Die Wellen der Wirtschaft

Aufschwung! Nachhaltig? Die Zahlen der heimischen Ökonomie deuten aktuell auf ein ordentliches Wachstum hin. Doch wie lange wird der Trend anhalten – und was sollte sich eine neue Regierung ins Stammbuch schreiben, damit der Aufschwung nachhaltig bleibt?

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Aufschwung! Nachhaltig? Die Zahlen der heimischen Ökonomie deuten aktuell auf ein ordentliches Wachstum hin. Doch wie lange wird der Trend anhalten – und was sollte sich eine neue Regierung ins Stammbuch schreiben, damit der Aufschwung nachhaltig bleibt?

Die ersten Anzeichen für frischen Schwung im heimischen Wirtschaftswachstum gab es Mitte 2016: Damals mehrten sich die Signale, dass Österreich endlich von der Kriechspur auf die Überholspur wechseln würde. Das Wachstum des realen BIP beschleunigte sich nämlich im Jahr 2016 endlich auf 1,4 Prozent, meldete die Oesterreichische Nationalbank. Bis dahin lagen die rot-weiß-roten Zahlen klar unter dem europäischen Durchschnitt: Seit dem Jahr 2011 grundelte das Gesamtwirtschaftswachstum jährlich bei unter einem Prozent, damit kam Österreich nur mehr auf Platz 15 in der Eurozone – und alles, was beständig wuchs, waren die Arbeitslosenzahlen.

Dann folgten weitere positive Signale in immer kürzeren Abständen. „Die Aussichten der österreichischen Wirtschaft haben sich für 2017 deutlich verbessert, das Wachstum Österreichs wird heuer erstmals seit 2013 stärker als das des Euroraums sein“, bestätigte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.

Nahe am Plafond

Aktuell erwarten die Nationalbanker für das dritte und vierte Quartal 2017 ein Wachstum des realen BIP von 0,7 Prozent bzw. 0,6 Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal). Für das Gesamtjahr 2017 ergibt sich damit ein Wachstum von höchst erfreulichen 2,75 Prozent. Damit revidiert die OeNB die BIP-Wachstumsaussichten für 2017 im Vergleich zur OeNB-Juni-Prognose gleich um 0,5 Prozentpunkte nach oben. Deutlich höhere Wachstumsraten wurden zuletzt nur in der Hochkonjunkturphase der Jahre 2006 und 2007 mit 3,5 Prozent verzeichnet.

Die Inflationsrate soll 2017 auf 2 Prozent steigen und in den Jahren 2018 und 2019 jeweils 1,8 Prozent betragen. Die Arbeitslosenquote erreichte zwar im Jahr 2016 mit 6 Prozent einen historischen Höchstwert, wird aber bis 2019 auf 5,4 Prozent sinken, stellen die Nationalbanker fest. Auch dem Budgetdefizit tut der Aufschwung gut: Der gesamtstaatliche Budgetsaldo soll sich bis 2019 weiter auf -0,5 Prozent des BIP verbessern. Die gesamtstaatliche Schuldenquote entwickelte sich 2016 erstmals seit Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder rückläufig und wird bis 2019 weiter sinken, meint die OeNB.

Industrie legt weiter zu

Ins gleiche Horn stößt man auch bei der UniCredit Bank Austria und ortet einen fortgesetzten Höhenflug der österreichischen Industrie. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im August auf 61,1 Punkte gestiegen und hat damit den höchsten Wert seit sechseinhalb Jahren erreicht. Seit fast zweieinhalb Jahren übersteigt der Index in der heimischen Industrie nun bereits die neutrale Marke von 50 Punkten, ab der Wachstum signalisiert wird“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Der aktuelle Industrieaufschwung hält bereits überdurchschnittlich lange an. Seit Beginn der Umfragen vor fast 20 Jahren gab es nur im Zeitraum zwischen Herbst 2005 und Frühjahr 2008, unmittelbar vor Beginn der Finanzkrise, eine noch etwas längere Wachstumsphase der heimischen Industrie.

