Der große Unsinn

Das optimierte Ganze fehlt. "Jeder, ob in der Planung, im Bau oder in der Errichtung optimiert sein Werk alleine. Damit haben wir lauter optimierte Einzelteile, aber wir haben nicht das optimierte Ganze", meint AluKönigStahl Geschäftsführer Ewald Müller als Manager im Gespräch mit dem ImmoFokus.

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Das optimierte Ganze fehlt. "Jeder, ob in der Planung, im Bau oder in der Errichtung optimiert sein Werk alleine. Damit haben wir lauter optimierte Einzelteile, aber wir haben nicht das optimierte Ganze", meint AluKönigStahl Geschäftsführer Ewald Müller als Manager im Gespräch mit dem ImmoFokus.

AluKönigStahl feierte im Vorjahr das 150- jährige Bestehen. Es gibt wenige Unternehmen, die 150 Jahre erfolgreich am Markt tätig sind. Was unterscheidet AluKönigStahl von anderen Unternehmen in Ihrem Segment?

Das Unternehmen hat – und das ist sicher ein USP – früh damit begonnen, unsere Partner, den Metallbau, auch auf der Akquisitionsseite zu unterstützen. Man hat im Unternehmen sehr früh erkannt, dass die Investoren – egal, ob diese aus dem Development kommen, institutionelle Anleger, Bauträger oder Familienbetriebe sind – in einer sehr frühen Phase technische und auch wirtschaftliche Information brauchen. Da geht es noch nicht um Verkauf, da geht es um bestmögliche Information – eine rein technische Abteilung, die nicht vom Verkauf gesteuert wird, sondern der objektiven technischen Betreuung der Letztentscheider dient. Zu dieser Gruppe bin ich gekommen und habe versucht, diese Philosophie, die man am Anfang nicht gleich wirklich versteht, zu inhalieren, und durfte diese Gruppe dann einige Jahre leiten.

Nachdem wir zuvor bereits die Lizenzrechte für Ungarn, Rumänien und Bulgarien hatten, haben wir 2004 von Schüco auch die Lizenzrechte für die ex-jugoslawischen Länder übernommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Schüco diese Märkte selbst betreut. Damals hat man gemeint, ich möge doch beim Aufbau dieser Länder die Verantwortung übernehmen, was ich auch gerne getan habe, damals als Geschäftsführer dieser Länder. 2006 wurde ich Österreich-Geschäftsführer. Seit 2012 bin ich im Vorstand.

Wir bilden selbst aus. Das ist einer unserer Erfolgsfaktoren. Obwohl der Fassadenbau ein absolutes Schlüsselgewerk in der Immobilienwirtschaft ist, gibt es dafür keine universitäre Ausbildung. Lassen wir die Zahlen sprechen: Bei einer gewerblich genutzten Immobilie entfallen rund 50 Prozent der Kosten im Normalfall auf Fassade und Haustechnik. Die Hälfte davon auf den Fassadenbau. Das muss man sich einmal vorstellen. Ein Gebäude mit 200 bis 250 Millionen Investitionsvolumen trägt eine Fassade um zig Millionen Euro und es gibt eigentlich niemanden, der den Bau einer Fassade universitär gelernt hat.

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Die Neuflächenproduktion ist ja praktisch eingestellt. Wie sehen Sie denn im Moment den Markt?

Naja, sagen wir einmal so, er ist extrem zeitverzögert. Ich kann mich an kein Jahr erinnern, in dem so wenig neue Projekte auf den Markt gekommen sind wie 2013 und 2014. Das sind Nachwehen von 2008. 2014 war meiner Erinnerung nach das erste Jahr, dass in Österreich Gewerbeimmobilien am Markt gefehlt haben. Und zwar so stark gefehlt, dass jetzt, wenn man sich die neuen Projekte anschaut, die auf den Markt kommen, offensichtlich der Markt schon wieder ein verschärftes Engagement rechtfertigt.

Mir fällt es ein bisschen schwer zu glauben, dass der Markt so reagiert, dass ich 2013 und 2014 fast gar keine Gewerbeimmobilien habe und 2015 eine Gewerbeimmobilie nach der anderen fertiggestellt wird. Die beginnen jetzt alle zur gleichen Zeit. Wie kann denn das sein? Der Markt kann es ja von heute auf morgen nicht verlangen? Also dann muss es schon auch ein bisschen andere Interessen geben, die den Markt beeinflussen. Ich glaube, dass dies stark mit der möglichen Finanzierung zu tun hat. Auch wenn die Banken die Kreditklemme immer wieder in Abrede stellen und von einer Nachfrageklemme sprechen. Die Unternehmer wollen kein Geld? Ich bitte Sie!

"Es geht immer nur um die kurzfristige Optimierung."

