Die Kuchenschneider

Klein, aber oho. Oft lassen große Nachbarn kleine Länder verhungern – im Falle Österreichs ist das anders. Dort schneiden sich die Kleinen in vielen Bereichen ein ordentliches Stück vom Kuchen ab. Das gilt auch und besonders für den Bau- und Immobilienbereich.

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Klein, aber oho. Oft lassen große Nachbarn kleine Länder verhungern – im Falle Österreichs ist das anders. Dort schneiden sich die Kleinen in vielen Bereichen ein ordentliches Stück vom Kuchen ab. Das gilt auch und besonders für den Bau- und Immobilienbereich.

Der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR 1994 war für heimische Lebensmittelunternehmen im Vorfeld ein Horrorszenario. Man fürchtete ein Überrollen durch den großen deutschen Bruder, der mit – für heimische Begriffe – riesigen Stückzahlen billigst anbieten konnte. Die Konsumenten, so war die Befürchtung, werden nach der Marktöffnung zu jenem Produkt greifen, dass das Börsel am meisten schont – und die Österreicher werden vor die Hunde gehen. Die Geschichte zeigt: Das Gegenteil war der Fall. Die germanischen Produkte wurden oft zu Ladenhütern, auch, weil man hierzulande lieber zum vertrauten Namen griff. Rewe kann davon ein trauriges Lied singen. Und weil die Preise auch für österreichische Grundnahrungsmittel durch den EWR in den Keller rasselten (was heute gerne vergessen wird – ein Kilo Mehl oder ein Liter Milch kosten heute fast genauso viel wie vor dem Beitritt) wurde der Hang zum Patriotismus um einiges leichter. Und so kam es, dass Dom-Pudding der Vergessenheit anheimfiel, man aber Mannerschnitten in so gut wie jedem deutschen Supermarkt kaufen kann.

Mit Hirn und Geschick erfolgreich

Einen ähnlichen Siegeszug haben rot-weiß-rote Unternehmen aus dem Bau- und Immobilienbereich hinter sich – das zeigt auch die aktuelle „Projektentwicklerstudie Deutsche A-Städte“ von bulwiengesa, die die sieben größten deutschen Städte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart unter die Lupe nahm.

Volumenstärkster Projektentwickler ist die deutsche Zech Group mit etwa 680.000 Quadratmetern gefolgt von der NCC/Bonava mit 554.000 Quadratmetern Fläche und an dritter Stelle formart mit 432.000 Quadratmetern. Dann folgt schon die CA Immo mit 428.000 Quadratmetern. Im Bürosegment sind die Österreicher noch stärker: Die Zech Group belegt mit 285.000 Quadratmetern die Spitzenposition, dann wird’s mit der CA Immo mit 236.000 Quadratmetern und der Strabag mit 198.000 Quadratmetern schon ordentlich rot-weiß-rot.

Die Zahlen belegen den Sturm der Österreicher nach Deutschland. Und so ist es völlig klar, dass sich auch der Riese Immofinanz, der jetzt mit seinem CEO Oliver Schumy die CA Immo unter seine Fittiche genommen hat, nach seiner Portfolio-Arrondierung vor allem beim Nachbarn umtut. Bis Mitte 2018 soll das deutsche Büroportfolio auf eine vermietbare Fläche von knapp 200.000 Quadratmetern mit jährlichen Mieterlösen von bis zu rund 40 Millionen Euro wachsen. Die Investitionskosten für die Eigenentwicklungen betragen knapp 650 Millionen Euro.

Egal ob Innenstadtviertel…

So entsteht am ehemaligen Sitz des Gerling Versicherungskonzerns in Köln gleich ein ganzes Innenstadtviertel für hochwertigen Wohn- und Büroraum mit einer Nutzfläche von insgesamt rund 75.000 Quadratmetern. Es ist die größte deutsche Projektentwicklung der Immofinanz – und kein einfacher Job, denn die Bestandsgebäude stehen unter Denkmalschutz, das gesamte Quartier genießt einen Ensembleschutz. Das Gesamtinvestment in das Gerling-Quartier beträgt rund 400 Millionen Euro, der erste Bauabschnitt ist bereits fertig, der zweite soll dann Ende 2017 folgen.