Und so ist man sicher: Das Konjunkturhoch in Österreich dauert zwar an – aber der Zenit ist vorläufig erreicht. „Der Aufschwung der heimischen Wirtschaft setzt sich über den Sommer hinaus fort. Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator erreichte im August mit 3,3 Punkten den zweithöchsten Wert seit sechseinhalb Jahren“, erklärt Bruckbauer und ergänzt: „Der erstmalige leichte Rückgang des Indikators im Monatsvergleich seit eineinhalb Jahren dürfte jedoch darauf hinweisen, dass die österreichische Wirtschaft zu Herbstbeginn den Konjunkturhöhepunkt erreicht hat. Das Wachstumstempo wird vorerst nicht mehr weiter zunehmen.“

With a little help from my friends

Unterm Strich profitiert die österreichische Wirtschaft weiterhin vom Rückenwind aus dem Ausland. Das mit den österreichischen Außenhandelsanteilen gewichtete globale Industrievertrauen ist im August auf den höchsten Wert seit über sechs Jahren gestiegen. Dafür sorgt vor allem der stabile Aufschwung in Europa, der auf einem immer breiteren Fundament steht. Sowohl die großen Kernländer, wie Deutschland, Frankreich und Italien, als auch die Wachstumsmärkte Mittel- und Osteuropas sorgen für positive Impulse für die heimische Exportwirtschaft. Insbesondere in einigen österreichischen Nachbarländern, wie z.B. in Tschechien und der Slowakei, unterstützt die kräftige Konjunktur auch die Nachfrage nach Produkten „Made in Austria“. Darüber hinaus zieht die heimische Industrie weiterhin Vorteile aus dem anhaltenden Schwung in den USA sowie dem Aufwind in vielen Emerging Markets, wenngleich dieser nicht mehr an Stärke gewinnen dürfte.

„Die Unterstützung durch die internationale Konjunktur für die österreichische Wirtschaft erweist sich als nachhaltig und wird in den kommenden Monaten voraussichtlich stark bleiben. Allerdings wird sie kaum mehr weiter zunehmen. Zum einen gehen wir aufgrund der vorliegenden Daten von einer Stabilisierung des Welthandelswachstums bei rund 5 Prozent im Jahresvergleich aus. Zum anderen belastet die Stärke des Euros die heimischen Exporteure, wenn auch die diesbezüglichen Folgen überschaubar bleiben werden“, schätzt UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl die Lage ein. Die Exporte, die im ersten Halbjahr das Wirtschaftswachstum in Österreich unterstützt haben, werden trotz neuer geopolitischer Risiken, etwa der Nordkoreakrise, auch in den kommenden Monaten einen zumindest stabilen Beitrag zum BIP-Anstieg leisten können.

Der Knackpunkt

Entscheidend für die Konjunkturdynamik der kommenden Monate wird jedoch vor allem die weitere Entwicklung der Binnennachfrage sein, die im ersten Halbjahr 2017 mit rund 90 Prozent den maßgeblichen Anteil am starken Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent im Jahresvergleich in Österreich hatte. Aufgrund der hohen Exportorientierung der heimischen Wirtschaft besteht zwischen Exportdynamik und Investitionswachstum ein starker Zusammenhang, der angesichts der guten Exportkonjunktur auch in den kommenden Monaten eine schwungvolle Investitionstätigkeit erwarten lässt, so die Experten.

Der Aufwind bei den Bauinvestitionen sollte sich angesichts der guten Auftragslage weitgehend fortsetzen und auch der positive Trend der Ausrüstungsinvestitionen wird voraussichtlich kaum vermindert anhalten. Der private Konsum dürfte jedoch etwas an Tempo verlieren; die Impulse durch die Steuerreform des Jahres 2016 laufen aus. Die gute Beschäftigungsentwicklung wird angesichts einer im europäischen Vergleich hohen Inflation von durchschnittlich fast 2 Prozent im Jahresvergleich voraussichtlich nicht ausreichende Einkommenszuwächse ermöglichen, um dies vollständig zu kompensieren.

Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator signalisiert, dass die österreichische Wirtschaft zu Beginn des Herbsts die stärkste Wachstumsphase des laufenden Konjunkturzyklus erreicht hat. „Das Wachstumstempo wird in den kommenden Monaten hoch bleiben. Von der Auslandsnachfrage sind jedoch keine weiteren zusätzlichen Impulse mehr zu erwarten und so wird die Inlandsnachfrage, insbesondere der private Konsum, eine geringfügige Abflachung der Wachstumsdynamik verursachen. Nach dem stärksten BIP-Anstieg seit sechs Jahren von rund 2,5 Prozent im Jahr 2017 wird in der Folge das Wirtschaftswachstum 2018 voraussichtlich hinter dem diesjährigen Wert zurückbleiben“, erwartet Pudschedl.

Die österreichischen Einkaufsmanager sehen den kommenden Monaten jedenfalls optimistisch entgegen, ist man sich bei der UniCredit Bank Austria sicher. Nur 4 Prozent der Umfrageteilnehmer erwarten innerhalb Jahresfrist Geschäftseinbußen. Unterstützung soll die heimische exportorientierte Industrie weiter vom stabilen Aufschwung in Europa erhalten, auf den auch der Anstieg des Einkaufsmanagerindex der Eurozone dank Aufwärtsentwicklung in Kernländern wie Deutschland und Frankreich hinweist.

Flau am Bau?

Doch nicht in allen Bereichen zeigt sich der Aufschwung: Der Wiener Büromarktbericht von CBRE lässt Zweifel an seiner tatsächlichen Breite aufkommen. Zwar lag das Fertigstellungsvolumen mit rund 34.000 Quadratmetern im ersten Halbjahr 2017 deutlich höher als im Vergleichszeitraum 2016. Doch die Vermietungsleistung war mit 87.000 Quadratmetern um etwa 30 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – eine matte Sache. Die Leerstandrate sank zwar auf ca. 5,2 Prozent – aber aufgrund von geringer Fertigstellungsleistung. Ebenfalls nicht berauschend.

Der EHL-Geschäftsflächenbericht Österreich sieht mehr Schwung im Markt: „2017 verdoppelt sich die Neuflächenproduktion, 2018 wird das Volumen noch einmal deutlich steigen. Zudem war die Vermietungsleistung 2016 die höchste seit 2008“, meint EHL-Boss Michael Ehlmaier. Das Angebot am Markt nimmt jedenfalls deutlich zu: Die Neuflächenproduktion beträgt 2017 160.000 Quadratmeter und 2018 330.000 Quadratmeter. Die Renditen bleiben weiter unter Druck und liegen bei 4 Prozent für Spitzenobjekte, so der EHL-Geschäftsflächenbericht.

Amtsschimmel und Förderungsarabesken

Der neuen Regierung wird jedenfalls sicher nicht fad werden, wenn sie Österreich wieder nachhaltig an die Spitze bringen will. Denn international vergleichende Berichte und Rankings zeigen klar: Der laut wiehernde Amtsschimmel ist eine Bürde für das rot-weiß-rote Wirtschaftswachstum. So gaben im „Wirtschaftsbarometer 2016“ der Wirtschaftskammer gleich 57 Prozent der befragten Unternehmer an, dass eine massive Verwaltungsvereinfachung notwendig wäre, um Investitionen voranzutreiben. Und 52 Prozent meinten, dass die Verwaltungskosten eine Bremse darstellen. Tatsächlich liegen die Pro- Kopf-Verwaltungskosten in Österreich laut Eurostat-Zahlen bei 1.270 Euro und damit gleich satte 50 Prozent über dem EU-Schnitt.

Nicht zum Lachen ist auch die im internationalen Standortwettbewerb hohe Steuerbelastung: Laut Deloitte liegt Österreich bei der Körperschaftssteuer zwar fein im europäischen Durchschnitt, doch die hohen Lohnnebenkosten – immerhin mehr als 49 Prozent – lasten schwer auf dem heimischen Standort. Gewürzt wird das Ganze mit steuerlichen Ausnahmebestimmungen, die wie Arabesken durch den Kodex mäandern und auch von Profis nur schwer zu ergründen sind.

„Die Aussichten der österreichischen Wirtschaft haben sich für 2017 deutlich verbessert, das Wachstum Österreichs wird heuer erstmals seit 2013 stärker als das des Euroraums sein“, bestätigte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.