Ich glaube, dass die Immobilienwirtschaft so ein bisschen dem allgemeinen Trend folgt: Wenn es läuft, dann läuft´s, und wenn es einmal nicht läuft, dann steigen wir kräftig auf die Bremse und tun gar nichts. Die Branche folgt nicht immer den Zeichen des Marktes. Ich glaube, da stecken noch ganz andere Dinge dahinter. Die Immobilienwirtschaft baut doch nicht nur, weil die dahinterliegenden Eigentümer die Immobilie gerade nicht finanzieren wollen, aus welchen Gründen auch immer. Ich glaube, dass Bruno Ettenauer mit seiner CA Immo ein ganz ein gutes Beispiel dafür ist. Sobald ein größerer, meist aus dem Finanzierungsbereich kommender Shareholder dabei ist, ist man doch gewaltig auf die Bremse gestiegen. Ob das jetzt nur der Markt verlangt hat oder nicht, möchte ich so jetzt gar nicht beurteilen.

Welcher Auslandsmarkt hat für Sie das größte Potenzial?

Wir sind Lizenznehmer von Schüco und haben die Lizenzrechte in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und den ex-jugoslawischen Ländern. Im Vergleich zum österreichischen Markt reagiert der Markt in Südosteuropa sehr viel kurzfristiger. Die Märkte sind schneller weggebrochen, aber auch früher wieder zurückgekommen. Ich glaube, dass Rumänien für uns einer der hoffnungsreichsten Märkte ist, die wir betreuen dürfen. In Rumänien ist der Nachholbedarf noch immer riesig. Ich glaube aber, dass wir in Rumänien auf Dauer ziemlich glücklich werden.

… und in Serbien und Kroatien?

Serbien ist eine gute Geschichte. Belgrad wird in Zukunft eine immer größere Rolle im Immobilienmarkt in dieser Region spielen. Vielleicht noch nicht in den nächsten ein bis zwei Jahren. Belgrad ist die Metropole der Region. In Kroatien spüren wir, dass der Markt zurückkommt. Die Investoren haben nach 2008 die Produktion rasch aus dem Markt genommen und damit lange Nachläufer und hohe Leerstandsraten vermieden.

MMF_Ewald Mueller-7Was gibt es Neues beim Thema Fassade?

Ich glaube, dass das energetische Thema – auch wenn wir es nicht hören wollen – uns weiterhin bewegen wird. Transparenz und energetische Fassade sind kein Widerspruch. Ich bin überzeugt, dass man heute mit den neuen, durchaus transparenten Baukörpern energetisch optimiert herstellen kann. Die Gewerbe Haustechnik und Fassade haben Synergien, die beiden müssen nur mehr zusammenwachsen. Wir sprechen jetzt seit zehn Jahren von nachhaltiger Immobilienwirtschaft und betreiben sie nur rudimentär. Wir sprechen seit zehn Jahren von integraler Planung und stecken in Wahrheit in den Kinderschuhen. Wir brauchen jetzt Themen wie BIM, in der Hoffnung, dass sie das integrale Planen etwas vorwärts bringen. Ich bin überzeugt, dass dort noch sehr viel an Ressourcen liegt. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass viele Komponenten, die heute in der Haustechnik sind, zukünftig Komponenten der Fassadentechnik sein werden. Ich schließe auch nicht aus, dass heute Komponenten in der Fassadentechnik sind, die Komponenten der Haustechnik werden. Ich weiß nur, dass diese beiden Bereiche miteinander ein sinnvolles Gebäude ergeben können. Ich glaube, das ist auch der Weg, den die Fassaden- und Haustechnik zu gehen hat. Das heute noch sehr übliche Nacheinander, das kann es nicht sein.

Weil Sie BIM angesprochen haben. In Wahrheit sind es nur ein paar wenige Unternehmen, die BIM wirklich einsetzen …

Was ist denn BIM? BIM ist aus meiner Sicht nichts anderes als ein Werkzeug, ein gutes Werkzeug wohlgemerkt. Bei BIM müssen alle Beteiligten mitspielen, sonst funktioniert es ja nicht. Der Weg dorthin ist noch weit. Diejenigen, die BIM strategisch einsetzen, sprechen ja auch durchaus davon, dass es letztendlich auch wirtschaftlich eine Überlegung dahinter gibt. Diejenigen, die aber heute noch eher gewohnt sind, ausschließlich zuzuliefern, für die ist es ein zusätzlicher Aufwand.

Was ich jetzt sage, ist, glaube ich, überhaupt ein zentrales Problem der Immobilienwirtschaft. Jeder, der in diesem Segment, ob in der Planung, im Bau oder in der Errichtung tätig ist, optimiert dort sein Werk alleine. Damit haben wir lauter optimierte Einzelteile, aber wir haben nicht das optimierte Ganze. Ich frage mich: Muss ein Unternehmer die Kosten von BIM tragen, wenn es ihm keinen Vorteil bringt, aber sieben anderen, wenn er die Daten hineinpflegt? Muss es dann nicht auch eine wirtschaftliche Verlagerung geben, damit man diesen Unternehmer entlastet, damit BIM überhaupt eine reelle Chance hat? Dazu sind wir nicht bereit. Wir sind in Österreich mit unserem Denken nicht dazu bereit, Dinge in der Optimierung in ihrem Ganzen mit einem Weitblick oder einer Nachhaltigkeit – hier gebrauche ich das Wort „Nachhaltigkeit“ jetzt einmal anders – zu sehen. Also da stellt sich für mich schon die Frage, ob das wirklich nachhaltig ist und die Immobilienwirtschaft das wirklich verstanden hat.

