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Eine zunehmende Zahl von Firmen setzt auf die „New World of Work“. Doch Vorsicht. Kopieren allein macht nicht den Erfolg.

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Die Vorteile, die durch neue Arbeitsweisen für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter erzielt werden, sind jedoch enorm. Deshalb setzt eine zunehmende Zahl von Firmen auf die „New World of Work“. Doch Vorsicht. Kopieren allein macht nicht den Erfolg.

Vorreiter in Österreich sind Technologieunternehmen wie Microsoft, IBM, HP, Fujitsu und Ricoh. Diese Unternehmen und ihre Arbeitsmodelle stoßen auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. Die neuen Arbeitswelten sind jedoch ein industrieübergreifendes Thema. Insbesondere im Bankensektor arbeiten derzeit drei führende österreichische Bankunternehmen an der Einführung neuer Arbeitsformen. Ein Beispiel ist die Bank Austria, die eine schrittweise Weiterentwicklung der internen Arbeitsweisen gestartet hat. „Unsere Bank setzt auf neue zeitgerechte Betreuungsmodelle für unsere Kunden unter Nutzung modernster Technologien. Das wird sich auch in den internen Arbeitsweisen widerspiegeln“, so CEO Willibald Cernko. So richtig los mit NWOW wird es dann am neuen Standort am Nordbahnhof. Der Umzug ist für 2018 geplant. Durch ein Pilotprojekt mit 200 Mitarbeitern soll der Belegschaft die Scheu vor den großen Veränderungen genommen werden. Auch am Erste Campus wird an einer neuen Welt des Arbeitens gearbeitet. Auch die Führungsetage macht mit – wenn auch in einem eigenen Stockwerk. Wegweisend ist auch die New World of Work Initiative der AKNÖ. Mit der neuen Zentrale in St. Pölten halten auch Schritt für Schritt neue Arbeitsformen Einzug. AKNÖ-Direktor Helmut Guth sieht dabei auch einen Zusatznutzen für die eigene Beratungstätigkeit. „Es ist wichtig, die Potentiale neuer Arbeitsweisen und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer, diese zu nutzen, in der eigenen Kammerorganisation Schritt für Schritt zu erkunden. Über die eigene Erfahrung in unserer Organisation bauen wir zusätzliche Beratungskompetenzen zum Thema Neue Arbeitswelten auf“. Das Microsoft Office ist ein Paradebeispiel für das neue Arbeiten in Österreich. Das Microsoft Bürogebäude besitzt unterschiedlich große Räume, die verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden – kleine Besprechungsräume, Bereiche für Videokonferenzen oder größere Arbeitsbereiche für Meetings. Arbeitsteams können sich so nach ihren Bedürfnissen zusammensetzen. Wie bei einer Computerfestplatte, auf der Bereiche besetzt und später wieder freigegeben werden können, ist die Architektur der Arbeitsplätze nicht determiniert. Sie lässt sich weitestgehend auch nachträglich bezogen auf Raumgröße und -beschaffenheit an die Anforderungen der Mitarbeiter anpassen. Diese benötigen lediglich einen Laptop und ein Handy.

Showcase Microsoft

Das Microsoft Österreich Office bietet zudem architektonische Highlights: So verbindet zum Beispiel ab sofort eine Rutsche zwei Stockwerke; diese Art der Verbindung erleichtert nicht nur die Abstimmung zwischen zwei Ebenen, sie gilt auch als architektonisches Beispiel für die Offenheit des gesamten Gebäudes. Ein weiteres Highlight ist das Auditorium: Gestaltet wie ein klassisches Theater beinhaltet der schön gestaltete Raum Full-HD-Equipment, die Möglichkeit Audio und Video zu streamen und zahlreiche weitere technische Raffinessen. Das Office bietet aber auch einen eigenen Bereich für die Kinderbetreuung, einen Fitness-Bereich und sogar ein kleines Aufnahme-Studio.

