Diskretes Business

Mit Anfang Juni wurde die EHL-Bewertungsabteilung in eine eigene Gesellschaft, die EHL Immobilien Bewertung GmbH, ausgegliedert. Der ImmoFokus im Gespräch mit den Geschäftsführern der neuen EHL-Tochter Astrid Grantner und Wolfgang Wagner.

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Spin-off. Mit Anfang Juni wurde die EHL-Bewertungsabteilung in eine eigene Gesellschaft, die EHL Immobilien Bewertung GmbH, ausgegliedert. Der ImmoFokus im Gespräch mit den Geschäftsführern der neuen EHL-Tochter Astrid Grantner und Wolfgang Wagner.

Was waren die Beweggründe für die Neu-bzw. Ausgründung? 

Astrid Grantner: Ausgangspunkt für diese Neustrukturierung innerhalb der EHL-Gruppe war sicherlich das starke Wachstum der Bewertungsabteilung. Immerhin sind wir in den vergangenen Jahren zum Marktführer in Österreich aufgestiegen und für ein Geschäftsfeld in dieser Dimension ist eine eigene Gesellschaft fast schon eine Notwendigkeit.

Viel wichtiger als dieser strukturelle Aspekt ist aber, dass wir damit auch die Unabhängigkeit von anderen Unternehmensbereichen deutlich machen wollen. Unsere Gutachten werden State-of-the-Art und entsprechend unserer Markteinschätzung erstellt. Das bedeutet, dass wir zwar die Marktinformationen, die wir aus anderen Bereichen der Gruppe, etwa Investment, Vermietung oder auch Baumanagement, erhalten, natürlich nutzen, um unsere Bewertungen optimal an der aktuellen Marktsituation zu orientieren, aber die Interessen anderer Abteilungen spielen keinerlei Rolle.

Auch kann sich jeder Kunde 100-prozentig darauf verlassen, dass Informationen, die wir Bewerter bekommen, nicht an andere Gesellschaften der Gruppe weitergehen. Es gab diese „Chinese Walls“ schon immer, aber jetzt haben wir dafür gesorgt, dass sie auch nach außen hin unübersehbar sind. Bewertung ist ein diskretes Business und das gilt auch für die Außendarstellung: Wir sind selten in den Medien vertreten, denn man geht in unserem Geschäft nicht hinaus und verkündet, für welchen Kunden man gerade welches Projekt bewertet.

Wie unterscheiden Sie sich von der Konkurrenz. Wo liegt der USP? 

Grantner: In unserer Branche ist Größe ein wichtiger Qualitätsfaktor, da fast jeder Kunde sein Gutachten lieber gestern als morgen haben will – großer Zeitdruck ist bei uns nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In unserem Team haben wir zehn hochqualifizierte Bewerter, darunter zertifizierte Sachverständige und Chartered Surveyors, und da können wir, wenn es sein muss, die Erstellung eines Gutachtens auch sehr stark beschleunigen. Flexibilität und Servicequalität sind starke Argumente, die unseren Kunden sehr wichtig sind.

Wolfgang Wagner: Die Größe unseres Teams macht es auch möglich, dass wir neben der allgemeinen Bewertungskompetenz auch in allen relevanten Teilbereichen darüber hinausgehende Spezialkompetenzen aufbauen, denn natürlich hat jede Assetklasse ihre Spezifika. Auch die Kooperationen mit unserem Netzwerkpartner Savills werden von unseren Kunden sehr geschätzt. Diese ermöglichen es uns, auch Bewertungen außerhalb unserer Kernmärkte in der bekannter Qualität mit den für die Kunden gewohnten Ansprechpartnern anzubieten. Auch Kunden mit geographisch breit gestreuten Portfolios wollen ja, dass alle Bewertungen nach einem einheitlichen Schema und gleichen Kriterien erfolgen.

Wie sind Sie zu Immobilien gekommen? 

Wagner: Ich habe Raumplanung studiert und begonnen, nebenbei in der Bewertung zu arbeiten. Das war eine Phase, als es dafür noch keine spezifischen Ausbildungen gab. Seitdem bin ich der Bewertung treu geblieben.

Grantner: Ich komme aus den Naturwissenschaften und bin eher zufällig in einem auf Bewertungen spezialisierten Immobilienbüro gelandet. Und wie es so kommt, bin ich dann bei den Immobilien geblieben, auch weil der persönliche Einsatz sehr geschätzt wurde. Dann habe ich zwei Kinder bekommen und nach der Karenz an der TU Wien den Master „Immobilienmanagement und Bewertung“ studiert. Eine Zeit lang haben Wolfgang und ich auch schon vor unserem Wechsel zu EHL zusammengearbeitet.

Hat sich mit der Lehman-Krise die Bedeutung der Bewertung verändert?

Wagner: Lehman hat sicher eine Professionalisierung in der Branche angestoßen, denn die Investoren haben auch in Österreich Bewertungen nach internationalen Standards verlangt. Die bis dahin dominierenden Einzelkämpfer und Kleinbüros konnten diesen Anspruch nicht voll erfüllen.

Grantner: Auch das Thema Überbewertung ist viel relevanter geworden.

Nähern wir uns wieder einer Abwertungsphase? Wird zu hoch bewertet?

