Im Westen wenig Neues

Einkaufstempel. Kaum weiße Flecken und eine strenge Raumordnung bremsen die Neubau-Aktivitäten in Tirol.

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Einkaufstempel. Kaum weiße Flecken und eine strenge Raumordnung bremsen die Neubau-Aktivitäten in Tirol.

Verschönern statt erneuern, so lautet auch in Tirol die Devise der Betreiber von Einkaufs- und Fachmarktzentren. Denn auch in diesem Bundesland hat vor einigen Jahren die Raumordnung dem Wildwuchs an Shopping-Tempeln auf der grünen Wiese einen Riegel vorgeschoben. „Fachmarktzentren wurden damals mit Einkaufszentren gleich gestellt“, sagt Leonhard Pertl, Leiter der Projektentwicklung der Wegscheider Unternehmensgruppe. Sämtliche Handelsagglomerationen würden nun auch unter die Sonderflächenwidmung fallen – „damit hat man den Neubau de facto ausgeschaltet“, sagt Pertl.

Doch nicht nur die Flächenwidmung, sondern auch die Übersättigung hat neue Einkaufszentren-Projekte gleichsam ausgehebelt. „Es gibt in Tirol so gut wie keine weißen Flecken mehr, außer vielleicht bei Landeck“, sagt Roman Schwarzenecker vom Beratungsunternehmen Standort+Markt. Immerhin würden 22 Einkaufscenter mit einer gesamten Verkaufsfläche von rund 366.000 Quadratmetern um die Gunst der Kunden buhlen. „Der Marktanteil der Center am gesamten Handel liegt in Tirol bei 32 Prozent, österreichweit sind es 23,8 Prozent“, rechnet Schwarzenecker vor. Und mit einem Verkaufsflächenanteil von durchschnittlich 0,5 Quadratmetern pro Einwohner liegt Tirol ebenfalls leicht über dem Österreichschnitt von 0,44 Quadratmetern. Pertl führt noch ein anderes Argument ins Treffen: „Durch den Online-Handel geht der Flächenbedarf sukzessive zurück“.

Relaunches

Den bestehenden Einkaufszentren bleibt daher nur eines übrig: sich selbst immer wieder neu zu erfinden. Dies gilt etwa für den Innsbrucker Sillpark: Rund 20 Millionen Euro nimmt der Betreiber SES Spar European Shopping Centers in die Hand, um Aufenthalts- und Wohlfühlqualität des 1990 eröffneten Einkaufszentrums, das im Vorjahr rund 5,5 Millionen Besucher zählte, zu steigern. „Emotion in allem, was wir umsetzen – das ist unsere Devise für 2015“, bringt es Marcus Wild, Vorsitzender der Geschäftsleitung von SES, auf den Punkt. Unter anderem wird der Ankerbetrieb Interspar zum modernsten Hypermarkt Österreichs umgebaut, die angrenzenden Bereiche sowie die Zugänge aus der Tiefgarage werden attraktiviert und optimiert. Im Herbst soll das Refurbishment des Sillpark abgeschlossen sein.

„Shoppingcenter der Zukunft sind mehr als nur Orte zum Einkaufen“, sagt Wild. Diese Entwicklung forderte Shoppingcenter-Entwickler, sich in puncto Aufenthaltsqualität und Shops richtig aufzustellen. Erst 2007 war die Verkaufs- und Kundenfläche im Sillpark um einen 5400 Quadratmeter großen Zubau auf nun 29.500 Quadratmeter erweitert worden. Auch auf dem Areal des DEZ sind Baufahrzeuge aufgefahren: der schwedische Möbelriese Ikea erweitert seinen Innsbrucker Standort um rund 5000 Quadratmeter. Kostenpunkt: rund 27 Millionen Euro. Die Eröffnung der um ein Drittel größeren Ikea-Filiale soll im Herbst über die Bühne gehen. Und auch im DEZ selbst wird immer wieder Hand angelegt: erst vor wenigen Wochen wurden fünf der 118 Shops nach ihrer Neugestaltung wieder eröffnet.

PERTL DI Pertl_Leonhard_07"Fachmarktzentren wurden Einkaufszentren gleichgestellt - damit hat man den Neubau de facto ausgeschaltet." - Leonhard Pertl, Leiter Projektentwicklung Wegscheider Unternehmensgruppe

Gefragte Innenstädte

Und doch: ganz zum Erliegen ist der Neubau von Einkaufsflächen nicht gekommen. „Selektive Investments finden in den Ortskernen statt“, sagt Pertl und nennt in diesem Zusammenhang etwa Projekte wie das Kaufhaus Tyrol, die Rathaus Galerien Innsbruck, die Galerien Kufstein oder die Kitz Galleria. Der Trend geht eindeutig in Richtung gemischt genutzter Objekte: Bereits eröffnet wurde auch das Einkaufszentrum Kiss in Kufstein, in das die beiden Investoren Johann Höger sowie die Unterberger Immobilien GmbH etwa 30 Millionen Euro investiert haben. Oder das für Gastro, Shopping, Kino und Fitness genutzte M4 Wörgl.

