutzutage nichts mehr rauschen – ansonsten hat man eventuell bei der Installation einen Fehler gemacht.

Ein Fehler, der oft gemacht wird, ist, dass die Lautsprecher falsch aufgestellt werden. Für ein bis zwei Personen ist die optimale Hörposition in einem Dreieck zu den Lautsprechern zu sitzen. Außerdem sollten sich die Lautsprecher in Hörhöhe befinden. Der Schall kommt direkt, man braucht weniger Lautstärke und es kommt zu weniger Reflexionen. Wenn sie – wie es häufiger vorkommt – in den Ecken montiert werden, dann sollten sie zumindest so ausgerichtet werden, dass sie wieder in Sitzposition zeigen.

Grundsätzlich muss man einfach in den Raum hineingehen und probieren. Die Akustik ist in jedem Raum individuell. Ein wirkliches No-Go gibt es hier nicht. Es ist jedem selbst überlassen, wie er sich wohl fühlt.

Kann der Körper Umgebungsgeräusche ausblenden? Ist man in der Lage, sich an Lärm zu gewöhnen – auch in Bezug auf das Surren von Kühlschränken oder Stadtlärm?

Der Körper kann Lärm sicher ausblenden, aber er ist ständig damit beschäftigt, den Lärm auszublenden. Somit bleibt irgendetwas auf der Strecke. Dabei ist das Lärmempfinden auch subjektiv. Ob man ein spezielles Geräusch als störend empfindet, kommt auch auf die anderen Umgebungsgeräusche an. Ist es komplett still, macht einen schon ein Uhrticken verrückt.

Wie viel Lärm braucht der Mensch, um sich orientieren zu können? Wo sind die Grenzen von zu viel oder zu wenig Lärm?

Absolut keine Reflexion ist für den Körper schlecht. Da sind wir schon eher in dem Bereich, wo ich auch tätig bin: die technische Durchführung im Klanginstitut der Firma echobell GmbH. Dort arbeite ich mit Thomas Chochola zusammen. Dabei geht es darum, wie der Körper generell mit Frequenzen – angefangen von Vibrationen bis hin zum hochfrequenten Bereich – umgeht. Zum Beispiel, welche Gehirnregionen angesprochen werden oder welche Frequenz die Atmung beeinflusst. Genaue Ergebnisse liegen noch nicht vor – was wir wissen, ist, dass gewisse Pulsationen die Selbstheilung, die Zellen und Zellschwingung anregen.

Das heißt, es geht in den gesundheitlichen Bereich und man könnte in einigen Jahren mit Klang das Wohlbefinden im Raum so steigern, dass sich der Körper auch besser regenerieren kann?

Genau, das ist vor allem für den Wellnessbereich sehr spannend.

Quelle: cityfoto
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