Gebäudelebenszyklus

Das Leben der Immobilie. Der Gebäudelebenszyklus ist ein wichtiger Parameter, um ein Gebäude hinsichtlich Kosten und Investitionen optimieren zu können.

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Das Leben der Immobilie.

Der Gebäudelebenszyklus ist ein wichtiger Parameter, um ein Gebäude hinsichtlich Kosten und Investitionen optimieren zu können. Berechnungsmodelle sind sowohl bekannt als auch vielfältig – und in der Praxis weicht auch so manch gut gemeinter Ansatz gerne einmal etwas auf. Ein Blick auf den Status quo und die Zukunft.

Die wichtige Botschaft zu Beginn: Es gibt kein einheitliches Lebenszykluskosten-Modell. Je nach Norm oder Richtlinie, die man betrachtet, gibt es unterschiedliche Rahmenvorgaben, detaillierte Berechnungsvorgaben oder Angaben zu Rechnungsparametern, erläutert Bernhard Herzog, Partner bei Bauherren-Berater M.O.O.CON. Der Geschäftsfeldverantwortliche des Bereichs Gebäudeentwicklung und Leiter der Forschung & Entwicklung geht ins Detail: „Vorhandene Berechnungswerkzeuge referenzieren einzelne oder mehrere dieser Normen und Richtlinien. Wesentlich bei der Berechnung sind die Klarlegung der verwendeten Regeln und der Bezug zur jeweiligen Richtlinie.“ Die wesentlichen Blöcke bei den Betriebskosten sind entsprechend der ÖNORM B1801-2:

  • der technische Gebäudebetrieb
  • die Ver- und Entsorgung
  • die Reinigung und Pflege
  • sowie die Instandsetzung und Umbau.

Die größten Einflusstreiber auf diese Kostengruppen liegen jedoch woanders, betont Herzog, nämlich im Nutzerverhalten der Mitarbeiter beim Energieverbrauch und bei der Produkt- und Elementauswahl in Bezug auf die Lebensdauer im technischen Gebäudebetrieb, der Instandsetzung und dem Umbau. Eine umfassende Zyklusbetrachtung verfolgt auch Immobilienberater Andreas Gnesda. Für ihn umfassen die Gebäudelebenszykluskosten alle relevanten Positionen: Von den ersten Überlegungen zur Immobilienentwicklung über den Grundstücksankauf, die Errichtung inklusive sämtlicher Planer und Konsulenten, den Gebäudebetrieb bis hin zum Abriss und zur sortenreinen Trennung der verwendeten Materialien. „Rechnerisch lassen sich die Lebenszykluskosten am besten in einem Discounted Cash Flow-Verfahren ermitteln“, erklärt Gnesda: „In unsere Berechnungen fließen häufig auf Wunsch unserer Klienten weitere Kostenparameter wie beispielsweise bessere Prozessqualität, Zeitersparnis der Mitarbeiter und erwartete Produktivitätsgewinne mit ein.“