Weitere Projekte sind in der Pipeline: Dazu gehört etwa das Projekt A2, ebenfalls in Wörgl, das neben Wohnungen und Büros auch rund 1000 Quadratmeter Einkaufsflächen bietet – Baubeginn soll spätestens im Frühjahr 2016 sein. Bereits in Bau ist das Kultur Quartier Kufstein. Rund 40 Millionen Euro investiert die Firma Bodner in das multifunktionale Objekt, das neben rund 2500 Quadratmetern Geschäftsflächen auch ein Theater mit 175 Sitzplätzen, ein Hotel, Eigentumswohnungen sowie Büro-, Kanzlei- und Ordinationsflächen beherbergen wird. Die Fertigstellung des „Kultur Quartier Kufstein“ ist für Mitte 2016 geplant.

Neuer Turm

Auch in Innsbruck wird bereits eifrig an einem weiteren gemischt genutzten Objekt gearbeitet: Im Herzen der Landeshauptstadt errichtet Pema-Eigentümer Markus Schafferer bis 2017 einen weiteren 50 Meter hohen Turm, der einen Mix aus Wohnen, Retail, Szenegastronomie und öffentlichen Begegnungsort darstellen wird. In das Projekt „Pema 2“, das einerseits für die direkte Verbindung der Innenstadt mit dem Stadtteil Pradl steht und andererseits als Tor zum neu entstehenden Stadtteil am derzeitigen Areal des Innsbrucker Frachtenbahnhofes dient, werden rund 60 Millionen Euro investiert. Genauso viel ist im Übrigen in „Pema 1“, den höchsten Turm der Innsbrucker Innenstadt, geflossen.

„Allerdings muss man sagen, dass auch schöne Einkaufszentren in der Innenstadt den Einkaufsstraßen das Wasser abgraben“, sagt Pertl. Um das zu vermeiden, seien parallel dazu Programme zur Attraktivierung derselben nötig. Man müsse dazu übergehen, die Einkaufsstraßen nicht mehr nur als Straßen, sondern auch als Kommunikationsräume anzusehen und diese entsprechend zu gestalten. Pertl: „Das reicht von der Zurücknahme der Fahrbahnen bis zur Straßenmöblierung“.

WILD Marcus"Emotion in allem, was wir umsetzen - das ist unsere Devise für 2015." - Marcus Wild, Vorsitzender der Geschäftsleitung SES

In der Warteschleife

Darüber hinaus ist noch das eine oder andere Projekt in Planung: so soll Spar demnächst in Kitzbühel mit dem Bau eines rund 5000 Quadratmeter großen Fachmarktzentrums beginnen. Nach wie vor offen ist die Zukunft des an der Dolomitenkreuzung in Lienz geplanten Kaufhauses Lienz. Mit rund 8500 Quadratmetern Verkaufsfläche wäre das seit Jahren heiß diskutierte Projekt fast doppelt so groß wie das Fachmarktzentrum in Nußdorf-Debant. Medienberichten zufolge hat Immobilien-Tycoon René Benko, dessen ICM Baumanagement GmbH bei diesem Projekt als Projektentwickler auftritt, erst vor kurzem rund 4,5 Millionen Euro für das Grundstück geboten.

Aber auch Möbel-, Elektro- oder Autohandel sowie Baumärkte treten immer wieder mit dem einen oder anderen neuen Standort in Erscheinung. So steht in Völs in der Nähe des Einkaufszentrums Cyta der Bau eines Baumarktes an, Baubeginn könnte noch heuer sein. Wurden bisher viele davon – genauso wie diverse Fachmarktzentren – ohne viel architektonisches Feingefühl errichtet, so zeichnet sich jetzt ein Trend zu mehr Optik ab. „Die Zeiten der Wellblechbuden sind vorbei“, sagt Pertl.

Kein Fachmarkt- oder Einkaufszentrum, sondern einen Wirtschaftspark auf mehr als 40.000 Quadratmetern hat die Wegscheider Unternehmensgruppe, die über Gesellschaften auch die Fachmarktzentren Westend und Kufstein Nord sowie das Plus Wörgl besitzt, im Talon: Derzeit befindet sich das Regio Park Tirol genannte Projekt in der Konzeptionsphase, die Umsetzung hängt auch von der Umsetzung eines neuen Autobahnanschlusses ab. „Bis das erste Bauwerk entsteht, wird es noch zwei Jahre dauern“, sagt Pertl.