Grantner: Es ist wahnsinnig schwer zu beurteilen, in welcher Phase des Marktzyklus wir uns gerade befinden. Aber angesichts der Marktentwicklung der vergangenen Jahre wird man natürlich vorsichtiger und hört auch schon sehr leise Glocken. Das lässt einen vielleicht ein bisschen auf die Bremse steigen.

Wagner: Als Bewerter machen wir Stichtagsgutachten, die den Markt von heute abbilden und sich nur auf Werte von gestern beziehen können. Für die längerfristige Zukunft kann man nur Worst-Case-oder Best-Case-Szenarien identifizieren und allenfalls Wahrscheinlichkeiten nennen. Jedenfalls ist es für uns selbstverständlich, hier nicht einfach nur die Vergangenheit fortzuschreiben, auch wenn das bedeuten kann, dass wir damit viele Kunden in ihrem Optimismus bremsen.

Wichtig ist auch, sich bewusst zu machen, dass am Ende jedes Gutachtens zwar immer eine Zahl steht, aber dahinter wiederum steht eine hochkomplexe Berechnung. Die Komplexität eines Werts wird in den Medien zumeist nicht mittransportiert und auch in Kundenüberlegungen nicht immer voll berücksichtigt. Aber nur wenn man die Ausgangsgrößen und Bewertungskriterien kennt, kann man mit dem Ergebnis einer Bewertung wirklich etwas anfangen.

… aber eine einmal genannte Zahl bleibt im Raum stehen …. 

Wagner: Genau. Das ist das Problem. Viele Leute wollen direkt am Telefon oder bei der Besichtigung eine erste Bewertung. Hier muss man sehr vorsichtig sein. Wenn man einmal eine Zahl genannt hat, dann bleibt sie kleben. Wenn sich im Zuge einer sorgfältigen Bewertung herausstellt, dass ein Objekt entgegen einer Ersteinschätzung vielleicht nicht zehn, sondern bloß acht Mio. Euro wert ist, dann werden einem am Ende immer wieder die einmal genannten zehn Mio. vorgehalten. Daher sollte man sich auch nie zu einem Schnellschuss hinreißen lassen.

Haben Sie schon einmal einen Auftraggeber vor Schreck sprachlos gemacht? 

Grantner: Ich habe vorgestern erst zwei Gutachten abgeschickt, auf die ich bisher keine Reaktion bekommen habe. Ich glaube, das könnte schon auf eine gewisse Sprachlosigkeit hindeuten. Aber genauso oft liefern wir natürlich auch positive Überraschungen und ein Objekt wird von uns höher bewertet, als es der Kunden eigentlich erwartet hat. Man muss sich als Kunde aber immer bewusst sein, dass der Markt und nicht wir über den Wert einer Immobilie entscheiden. Wir haben diesen Wert nur festzustellen.

Tauscht man sich eigentlich mit Kollegen konkurrierender Unternehmen aus? 

Wagner: Das Verhältnis unter den Bewertern ist sehr gut, wohl auch, weil eigentlich niemand mit Auftragsmangel zu kämpfen hat. Jedoch tauscht man sich zwar über fachliche Themen, aber nie über ein konkretes Objekt aus.

Wie sehen Sie die PropTech? Braucht es noch eine persönliche Bewertung oder kann das mein Tablet bereits genauso gut? 

Grantner: In relativ homogenen Assetklassen mit vielen zu bewertenden Einheiten kann der Einsatz von Proptech durchaus sinnvoll sein, etwa bei der Bewertung von Eigentumswohnungen. Bei EHL decken wir aber eine weit größere Bandbreite ab. Die Immobilien stammen aus den verschiedensten Assetklassen, die Fragestellungen an die Bewertung sind unterschiedlich komplex und müssen einfach individuell beurteilt werden. Daher steht eine Bewertung mittels standardisierter IT-Programme aktuell nicht zur Debatte.

Wagner: Generell muss man festhalten, dass mathematische Modelle allein Sachverstand und Erfahrung nicht ersetzen können. Der Wert einer Immobilie kann von unzähligen Faktoren beeinflusst werden, die Bewertungssoftware einfach nicht korrekt berücksichtigen kann. Dazu sind standardisierte Programme zu unflexibel und das Ergebnis wäre auch intransparent.

Was raten Sie jemandem, der Immobilienbewerter werden möchte?

Wagner: Eine akademische Ausbildung ist heute eine unverzichtbare Basis. Sehr gut geeignet ist ein Master in Immobilienmanagement und Bewertung, wie er an der TU Wien erworben werden kann, an den Fachhochschulen kann man sich nur bis zu einem gewissen Grad spezialisieren. Und man sollte sich schon langfristig für diesen Beruf entscheiden, denn Erfahrung zählt hier einfach mehr als das tollste theoretische Wissen.

Sind Sie aktuell auf der Suche nach neuen Mitarbeitern?

Wagner: Wir sind immer interessiert an qualifizierten Bewerbern. Wichtig ist, dass sie sich wirklich für Bewertung begeistern. Bewertung besteht ja nicht primär aus der Besichtigung toller Objekte, sondern den Großteil seiner Zeit verbringt man mit Tabellen und Analysen am Computer. Irgendwie muss man wohl auch ein Excel-Freak sein, um auf Dauer mit Freude Immobilienbewerter zu sein.

Grantner: Die wichtigste Frage bei den Bewerbungsgesprächen ist immer, warum jemand Bewerter werden will. Dann will ich das Leuchten in den Augen sehen.