Die Angst der Politik vor dem mündigen Bürger

In einem sind sich die Regierungsparteien einig. Die Macht der in den jeweiligen Einflusssphären der Parteien agierenden gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften ist zu erhalten. Denn wer ist dankbarer als ein Neo-Mieter und Neo-Genossenschafter, der gerade eine günstige Wohnung ergattern und so den Bösen am privaten Wohnungsmarkt gerade noch einmal entkommen ist.

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Die Zinsen sind im Keller – und werden es in Zukunft auch bleiben. Was heißt in Zukunft. Wenn es nach Franz Schellhorn vom neoliberalen – und das ist nicht negativ gemeint - think tank Agenda Austria geht, dürften wir bald den Point of no Return erreicht haben, ab dem eine Rückkehr zu einer Politik steigender Zinsen aufgrund der hohen Staatsverschuldung und der dann damit verbundenen hohen Zinsenlast nicht mehr möglich sei. Ein Trostpflaster wäre wenigstens, wenn der Staat mit dem aktuell billigen Geld in die Zukunft investieren würde. Doch davon ist weit und breit keine Spur. Im Gegenteil. Demnächst sollen bei der Wien Energie 850 Beamte mit einem goldenen Handshake – die Rede ist von 80 Prozent des Letztbezuges und als Trostpflaster noch zweieinhalb Monatsgehälter extra dazu - in Frühpension geschickt werden. Das kostet extra – extra viel vor allem. In der Privatwirtschaft soll man ruhig länger arbeiten. Wien ist eben anders. Wäre das für die Früh-Pensionen aufzubringende Kapital nicht besser in einer aktiven Wohnbaupolitik aufgehoben? Ohne tiefgreifende Reformen wahrscheinlich nicht. In einem sind sich die Regierungsparteien einig: Die Macht der in den jeweiligen Einflusssphären der Parteien agierenden gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften ist zu erhalten. Denn wer ist dankbarer als ein Neo-Mieter und Neo-Genossenschafter, der gerade eine günstige Wohnung ergattert und so den Bösen am privaten Wohnungsmarkt gerade noch einmal entkommen ist. Dass das derzeitige System der Objektförderung zu einem Großteil den falschen Personenkreis unterstützt, ist der Politik schon seit langem egal, solange das eigene Klientel bedient werden kann. Da darf der Vorschlag vom Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, nicht das ganze Geld den Genossenschaften für den Bau von Mietwohnungen zu geben, sondern damit Privatpersonen beim Kauf einer Wohnung zu unterstützen, als Sensation gewertet werden. Wobei Blümel - so hat es den Anschein - von seinem Vorschlag selbst erschrocken ist, will er doch nur zehn Prozent der an die Genossenschaften überwiesenen Beträge umleiten. Warum nicht mehr – oder vielleicht gar alles? So weit darf man nicht gehen. Könnte doch glatt passieren, dass der Bürger mündig wird. Rund 60 Prozent der Österreicher leben im Eigentum. Der überwiegende Teil der restlichen 40 Prozent strebt danach. Auch wenn die Zinsen im Keller sind, die strengen Basel III Regelungen lassen so manchen Traum vom Eigenheim platzen. Die politischen Entscheidungsträger wären gut beraten hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen und finanziellen Möglichkeiten zu schaffen. Eine Subjektförderung wäre ein Weg. In meinen Augen DER Weg. Kein Weg aber führt an der Reform der Wohnbauförderung vorbei.