Geil wie ein Bock – scheu wie ein Reh

Börsenweisheit. Kapital ist geil wie ein Bock und scheu wie ein Reh. Kaum irgendwo war diese alte Börsenweisheit so wahr wie bei Immobilienfonds. Aber wie „ticken“ diese Konstruktionen überhaupt?

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Börsenweisheit. Kapital ist geil wie ein Bock und scheu wie ein Reh. Kaum irgendwo war diese alte Börsenweisheit so wahr wie bei Immobilienfonds. Aber wie „ticken“ diese Konstruktionen überhaupt?

Wer vor fast genau zehn Jahren Immobilienfonds im Depot hatte, konnte seinen Nachtschlaf vergessen: Die Märkte spielten auch in diesem an und für sich sehr sicheren Bereich völlig verrückt.

Offene Fonds wurden geschlossen, weil die Anleger in Scharen verkauften und die Fonds ihre Immobilien nicht so schnell verkaufen konnten, um den Geldhunger zu stillen. Das führte zu steil fallenden Preisen auch beim Betongold. Zwar halten Fonds für den Fall, dass viele Investoren ihre Gelder abziehen, sogenannte Liquiditätspuffer in Bankguthaben, Anleihen und Cash – doch diese waren dem Ansturm nicht gewachsen. In manchen Fällen wurde die komplette Auflösung des Fonds beschlossen, einige Anleger verloren daraufhin manchmal mehr als 30 Prozent ihres investierten Vermögens.

Die nächste Keule traf die Besitzer von geschlossenen Immobilienfonds mit voller Härte und unnachgiebig – viele wurden wertlos und manche Anleger mussten sogar noch Kapital nachschießen. Erst dann sahen viele, dass das Anlageinstrument, das sie sich zugelegt hatten, nicht jenes war, das sie eigentlich haben wollten.

Denn die beiden Immobilienfondstypen unterscheiden sich grundlegend – gemein ist ihnen eigentlich nur das Hauptwort im Namen. Offene Immobilienfonds sind das, was man sich gemeinhin unter einem Investmentfonds vorstellt: Anleger kaufen Anteile an einer Gesellschaft – Kapitalanlagegesellschaft (KAG) oder Investmentgesellschaft – die wiederum das Geld der Anleger in ein Wirtschaftsgut investiert – in diesem Fall in Immobilien. So können auch Privatanleger schon mit kleinen Beträgen Investitionen in unterschiedliche Branchen, Regionen und Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Währungen oder eben Immobilien tätigen.

Unterschieden wird zwischen Publikumsfonds, die für Privatanleger konzipiert sind, und Immobilien-Spezialfonds, die sich ausschließlich an einen bestimmten Anlegerkreis, in der Regel institutionelle Anleger, richten. Bei Letzteren sind die gesetzlichen Regulierungen meist ein wenig lockerer, weil hier ja quasi Profis unter sich sind. Für den Einstieg sind auch größere Summen erforderlich.

Anders als beim Kauf einzelner Aktien, Immobilen oder Beteiligungsgesellschaften an Immobilien müssen Fondsanteilskäufer keine weiteren Anlageentscheidungen treffen, das macht die KAG, die dafür eine Managementgebühr erhält. Der Preis der Anteile, die meist börsentäglich ge- und verkauft werden können, hängt von der Wertentwicklung der Vermögenswerte im Investmentfonds ab. Der Wert des gesamten Fondsvermögens dividiert durch die Zahl der ausgegebenen Anteilscheine ergibt den Wert eines Anteils. Es hat keinen Einfluss auf den Preis, wenn neue Anteilseigner hinzukommen oder sich Anleger von ihren Anteilen trennen, da das Verhältnis des Fondsvermögens zur Zahl der ausgegebenen Anteile im gleichen Maße steigt oder fällt.

Macht die KAG Pleite, ist das Geld der Anleger als Sondervermögen geschützt, es wird im Konkursfall nicht angetastet, denn die Unternehmen oder Immobilien, an denen man die Anteile hält, sind ja nicht insolvent geworden.

Bei geschlossenen Fonds, auch geschlossenen Immobilienfonds, wird die Sache deutlich komplizierter: Bei diesem Konstrukt beteiligt sich der Anleger direkt an einem Wirtschaftsgut, er wird Miteigentümer. Die davorstehende Gesellschaft wird in der Regel als Kommanditgesellschaft (KG) gegründet und der Anleger ist dann als Anteilsinhaber Mitgesellschafter oder Kommanditist und Mitglied einer Risikogemeinschaft, auf Gedeih und Verderb. Ist das benötigte Kapital eingezahlt, wird der Fonds geschlossen. Die Anzahl der Anteile steht von Vornherein fest, sie werden auch an keiner Börse gehandelt. Wenn der Anleger sie loswerden möchte, muss er sich selbst einen Käufer suchen.

Die Konstruktion der geschlossenen Fonds ist schon sehr alt und reicht bis in die Renaissance zurück: Damals schlossen sich holländische Kaufleute zusammen, um ein Schiff samt Ladung zu finanzieren. Wurde die Ladung mit Profit verkauft, gab es Gewinn für alle. Ging das Schiff unter oder wurde es von Piraten gekapert, blieben die Geldbeutel leer. Alle Aufwendungen, wie jene für die Mannschaft, Proviant, kaputte Segel oder Reparaturen, mussten ebenfalls von den Anteilseignern bezahlt werden.

Probleme zeigen sich also, wenn etwas schiefläuft – die Immobilie zum Beispiel keine Mieter mehr findet oder die Mieten durch Marktbewegungen ins Bodenlose fallen. Dann bleiben nicht nur die projektierten Erträge aus: Die Fixkosten laufen natürlich weiter und müssen bezahlt werden – von den Eigentümern. Das ist im Zuge der Finanzkrise passiert und beschäftigt die Gerichte noch heute. Meist wird auf Beratungsfehler bei der Vermittlung abgestellt und die Anleger bekommen ihr Geld zurück.

Die niedrigen Zinsen machen Immobilien und auch Immobilienfonds als Anlage interessant: In Deutschland flossen 2016 knapp sieben Milliarden Euro in offene Immobilienfonds. In Österreich waren es knapp 1,1 Milliarden Euro. Dominiert wird der heimische Markt von nur zwei Fonds, die gemeinsam auf rund 75 Prozent Marktanteil kommen. Der Real Invest Austria der Bank Austria ist aktuell rund 3,4 Milliarden Euro schwer. Der Mittelzufluss ist enorm: Im März 2016 waren es 2,75 Milliarden Euro. Das zweite Schwergewicht, der Erste Immobilenfonds, legte im gleichen Zeitraum von 1,45 auf 1,64 Milliarden Euro zu.