Da schwingt aber ein kräftiges „Nein“ mit?

Wir leben von der Immobilienwirtschaft, da muss ich aufpassen, was ich jetzt sage. Aber ich sehe das durchaus so. Wir können uns alles schön reden, aber in Wahrheit wird es reduziert auf Kosten.

"Wir erkennen die Probleme. Wir kennen die Lösung. Aber nur, um ein paar Euro zu sparen, setzen wir die Lösung nicht um."

Wo geht das Haus der Zukunft hin?

Das Haus der Zukunft ist das Zero Waste, das Zero Energy House. Es kann aber nicht sein, dass wir heute über CO2-Zertifikate diskutieren. Jeder Mickey Mouse Betrieb braucht eines, aber Gebäude, die wesentlich mehr Energie verbrauchen, brauchen das nicht. Das ist Unsinn. Ich bin überzeugt, dass sich hier noch vieles verschieben wird. Es ist doch immer dasselbe Bild: Zuerst die Anforderung, die sich keiner leisten kann. Dann gibt es die Förderung. Nach der Förderung kommt dann irgendwann einmal die Forderung. Auf diese Forderung warten wir alle.

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Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Das betrifft zum Beispiel Aluminium im Wohnbau. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Unser Haus leidet. Der Werkstoff Aluminium ist im normalen Wohnbau im Fenster das mit Abstand wirtschaftlichste Produkt auf Lebensdauer. Aber: Die Kosten sind in der Investitionsphase geringfügig höher. Damit ist Aluminium einfach nicht unterzubringen. Stichwort Mietrechtsgesetz, Bauträgerauflagen: Es versteht doch jeder die Botschaft, aber es wird nichts geändert. Es geht immer nur um die kurzfristige Optimierung. Das ist ein großes Thema in der Immobilienwirtschaft. Der Nutzer ist noch zu schwach. Der Nutzer muss irgendwann auf die Barrikaden. Erst wenn der Druck der Nutzer groß genug ist, wird auch der Markt reagieren.

Da ist anscheinend der Leidensdruck noch nicht hoch genug?

Ich glaube einfach, dass sich der Nutzer noch mit viel zu wenig zufrieden gibt.

Ist das von Land zu Land verschieden?

Österreich und Südosteuropa unterscheiden sich maßgeblich. Wir reden von Bedürfnissen eines entwickelten Marktes. Diese gehen in Richtung Sanierung, Flächenwidmungen, optimale Flächen- und Energienutzung. Das sind unsere Themen, Themen, mit denen wir uns in der Immobilienwirtschaft beschäftigen.

In Südosteuropa gibt es Länder, in denen die Grundbedürfnisse noch ganz andere sind. Dort geht es um die Schaffung adäquaten Wohnraums, menschenwürdiges Leben und Arbeiten. Themen, die bei uns schon vom Tisch sind. Der Abstand aber wird immer kleiner: Die Anforderungen sind zum Teil noch andere, das muss man auch akzeptieren.MMF_Ewald Mueller-25

Gibt es schon Länder, in denen die Nutzer bereits mehr auf die Barrikaden steigen und gewisse Dinge einfordern?

Um ehrlich zu sein, der Aufholbedarf ist so groß, dass der Nutzer keine Kraft dafür hat. Wenn die Nachfrage so viel größer ist als das Angebot, dann muss ich nehmen, was ich bekomme. Wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, dann wird man schnell sehen, dass sich auch das Angebot an der Nachfrage orientieren muss. Vergleichen Sie einmal die Wohnsituation eines Kroaten mit der eines Österreichers. Wir jammern, dass die Quadratmeterpreise in Österreich für eine Wohnung zu hoch sind. Ob dies nun stimmt oder nicht, sei dahingestellt. Gehen wir aber bitte ins Detail. Natürlich sind die Wohnungen in Kroatien günstiger. Im Verhältnis zum jährlichen verfügbaren Durchschnittseinkommen sind sie deutlich teurer. Adäquates Wohnen ist in den SEE-Ländern, auch wenn es qualitativ noch nicht mit dem in Mitteleuropa mithalten kann, wesentlich teurer als bei uns.

Wir gehen mit unseren zukünftigen Generationen nicht gut um. Wir erkennen die Probleme. Wir kennen die Lösung. Aber nur, um ein paar Euro zu sparen, setzen wir die Lösung nicht um und geben unsere Hypotheken einfach der nächsten Generation weiter.