Ohne Regeln geht es nicht

Doch die schönste Vision und die beste Infrastruktur können nicht optimal funktionieren, wenn es keine Spielregeln gibt. Daher haben wir mit allen Mitarbeitern neue Regeln entwickelt. Diese „Rules of Engagement“ sind ein Minimalset an Regeln, die für alle gültig sind. Einzelne Teams dürfen sie erweitern, aber nicht außer Kraft setzen. In regelmäßigen Abständen werden sie auf Basis der bisherigen Erfahrungen mit der Zusammenarbeit im Unternehmen angepasst und weiterentwickelt. Allein der Umbau des Büros hat vier Millionen Euro gekostet. „2011 sind wir in die neue Arbeitswelt umgezogen“, so Milo Schaap (Chief Operating Officer Microsoft Österreich). Die Rückmeldungen der Mitarbeiter auf die Neuerungen nach dem Motto „my office is where I am“ fielen extrem gut aus. Auch Führungskräfte, die zunächst einen Kontrollverlust befürchtet hätten, seien inzwischen von der Effizienz der Neuerungen überzeugt. Zur Gewährleistung der Produktivität gebe es ein Minimalset an Regeln. Diese Spielregeln seien nicht etwa geheim, aber schwer auf andere Unternehmen übertragbar, heißt es dazu bei Microsoft. Die Firma Ricoh zum Beispiel, ein Schweizer Unternehmen, das weltweit jährlich eine Millionen Drucker und Kopierer verkauft, hat ein weitreichendes Projekt gestartet, um die eigene Zukunftsfähigkeit aktiv zu erlernen: Living Office 2020. Start: Ricoh Ungarn. Ein 700-Quadratmeter-Büro mit zellenartiger Struktur für 60 Mitarbeiter wurde in ein 400-Quadratmeter-Großraumbüro getauscht, mit 33 mobilen Arbeitsplätzen. Der Rest arbeitet, von wo er will. „Nicht einmal ich habe mehr einen fixen Arbeitsplatz“, so Ricoh-Austria-CEO Michael Raberger. Lediglich an zwei Tagen in der Woche wurde fürs Erste definiert, dass alle im Büro sein sollten, ohne Termine. Im Büro gibt es drei schalldichte „Confidence Rooms“ für bis zu vier Menschen und drei „Collaboration Rooms“ für bis zu acht Personen. Konkrete Kostenersparnis: 65 Prozent. „Wobei hier auch eine Mietreduktion durch den Standortwechsel zu Buche schlägt,“ so Michael Bartz, der das Projekt begleitet, „in der Regel liegen die Einspareffekte durch die Mobilisierung der Mitarbeiter bei 20 bis 30 Prozent.“ Hinzu kommen die Produktivitätseffekte: Die Arbeitszeit steigt um 15 Prozent, die Krankheitstage fallen um 30 Prozent – zu Hause arbeitet es sich mit Schnupfen eher als im Büro, die Produktivität steigt um fünf bis 15 Prozent. Wo viel Licht ist, ist starker Schatten. Die Mitarbeiter kritisierten vor allem die eingeschränkte face to face Kommunikation durch die örtliche Distanz, so Raberger. Die größte Herausforderung bestehe also darin, die physischen Kontakte aufrechtzuerhalten. Ein Top-Beispiel für eine Umsetzung ist bei Google zu sehen. 250 Google-Mitarbeiter sitzen in Hamburg unweit des Gänsemarktes, also mitten im Zentrum der Hansestadt. Von außen sieht man dem Bürogebäude in der ABC-Straße nicht an, wer hier seinen Sitz hat. Stahl und Glas bestimmen die Fassade, ein modernes Haus unter vielen. Nur ein kleines Google-Logo in der Firmenliste am Eingang weist darauf hin, wer hier sitzt. Hat man Googles Räume aber erst einmal betreten, tut sich eine ganz andere Welt auf. Und die ist vor allem eines: sehr bunt. Jede Etage hat ein eignes Thema bekommen. Mal ist es Verkehr, dann sind Büros und Besprechungsräume beispielsweise in einer U-Bahn. Mal sind es andere Motive wie Strand oder Sport. Ein Raum ist gestaltet wie ein Hallenbad – inklusive Pool mit Schaumstoffwürfeln als Wasser-Ersatz. Natürlich gibt es auch recht normale und durchschnittliche Konferenzräume – aber ins Auge fallen logischerweise die ausgefallenen Ideen.

