Der gute Mix macht`s

Wirtschaftsstandort. Die richtige Kombination aus Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Tourismus sind Garanten für den Erfolg.

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Wirtschaftsstandort. Die richtige Kombination aus Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Tourismus sind Garanten für den Erfolg.

Ende April war es so weit: Die Swarovski Kristallwelten in Wattens haben nach dem Umbau ihre Pforten wieder geöffnet. Rund 34 Millionen Euro hat Swarovski für den Ausbau in Wattens in die Hand genommen. Die Fläche wurde in den vergangenen 1,5 Jahren von 3,5 auf 7,5 Hektar mehr als verdoppelt, fünf Wunderkammern mit Hilfe eines internationalen Netzwerks an außergewöhnlichen Künstlern und Designern neu gestaltet. Seit der Eröffnung im Jahr 1995 besuchten die Kristallwelten den Angaben zufolge mehr als 12 Millionen Menschen. Die Sehenswürdigkeit soll künftig noch stärker als Ganzjahresdestination positioniert werden und jährlich bis zu 850.000 Besucher (derzeit 700.000) anziehen. „Wir unterstreichen damit das Bekenntnis zu unserer Heimat Wattens“, sagt Markus Langes-Swarovski, Mitglied des Swarovski Executive Board.

Deutliches Bekenntnis

Aber auch andere Unternehmen legen ein deutliches Bekenntnis zum Standort Tirol ab: Der schwedische Möbelriese Ikea etwa baut seinen Standort am Areal des Innsbrucker Einkaufszentrums DEZ aus. Die Verkaufsfläche wird um rund 5.000 Quadratmeter erweitert, dazu kommen 135 neue Parkplätze. Rund 27 Millionen Euro werden in den Ausbau, der im Spätherbst eröffnet werden soll, investiert. Der Südtiroler Seilbahn-Riese Leitner hegt für seinen Tiroler Standort Telfs ebenfalls Ausbaupläne. Investiert werden sollen zumindest zehn Millionen Euro, hat Leitner-Chef Michael Seeber vor kurzem angekündigt. Eine endgültige Entscheidung wird im Herbst fallen. Auf Tirol setzt auch der Südtiroler Schneekanonen-Hersteller TechnoAlpin, der in Volders ein neues Logistikzentrum errichten will.

Dem aktuellen Konjunkturbarometer der Wirtschaftskammer Tirol zufolge wollen 23 Prozent der Leitbetriebe in den nächsten Monaten wieder mehr investieren. Damit sei die Investitionsbereitschaft zwar leicht gestiegen, aber das aktuelle Steuerpaket und die ausbleibenden Reformen würden Verwirrung stiften und die Betriebe nach wie vor verunsichern, sagt dazu WK Tirol-Direktorin Evelyn Geiger-Anker. Demnach wolle ein Fünftel der Leitbetriebe deshalb die Investitionen sogar zurückfahren. Was fehle, seien klare Investitionsanreize, wie beispielsweise degressive Abschreibung oder eine Investitionszuwachsprämie.

Schretter, Reinhard"Industrie und Wirtschaft unterliegen schon heute den strengsten Richtlinien in ganz Österreich." - Reinhard Schretter, Präsident der Tiroler Industrieellenvereinigung

Licht am Horizont

Dabei lässt das Konjunkturbarometer „Top-Tirol“ sogar Hoffnung aufkeimen, so erreichte der Geschäftsklimawert der heimischen Unternehmen mit 34 Prozentpunkten den besten Wert seit der Konjunkturerholung 2011. Zum Jahreswechsel hat sich die Situation der Unternehmen durchschnittlich um elf Prozentpunkte verbessert, heißt es in der Umfrage unter 227 Tiroler Unternehmen. 44 Prozent der Leitbetriebe bezeichnen ihre aktuelle Wirtschaftslage gar als gut, nur sieben Prozent sind unzufrieden. Besonders die Industriebetriebe (58 Prozent positiv) und Tourismusunternehmen (51 Prozent positiv) sowie die exportierenden Firmen berichten von einer guten wirtschaftlichen Lage. Weniger optimistisch ist hingegen die Bauwirtschaft: Nur sechs Prozent der Bauunternehmen schätzen ihre Lage als positiv ein, neun Prozent sind in ihrer Eigenbetrachtung negativ.

Auch in den nächsten Monaten herrscht Optimismus, gehen doch immerhin 34 Prozent der Befragten von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung bis zum Sommer aus. Die verbesserte Wirtschaftslage sei allerdings nur durch die internationalen Rahmenbedingungen zu erklären und kein Erfolg der heimischen Politik, bremst WK-Präsident Jürgen Bodenseer die Euphorie. Die Steigerung gehe hauptsächlich auf den Export und hier insbesondere auf Deutschland zurück. Der Euro begünstige den Export zusätzlich und der zuletzt deutlich gefallene Rohölpreis würde die Rohstoffkosten senken. „Wir müssen darüber reden, wie wir die Betriebe dazu kriegen, zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen“, fordert Bodenseer.