Ein weiteres Engagement der Immofinanz findet sich im Düsseldorfer Medienhafen: Dort entsteht für trivago, den weltweit größten Hotelsucher, ein neues Headquarter. Die Investitionskosten belaufen sich auf rund 145 Millionen Euro. Das abgerundete sechsstöckige Gebäude wird im ersten Bauabschnitt rund 26.000 Quadratmeter Bürofläche bieten; die Fertigstellung ist für Mitte 2018 vorgesehen. Im zweiten Bauabschnitt können dann in einem 16-geschoßigen Gebäude gleich nebenan weitere Expansionsflächen mit bis zu rund 16.000 Quadratmetern realisiert werden. Die gesamten Investitionskosten belaufen sich dann voraussichtlich auf rund 200 Millionen Euro.

...oder ein ganzes Stadtquartier…

Die CA Immo betreibt aktuell mit Hochdruck die Entwicklung des neuen Stadtquartiers Baumkirchen Mitte in München. Auf dem rund 131.000 Quadratmeter umfassenden Areal im Münchner Bezirk Berg am Laim entstehen ca. 525 Wohnungen für etwa 1.200 Bürger sowie ca. 350 Arbeitsplätze.

Dagegen ist die Entwicklung am Mainzer Zollhafen mit 182 Ein- bis Fünfzimmerwohnungen fast schon Peanuts. Die CA Immo erstellt das Gebäude dort schlüsselfertig für einen von Aberdeen Asset Management verwalteten Immobilien-Spezialfonds.

In Düsseldorf hat man mit dem Büro- und Geschäftsgebäude LaVista zusammen mit seinem Schwestergebäude Belmundo den städtebaulichen Auftakt zum neuen Quartier BelsenPark gesetzt. Das Gesamtinvestment von CA Immo in diese Gebäude liegt bei ca. 50 Millionen Euro.

Die ehemalige Bahndirektion in Stuttgart – ein rund 13.400 Quadratmeter großes Areal unmittelbar am Bahnhof – wurde vor wenigen Monaten verkauft. Die CA Immo will damit die kontinuierliche Verwertung ihrer deutschen Liegenschaftsreserven sowie die Konzentration auf die Kernregionen Berlin, Frankfurt und München fortsetzen. Die Erlöse aus diesen Verkäufen fließen vor allem in die Entwicklung hochwertiger Büroimmobilien in den Kernmetropolen.

...die Österreicher haben oft die Nase weit vorn

Fad wird auch dem Immofinanz-Spin-Off Buwog mit mehr als 51.000 Bestandseinheiten in Deutschland und Österreich beim Nachbarn nicht; man hat seine Schwingen vor allem über die germanische Kapitale ausgebreitet: So will man zum Beispiel in den ehemaligen Geyer-Werken, der ältesten Filmfabrik Deutschlands, in Berlin-Neukölln gleich ein neues Stadtquartier errichten, das Wohnen und Arbeiten miteinander verbindet. Natürlich ist der Komplex schwerstens denkmalgeschützt; also wird die Umsetzung sicher kein Spaziergang. Ebenfalls in der deutschen Hauptstadt, genau in Berlin-Lichtenberg, begann vor Kurzem der Bau des Wohnungsprojekts „Das Lichtenhain“. Dort entstehen mehr als 200 Wohneinheiten zum Verkauf an Selbstnutzer und Kapitalanleger. In Berlin-Grünau wiederum startete der Bau des „Ankerviertels“ mit insgesamt 86 barrierearmen Mietwohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von 7.692 Quadratmetern, die sich auf insgesamt vier Gebäude verteilen.

Quasi „nebenbei“ erhalten in Braunschweig-Stöckheim 90 Wohnungen eine energetische Wärmedämmung; die Buwog investiert dort mehr als 1,7 Millionen Euro.

Auch die conwert ist natürlich in Deutschland umtriebig – und zwar so sehr und erfolgreich, dass sie sich ein deutscher Übernehmer, die Vonovia, einverleiben will. Sie wird daher in Kürze nicht mehr unter rot-weiß-roter Flagge segeln.