Dublin atrium

Mit seinen individuellen Büros und den vielfältigen Austausch-, Pausen- und Rückzugsmöglichkeiten in Form von originellen Besprechungsräumen, Rutschen, Spielecken, Massageräumen, etc. bietet das Unternehmen eine Varianz an Arbeitsmöglichkeiten im Dienste zweier Ziele: Innovation zu fördern und Werte zu schaffen. „Es ist der Arbeitgeber, der dafür sorgen muss, dass es den Mitarbeitern gut geht - unabhängig davon ob wir von Rutschen im Büro reden oder nicht“, erklärt der Jason Harper, Real Estate Project Executive bei Google Germany und in dieser Funktion für die Standorte des Internetriesen von Hamburg bis Nairobi verantwortlich. „Google-Mitarbeiter müssen nicht im Büro arbeiten, aber das Unternehmen schafft Anreize, damit sie gerne ins Büro kommen“, so Harper. Kreativität fördern. Denn wichtig ist, dass eine gemeinsame Kultur sowie spontane Begegnungen ermöglicht werden, die die Kreativität fördern. In ihren Büros dürfen die Googler sogar schlafen, denn das Credo lautet: Lieber 20 Minuten schlafen als müde arbeiten. Google sucht immer innerstädtische Standorte und Flächen für seine Büros, in denen auch die Einrichtung eigener Kantinen möglich ist. Den Mitarbeitern ein ausgezeichnetes Essen jeden Tag zu bieten, gehört nämlich ebenso zur Philosophie. Auf jedem Stockwerk finden sich Getränke und kleine Snacks. Und damit die Googler trotz leckerem Essen fit bleiben, gibt es jetzt ein Fitness-Center – mitten im Bürogebäude. Auffällig ist neben der verspielten Einrichtung vor allem eines: Bei Google läuft sehr viel über Videokonferenzen. Jeder der zahlreichen Besprechungsräume ist darauf eingestellt und es gibt ergänzend Einzelkabinen für diesen Zweck. Wer will, kann dafür natürlich auch am eigenen Platz sitzen bleiben. Mit wenigen Klicks kann man sich mit jedem anderen Videokonferenzraum von Google auf der Welt verbinden. Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland: „50 Prozent meiner Kommunikation läuft per Video“. Neue Geschäftsmodelle entstehen Büroflächen zur Verfügung zu stellen, sieht Alexander Strohmayer, Initiator der Neno Offices „als Teil der Sharing Economy. Schließlich bietet der 42-Jährige nicht nur Arbeitsplätze an, sondern die gesamte Büroinfrastruktur – vom Drucker bis zum Besprechungsraum – und die Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen. Die Entwicklung sieht Strohmayer erst an ihrem Anfang. „Sharing mit einem Leitsystem wie etwa beim Car-Sharing-Anbietern gibt es im Bürosegment noch nicht“, sagt er. Also ein System, bei dem die Benützer sehen, wo das nächste freie Auto steht. An einem flächendeckenden Netzwerk aus Shared Offices, Kaffeehäusern, Hotels oder WLAN-Spots arbeitet er. Denn die neue Welt des Arbeitens enthält alle diese Orte: Nur zu Hause zu arbeiten bedeute soziale Isolation, Cafés mit ihrer Geräuschkulisse wären kein idealer Platz für Meetings – Shared Offices seien Plätze, an denen man einzeln oder in der Gruppe produktiv sein könne. Im ORBI Tower verwirklicht Strohmayer auf 5 Etagen Europas größtes Shared Office. „Mit 5000 Quadratmetern sind wir da sicher die größten In Europa“, ist Strohmayer überzeugt. „Wir stellen diese Flächen sowohl Mietern des ORBI Tower als auch externen unternehmen zu Verfügung“.