Was aber macht den Wirtschaftsstandort Tirol so interessant? Ein Blick auf die Wirtschaftsdaten gibt die Antwort: Mit einem Bruttoregionalprodukt von zuletzt 36.800 Euro liegt Tirol im Bundesländervergleich hinter Wien, Salzburg und Vorarlberg auf Platz vier, eine Forschungsquote von 2,77 Prozent beschert den Tirolern Rang drei hinter Wien und der Steiermark. Relativ gut schneidet das Bundesland auch bei den Arbeitslosenzahlen ab: Mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent lag Tirol im Vorjahr deutlich unter dem Österreich-Wert von 8,4 Prozent. Zuwächse gibt es regelmäßig bei der Kaufkraft: diese kletterte im Vorjahr von 19.599 auf 20.020 Euro und liegt nur noch knapp unter dem Österreich-Schnitt von 20.369 Euro.

Bemerkenswert ist, dass nur 11,9 Prozent der zum Teil hochalpinen Landesfläche als Dauersiedlungsraum geeignet sind. Auf diesem nur rund 1.500 Quadratkilometer großen Siedlungsraum allerdings erwirtschaftet Tirol mit rund 365.000 Erwerbstätigen (Selbstständige und Unselbstständige) eine Wirtschaftsleistung in Höhe von über 25 Milliarden Euro. Bereits jetzt werde die angestrebte Industriequote von 20 Prozent überschritten, ist Reinhard Schretter, Präsident der Tiroler Industrieellenvereinigung zufrieden. Gegenwärtig beschäftigt die Tiroler Industrie mehr als 41.000 Mitarbeiter und erzielt einen Produktionswert von mehr als neun Milliarden Euro.

Bodenseer, Jürgen"Gerade KMU sind nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in den Tälern daheim." - Jürgen Bodenseer, Präsident WKO Tirol

Starke Faktoren

Für Bodenseer liegt die Stärke des Wirtschaftsstandortes vor allem im guten Mix aus Industrie, Gewerbe, Dienstleistung und Handel. Der Tourismus setze dem ganzen schließlich die Krone auf. Dazu komme die regionale Verteilung: „Gerade KMU sind nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in den Tälern daheim“, so Bodenseer. Auch die solide Finanzlage des Landes trage dazu bei, dass sich Tirol in einem nach wie vor schwierigen Umfeld weiter behauptet, ist Landeshauptmann Günther Platter überzeugt. Sollte die Wirtschaft stärker schwächeln als bisher angenommen, sei das Land daher flexibel genug, um ein Konjunkturpaket zu schnüren.

Ein weiteres schlagendes Argument für Tirol ist das Ausbildungsniveau der Mitarbeiter, zählt doch das Ausbildungsniveau in Tirol zu den höchsten in Europa. Dafür sorgen unter anderem mehr als zehn Höhere Technische Lehranstalten bzw. Kollegs, zwei Fachhochschulen und drei Universitäten sowie die Tatsache, dass auch die Lehrlingsausbildung dank des Engagements der Unternehmen auf soliden Füßen steht. Die Verflechtung der Bildungs- und Forschungseinrichtungen mit Unternehmen wird unter anderem durch mehr als zehn Branchennetzwerke, darunter sieben Cluster, getragen. In den Clustern spiegeln sich auch die Stärkefelder der Tiroler Wirtschaft wider – nämlich Life Sciences, Mechatronik Erneuerbare Energie, Informationstechnologien und Wellness.

Viele Förderungen

Um die Investitionslust zu steigern, bietet Tirol gemeinsam mit den Förderungen des Bundes ein breites Programm für Ansiedlungen, Betriebserweiterungen und Innovationen. So können beispielsweise in Nordtirol bis zu 15 Prozent, in Osttirol (Regionalförderungsgebiet) bis zu 25 Prozent der für KMU anfallenden Kosten gefördert werden. Zudem können in Osttirol auch Großunternehmen bis zu 15 Prozent unterstützt werden. Beispielsweise werden im Rahmen des Impulspakets Tirol Vorhaben, durch die besondere Impulse für ein nachhaltiges Wachstum und die Sicherung von Arbeitsplätzen erzielt werden sollen, gefördert: dabei handelt es sich um Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Werte (Patentrechteerwerb etc.). Die Mindestinvestitionssumme muss bei einer halben Million Euro liegen, das Maximum sind 30 Millionen Euro.

Der Zuschuss beträgt maximal fünf Prozent. In nationalen Regionalförderungsgebieten ist ein Aufschlag bis zu fünf Prozent möglich. Kleinunternehmen wird weiters bei Vorhaben, die eine wesentliche Verbesserung der regionalen Betriebsstruktur zum Ziel haben, unter die Arme gegriffen.