Architektur vom Feinstenfotolia_106386573_subscription_monthly_xxl

Auch die heimischen Baulöwen schlafen nicht: Da ist zum Beispiel die Strabag, die nicht nur weltweit bestens unterwegs ist – man baut mit rund 73.000 Mitarbeitern rund um den Globus – sondern beim germanischen Nachbarn nach Belieben wildert und fast schon im Monatstakt Unternehmen übernimmt. Die ersten großen Übernahmen erfolgten schon früh und es geht munter weiter. So holte man sich zum Beispiel 2011 gleich 100 Prozent der deutschen Josef Möbius Bau AG und baute damit das Engagement im Wasserbau weiter aus. Ein wichtiger Schritt erfolgte 2015, als die Strabag die deutsche Tochter Ed. Züblin ganz übernahm. Züblin zählt mit rund 14.000 Mitarbeitern und einer jährlichen Bauleistung von rund drei Milliarden Euro zu den führenden deutschen Baukonzernen und ist ihrerseits im Übernahmepoker aktiv. So wurde die Metsä Wood Merk GmbH, Tochter der finnischen Metsä-Gruppe, geschluckt. Züblin-Ziel ist es, mittelfristig im europäischen Ingenieurholzbaumarkt führend zu werden. Vor Kurzem wurde bekannt, dass auch der Axel-Springer-Neubau in Berlin von Züblin übernommen wird. Der Bau birgt allerhand Prestige, denn das spektakuläre Architekturkonzept von Rem Koolhaas soll durch ein mehr als 30 Meter hohes Atrium bestechen, das sich durch das gesamte Gebäude zieht und sich zum bestehenden Verlagsgebäude von Axel Springer hin öffnen wird.

Austrian Engineering

Heute gibt es kaum ein größeres Loch in germanischer Erde, wo nicht eine Schaufel der Strabag drinsteckt. Großbaustellen wie der Bahnhof Stuttgart 21 oder der Großflughafen Berlin-Brandenburg sind ohne Mitarbeit der Strabag nicht denkbar. Österreichs größter Baukonzern Strabag macht in Deutschland einen Umsatz von schätzungsweise fünf Milliarden Euro.

Man diversifiziert auch in Bereiche, die man nicht unbedingt mit dem Bauhandwerk identifizieren würde: In Leutenberg/Probstzella plant die WSK PULS GmbH, eine Tochtergesellschaft der Wiener Strabag SE, ein Wasserspeicherkraftwerk. Man will damit nach dem Vorbild des heimischen Malta-Kraftwerks eine „Grüne Batterie“ errichten, bei der überschüssiger Strom aus Sonne und Wind dazu verwendet wird, Wasser in den hochgelegenen Stausee zu pumpen. Wird Spitzenstrom benötigt, der sich teurer verkaufen lässt, lässt man das Wasser dann durch die Turbinen rauschen.

Auch die Porr hat vor einigen Jahren beschlossen, in Deutschland zu wachsen. Der Gesamtmarkt sei rund 300 Milliarden Euro schwer; und davon will man sich ein Scheiberl abschneiden. In Österreich ist Porr die Nummer zwei - mit reichlich Abstand zur Strabag: „Wir wollen 2016 unter den ‚Top Five’ der Baukonzerne in Deutschland sein“, gab Porr-Boss Karl-Heinz Strauss die Richtung vor. Er wollte schon 2014 die Produktionsleistung in den nächsten Jahren von 593 Millionen Euro auf rund eine Milliarde Euro steigern. Die ehemalige Tochter tat das – nämlich wachsen – schon seit Jahren und war nicht nur im Hotelbereich äußerst erfolgreich. Die Rechnung dürfte aufgehen: Die Porr ist am großen Zukunftsmarkt Deutschland im Hochbau für 2016 und wahrscheinlich auch 2017 voll ausgelastet, vermeldete Strauss, Chef des 15.000-Mitarbeiter-Konzerns, heuer.

Beim Nachbarn baut auch Swietelsky: Hier ist man auf den Straßenbau und vor allem schwierigere Einsätze spezialisiert und macht das, was man von einem Unternehmen mit alpinem Background erwarten würde, nämlich die Berge unter Kontrolle halten. So wurde in Oberstdorf eine Straße vor abstürzenden Felsen gesichert – Sprengung inklusive –, in Schwarzenfeld ein Hang gesichert. Und für die Deutsche Bahn wurden bei insgesamt sechs Tunnel über eine Strecke von rund 15 Kilometern Sanierungsarbeiten durchgeführt.

Quelle: Fotolia
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