Inflation im Euroraum setzte ihren Sinkflug überraschend fort

Teuerung im März nur noch bei 2,4 Prozent - Ökonomen hatten Rate von 2,6 Prozent wie im Februar erwartet - Volkswirt: "Quasi-Preisstabilität ist damit erreicht" - EZB-Zinssenkung in Sicht

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Inflation im Euroraum setzte ihren Sinkflug überraschend fort

Die Inflation in der Eurozone hat sich zum Winterausklang überraschend abgeschwächt. Damit rückt eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) immer mehr in Reichweite. Im März legten die Verbraucherpreise in der 20-Länder-Gemeinschaft nur noch um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten hingegen eine Teuerungsrate wie im Februar von 2,6 Prozent erwartet.

Die EZB, die eine Inflationsrate von 2,0 Prozent als optimales Niveau für die Wirtschaft im Währungsraum anstrebt, kommt mit den neuen Daten ihrem Ziel jetzt immer näher. "Der Inflations-Countdown läuft wie ein Uhrenwerk", kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, die Entwicklung. "Auf dem aktuellen Niveau ist eine Quasi-Preisstabilität erreicht, die vorerst halten wird." Aus Sicht der Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib der staatlichen deutschen Förderbank KfW bleibt das Abebben der Inflation aber eine mühsame Angelegenheit. Das Tempo des Lohnanstiegs habe sich etwas abgeschwächt. "Nur wenn diese positiven Entwicklungen Bestand haben und sich in hinreichendem Ausmaß in den Preisen widerspiegeln, dürfte die EZB die Voraussetzungen für eine erste Zinssenkung im Sommer als erfüllt ansehen", merkte sie an. Laut Bert Colijn, Volkswirt beim Finanzkonzern ING, ist es unwahrscheinlich, dass die EZB noch in diesem Monat handelt. "Wir glauben, dass die EZB im Juni mit einer vorsichtigen Zinssenkung beginnen wird."

Auch die Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, nahm im März weiter ab. Sie ging auf 2,9 Prozent zurück, nach 3,1 Prozent im Februar. Auch hier hatten Volkswirte einen geringeren Rückgang auf 3,0 Prozent erwartet. Von den Währungshütern wird dieses Inflationsmaß genau verfolgt, denn es liefert ihnen wichtige Hinweise zu den zugrundeliegenden Preistrends.

Zuletzt hatten die Stimmen unter den Währungshütern zugenommen, die von einer ersten Zinssenkung im Juni ausgehen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte unlängst auf einer Veranstaltung in Frankfurt gesagt, die EZB werde voraussichtlich auf ihrer Sitzung am 6. Juni basierend auf den Wirtschaftsdaten wohl ausreichend Sicherheit haben, um über eine erste Zinssenkung zu entscheiden. Sie wies darauf hin, dass dann neben wichtigen Daten zur Lohnentwicklung auch neue Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte vorliegen werden. Wie der Weg danach gestaltet werden solle, stehe nicht fest.

Für das nächste Zinstreffen kommende Woche in Frankfurt am 11. April gehen die meisten Volkswirte davon aus, dass die Euro-Notenbank ihre Füße erneut stillhalten wird. Die EZB hält bereits seit September angesichts der rückläufigen Inflation den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent.

Die Energiepreise gingen in der Eurozone nicht mehr so stark zurück wie noch in den Vormonaten: Sie fielen im März gegenüber dem Vorjahresmonat nur noch um 1,8 Prozent. Im Februar war der Rückgang noch bei 3,7 Prozent gelegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak stiegen dagegen im März um 2,7 Prozent an nach einem Plus von 3,9 Prozent im Februar. Die Preise für Industriegüter ohne Energie erhöhten sich um 1,1 Prozent nach zuvor 1,6 Prozent.

Dienstleistungen, die bei den EZB-Währungshütern derzeit besonders im Fokus stehen, verteuerten sich im März um 4,0 Prozent. Es ist bereits der fünfte Monat in Folge, in dem der Anstieg der Dienstleistungspreise auf diesem Niveau verharrt. Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer liegt das vor allem an den Tariflöhnen, deren Anstieg nach Einschätzung der EZB im weiteren Verlauf des Jahres zwischen 4,5 und 5 Prozent schwanken würden. Das sei mit dem Inflationsziel nicht vereinbar. Sein Fazit daher: "Im Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile die schwierigste." (apa)