Lettenbichler, Josef,jpg"Weitere Belastungen für den Warentransport sind standortpolitisch höchst kontraproduktiv." - Josef Lettenbichler, IV-Geschäftsführer

Viel Handlungsbedarf

Wo Licht ist, ist aber bekanntlich auch Schatten. Und damit stößt auch am Wirtschaftsstandort einiges sauer auf: so hat Wirtschaftskammer-Chef Bodenseer bereits wiederholt das Chaos im Förderdschungel kritisiert und stattdessen zielgerichtete, koordinierte Schritte gefordert. Ein weiteres kritisches Thema neben der überbordenden Bürokratie ist für viele Betriebe der neue Gefahrenzonenplan, der vielerorts Firmenflächen als rote Zonen ausweist und so Erweiterungen verhindert.

Für wenig Freude hat auch die im Dezember im Landtag beschlossene Novelle zum Tiroler Naturschutzgesetz gesorgt. Durch sie werden unter anderem der Landesumweltanwalt weisungsfrei gestellt und Tabustrecken an Flüssen und Bächen ausgewiesen. Gleichzeitig soll aber auch der Ausbau der Wasserkraft und die Modernisierung bestehender Kleinwasserkraftanlagen erleichtert werden. „Industrie und Wirtschaft unterliegen schon heute den strengsten Richtlinien in ganz Österreich und sind dadurch im Wettbewerb mit anderen Regionen deutlich benachteiligt“, hatte Tirols IV-Präsident Schretter im Vorfeld gewettert. Die Novelle sei wiederum ein Musterbeispiel für golden plating, die zusätzliche Verschärfung von Gesetzen und Verordnungen, und würde Tirol als erfolgreichen Standort zurückwerfen.

Mautpläne werden abgelehnt

Wenig Freude hat die Industrie auch mit den Überlegungen zur Einführung einer flächendeckenden Maut auf Landes- und Gemeindestraßen. „Weitere einseitige Belastungen für den Transport von Waren sind standortpolitisch höchst kontraproduktiv und haben offenbar lediglich den Zweck, zusätzliche Millionen in die Landeshaushalte zu spülen“, so IV-Geschäftsführer Josef Lettenbichler. Diese neue Belastung führe weder zu einer Verlagerung auf die Schiene noch zu sonstigen verkehrspolitisch positiven Effekten. Zudem werde die heimische Wirtschaft in Tirol durch einen österreichweit einzigartigen Mautzuschlag für LKW-Fahrten auf Autobahnen zusätzlich belastet und dadurch benachteiligt.

Generell gehe es im Land nicht um den Erhalt von Arbeitsplätzen oder darum, wie die Konjunktur wieder in Gang gebracht werden könne, wetterte Bodenseer bei der Präsentation des Konjunkturbarometers. „Wir reden über die falschen Dinge: Es geht um neue Steuerabsaugideen, um die flächendeckende Lkw-Maut, wir verlängern die grünen Wochen und beschneiden durch die Ausweisung von Natura 2000- und Naturschutzgebieten den Lebensraum und die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Unternehmen. Wir sagen Nein zum Brückenschlag, aber Ja zu IG-Luft, um damit womöglich das sektorale Fahrverbot zu bekommen“.

[caption id="attachment_2307" align="aligncenter" width="200"]Brenner Basis Tunnel (BBT) Brenner Basis Tunnel (BBT)[/caption]

Weniger Bürokratie

Um den Standort auch für die nächsten Jahre abzusichern, sehen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung ein breites Betätigungsfeld: Neben dem Abbau von Bürokratie, die jetzt unter anderem mit langen und komplizierten Anlagebewilligungsverfahren, Auflagen und Strafen Unternehmen das Leben schwer mache, sowie dem Durchforsten des Förderungsdschungels ist dies auch die weitere Technologisierung und Industrialisierung Tirols. Unter anderem sollte der Bedeutung der Leitbetriebe für Export, Beschäftigung und Zulieferbetriebe durch deren weitere Stärkung Rechnung getragen werden.

Von großer Wichtigkeit sei auch der Brenner Basistunnel (BBT), der nicht nur als vorrangiges Infrastrukturvorhaben der Transeuropäischen Netze (TEN), sondern auch als europäisches Vorzeigeprojekt gilt. Mit dem offiziellen Tunnelanstich für den Hauptstollen im Innsbrucker Ahrental wurde vor wenigen Wochen eine neue Etappe in dem Monsterprojekt begonnen. Zehn Milliarden Euro wird der Tunnel nach aktuellen Schätzungen zufolge bis zur Inbetriebnahme im Dezember 2026 kosten, 700 Millionen Euro wurden bereits verbaut.