Bei FM-Dienstleister Facilitycomfort setzt Geschäftsführer Manfred Blöch nicht nur auf Kosten: „Wir betrachten generell den Impact, den ein Gebäude auf das gesamte Umfeld hat. Wir achten auf Qualität und Komfort für die Nutzer, auf Energie- und Ressourceneffizienz für die Umwelt, auf Kosten und Werterhalt für Eigentümer und Betreiber. Unser wichtigstes Tool sind unsere Bemühungen um eine „Voraussagende Wartung“ – Predictive Maintenance.“ Soll heißen: Wartungen und Instandsetzungen werden nicht mehr nach striktem Zeitplan durchgeführt, sondern dann, wenn sie nötig sind und im abgestimmten Zeitfenster, erläutert Blöch: „Die genaue Analyse der Anlagen- und Maschinendaten ermöglicht somit längere Laufzeiten und optimale Wartung, also höhere Produktivität.“ Für Gerhard Haumer, Geschäftsführer der Alpha & Partner Immobilien Consulting GmbH, stehen u.a. neben den Investitionskosten die laufenden Betriebskosten, der Nutzen für die Mieter und deren Kunden, die Anpassung auf geänderte Rahmenbedingungen und insbesondere die Berücksichtigung möglicher rechtlicher Rahmenbedingungen wie Auswirkungen von CO²- Fußabdruck oder Elektromobilität als Parameter im Analysefokus. Dann kommt aber schon das große „Aber“, denn, so Haumer: „Leider ist nach wie vor das gängigste Modell der Betrachtung des Gebäudelebenszyklus, dass dieser genau nicht berücksichtigt wird. Viele reden davon – am liebsten von den diversen Podien – in der Praxis ist die Projektentwicklung mit Berücksichtigung des Lebenszyklus jedoch noch immer eine Ausnahmeerscheinung.“ Speziell bei Projektentwicklern, die für den Markt produzieren und die Immobilien so schnell wie möglich verkaufen wollen, sei dies der Fall. Es gibt jedoch einen Silberstreif: „In Teilen werden speziell durch die Green Building Zertifikate einzelne Aspekte wie die Lebenszyklusanalyse, das Life Cycle Assessment und eine Ökobilanz in der Praxis vermehrt eingesetzt.“ Generell sind für den Alpha-Geschäftsführer aber je nach Assetklassen die jeweiligen Parameter unterschiedlich zu bewerten und in der Entwicklung, Planung und Realisierung gesamtheitlich zu implementieren.

Neubau versus Bestand

Wie unterscheidet sich die Lebenszyklusbetrachtung, wenn es einerseits um Neubauprojekte, andererseits um Modernisierung von Bestandsgebäuden geht? „Im Sinne einer systemischen modellhaften Betrachtung unterscheiden sich Neubauprojekte nicht wesentlich von Bestandsgebäuden“, ist M.O.O.CON-Experte Bernhard Herzog überzeugt: „Bestandsgebäude haben Bestandselemente in einem Rucksack aus dem bisherigen Leben und daher eine kürzere Lebensdauer als Elemente im Neubau. Demensprechend wirkt sich das Alter von Bestandselementen direkt auf die nächste Instandsetzung aus.“ Häufig wird für den Bereich der Bestandssanierung mittels technischem Gutachten aufwendig dargestellt, welche Elemente noch welche Restlebenszeit haben und in welchem Zeitabschnitt diese Elemente zu erneuern sind. Alpha-Chef Gerhard Haumer identifiziert zwei wesentliche Unterschiede: „Viele Ansatzpunkte, den Komfort und die Kosten über den Lebenszyklus entscheidend zu beeinflussen, setzen bereits beim Masterplan des Architekten an. Damit sind Neubauprojekte von Beginn an zielgerichtet zu begleiten. Bei Modernisierungen und Sanierungen hängt die Beeinflussbarkeit davon ab, wie weit vom Bauherrn in die Grundfesten des Bestandes eingegriffen werden kann bzw. darf. Der Umweltaspekt ist aber bei beiden Varianten ein wesentlicher Faktor.“ Facilitycomfort-Geschäftsführer Manfred Blöch verzeichnet in diesem Zusammenhang in letzter Zeit immer mehr die Nachfrage nach einer frühzeitigen Einbindung von Facility-Dienstleistern bei Planung und Errichtung sowohl bei Neubauprojekten als auch bei der Projektentwicklung durch die laufende Nutzungsänderung von Immobilien. „Einerseits freuen wir uns, unsere Erfahrung schon „auf der grünen Wiese“ in der Neubauplanung einzubringen, andererseits kann man sich bei einer bestehenden Immobilie bereits auf Daten des bisherigen Betriebs stützen.“ Mit einer frühen Einbeziehung des Facility Managers lassen sich Immobilienzykluskosten einsparen, ist Blöch überzeugt. Teamgnesda-Chef Andreas Gnesda will grundsätzlich unterscheiden, welche Kostenteile in die Berechnung einfließen: „Beim Bestandsobjekt ist zu hinterfragen, ob die seinerzeitige Errichtung und Anschaffung noch relevante Auswirkung in der Lebenszyklusbetrachtung hat. Schwierig ist der Umgang mit möglichen Verwertungserlösen von Bestandsimmobilien, die häufig der Errichtung neuer Objekte gegenüberzustellen ist.“ Die Einpreisung qualitativer Vor- und Nachteile sowie Auswirkungen auf das Kerngeschäft sind grundsätzlich zu hinterfragen und können die Ergebnisse sehr stark beeinflussen, glaubt Gnesda.

Blick in die Zukunft

Für M.O.O.CON Gebäudeentwicklungs-Spezialist Bernhard Herzog wird auch künftig ein wesentliches Kriterium bei der Berechnung der Lebenszykluskosten die Belastbarkeit von Daten und die Abstimmung des Rechenmodells mit den Stakeholdern des Projektes sein: „Die Wahl des Rechenmodells und die Auswahl der Parameter beeinflussen entscheidend das Ergebnis.“ Die Beschaffungsrichtlinien geben mittlerweile Raum für Kriterien zur lebenszyklischen Betrachtung von Produkten. Herzog: „Jetzt und auch in Zukunft wird wesentlich sein, wie belastbar die Daten der Anbieter hinsichtlich Langlebigkeit oder Wartungszyklen sind – und wie verbindlich.“ Eine Bündelung der Verantwortungen des Errichters und des Instandhalters eines Elementes würden hier die nötige rechtliche Verbindlichkeit und Klarheit im Betrieb von Objekten schaffen, ist der Gebäudeentwicklungs-Fachmann überzeugt. Vorausschauende Bauherren beschäftigen sich bereits heute mit dem Thema der CO²-Belastung durch die zu entwickelnde Immobilie, will Alpha-Geschäftsführer Haumer aus vergangenen Erfahrungen gelernt haben: „Die Politik wird sicher in den nächsten Jahren die Immobilie bzw. deren Besitz als nächste Steuereinnahmequelle entdecken und – siehe Auto – auch dort eine Umweltabgabe wie eine CO²-Steuer einheben. Die Frage ist weniger ob, sondern vielmehr wann – und dafür gilt es, sich bereits heute vorzubereiten.“ Eine wesentliche Entwicklung hat darüber hinaus gerade erst begonnen, so Haumer, indem man den Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozess mit digitalen Prozessen begleitet und dokumentiert. „Leider wird hier oftmals unstrukturiert über neue Technologien philosophiert, ohne über deren vernünftigen Einsatz mit den notwendigen Schnittstellen und Übergabestrukturen nachzudenken. Erst ist festzulegen, was der Kunde überhaupt benötigt, und dann der Weg dazu“, kritisiert der Alpha-Chef.

Für Andreas Gnesda werden qualitative Aspekte einen immer größeren Stellenwert einnehmen: „Letztlich geht es bei aller Kostenorientierung um den effektiven Nutzwert für Organisation und Menschen. Dafür müssen wir neue und zusätzliche Ansätze finden.“ Immobilien sind gebaute Kultur und stellen jedenfalls immer eine Intervention auf kultureller Ebene dar, so Gnesda: „Unsere Klienten wollen mit einer Immobilienentwicklung Kommunikation verbessern, Innovationskraft steigern, Identifikation stiften, mehr Leistungsorientierung erreichen, Werte wie Verantwortung, Vertrauen und Eigeninitiative fördern und die Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Diese Parameter haben ganz viel mit der Einstellung, Haltung und den Werten von Menschen zu tun.“ Er ist sicher, dass man in Zukunft Methoden entwickeln wird, die den Nutzen und die Wirkung von Infrastruktur auf Organisation und Mensch darstellen werden: „Denn darauf kommt es letztlich an.“ Facilitycomfort-Chef Blöch sieht in der Verwertung älterer Objekte einen immer wichtigeren Fokus – sei es als Revitalisierung und Neunutzung oder im Sinne eines Urban Minings. Denn, argumentiert Blöch: „So können auch am Ende des Lebenszyklus Entsorgungskosten eingespart werden.“ Immer stärker nachgefragt werden auch Dienstleistungen „Alles aus einer Hand“. Durch die ganzheitliche Betrachtung einer Immobilie reduziere man unnötige und fehleranfällige Schnittstellen zwischen einzelnen Dienstleistern und auch den Koordinierungsaufwand für den Immobilienbetreiber, ist der Facilitycomfort-Chef überzeugt.