Kapitalmarkt kapital!

Zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes braucht es Wachstum. Dieses garantiere ein gut funktionierender Kapitalmarkt. Wirtschaftsforscher Christian Keuschnigg nennt in seiner jüngsten Studie zehn Punkte, wie man den rot-weiß-roten Finanzplatz in Schwung bringt.

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Zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes braucht es Wachstum.  Dieses garantiere ein gut funktionierender Kapitalmarkt. Wirtschaftsforscher Christian Keuschnigg nennt in seiner jüngsten Studie zehn Punkte, wie man den rot-weiß-roten Finanzplatz in Schwung bringt.

Mit entsprechenden Kapitalmarktreformen könnte Österreichs Wirtschaft bis 2030 deutlich stärker  wachsen. „Wenn Österreich über 15 Jahre um 0,5 Prozent schneller wächst als der Durchschnitt der Eurozone, könnten die kumulativen Wachstumsgewinne das Bruttoinlandsprodukt 2030 relativ zur Eurozone um acht Prozent steigern“, berechnet Christian Keuschnigg, Universität St. Gallen und Wirtschaftspolitisches Zentrum Wien. Denn: „Um Arbeitsplätze zu schaffen braucht es Investitionen. Dafür benötigt es Finanzierungen, die ein wettbewerbsfähiger Finanzmarkt sicherstellt“, so der Wirtschaftsprofessor.

In seiner jüngsten Studie im Auftrag der Initiative „Finanzplatz Österreich“ nennt er zehn Punkte, die den heimischen Kapitalmarkt nach vorne bringen könnten.  Sie betreffen die Bereiche Regulierung, Besteuerung und institutionelle Reformen:

  1. Eine verbesserte Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken und die Umsetzung der Baselregulierung, um die Institute für Krisen fit zu machen.  Viel sei hier schon getan worden.
  2. Vollendung der Bankenunion mit einer einheitlichen Aufsicht und einer harmonisierten Einlagensicherung. „Damit trägt der Bankensektor die gesellschaftlichen Kosten seiner Bankgeschäfte künftig auch selbst“, so Keuschnigg.
  3. Österreich brauche nicht noch rigidere Eigenkapitalanforderungen  und strengere Vorschriften für die Neukreditvergabe, als sie die EU ohnedies einfordere, mahnt der Finanzexperte. Das gefährde die Wettbewerbsfähigkeit.
  4. Abschaffung von Lenkungssteuern wie die Stabilitäts- beziehungsweise Bankenabgabe.  Sie sei kontraproduktiv. Die Regulierungen hätten ohnedies einen Lenkungseffekt. Keuschnigg begrüßt, dass  die Regierung  die Abgabe mit 2017 von 640 auf 100 Millionen Euro pro Jahr reduziert. „Was schmerzt, ist allerdings die hohe einmalige Abschlagzahlung von einer Milliarde Euro, die die Banken aufbringen müssen“, beklagt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer (WKO).
  5. Man dürfe nicht, wie es die Unternehmensbesteuerung derzeit macht, Fremdkapital steuerlich bevorzugen: Zinsen auf Fremdkapital sind steuerlich abzugsfähig, Kosten des Eigenkapitals nicht.
  6. Riskante Anlagen wie Aktien und Unternehmensbeteiligungen werden derzeit steuerlich diskriminiert. Damit Anleger Risiko eingehen, sollte man  Verluste an der Börse oder bei Beteiligungen  voll ausgleichen und auch vortragen können.
  7. Moderater Ausbau der kapitalgedeckten Pensionsvorsorge (zweite und dritte Säule) Das würde die Wiener Börse mit neuem Kapital befeuern, sie auch für große institutionelle Investoren wie Pensionskassen attraktiv machen.
  8. Mehr Investorenschutz, um das Vertrauen der privaten Anleger zurückzugewinnen.
  9. Privates Beteiligungskapital sollte ebenso forciert werden wie Technologietransfer und Gründungen, denen oft zu viele bürokratischen Steine in den Weg gelegt würden. Gerade junge Technologieunternehmen brauchen Wagniskapital.
  10. Mehr Finanzschulung für Privatanleger. Gerade in der Niedrigzinsphase müsse man für eine bessere Ertrags- und Risikomischung die Österreicher über Alternativen zum Sparbuch informieren.

Ein robuster Finanzsektor federe zudem Risken besser ab, betont der Wirtschaftsprofessor. Auch könne er Konjunkturschwankungen glätten. Rezessionen könnten um ein bis zwei Prozent milder ausfallen.


Gefahr einer Immobilienblase? keuschnigg-christian-03

Wie gesund ist der österreichische Immobilienmarkt? Wie sinnvoll ist die Wohnbauförderung? ImmoFokus erkundigte sich beim Wirtschaftsforscher Christian Keuschnigg. 

Österreichs Privathaushalte verwenden ihre Bankkredite zu 64 Prozent für Immobilienkäufe. Wie groß ist die Gefahr einer Immobilienblase in Österreich? Könnten bei einem Anstieg der Zinsen die Wohnkredite wie schon 2007/2008 eine neuerliche Finanzkrise auslösen?  

Christian Keuschnigg: Immobilienblasen sind grundsätzlich eine Gefahr für das Finanzsystem, aber die letzte Krise ist nicht von Österreich ausgegangen. Es mag in Wien gewisse Anzeichen für eine Immobilienpreisblase geben, aber nicht in einem Ausmaß, das bei solider Finanzierung nicht weggesteckt werden könnte. Außerdem ist es schwer auseinanderzuhalten, ob ein Preisanstieg auf optimistischem Überschwang mit Blasenbildung beruht oder eben eine Knappheit im Angebot widerspiegelt. Insgesamt sehe ich aber hier in Österreich kein besonderes Problem. Viel wichtiger ist, dass Haushalte, Unternehmen und Banken solide mit genügend Eigenmitteln finanziert sind. Die Haushalte müssen genügend Eigenmittel ansparen, damit die Kredite für den verbleibenden Teil auch in schwierigen Zeiten tragbar bleiben.

Welche Bedeutung hat die Börse für den Wohnbau?  Wie groß ist die Bedeutung? 

Die Börse kommt für große Unternehmen in Frage, um sich von neuen Investoren Eigenkapital zu beschaffen oder Anleihen als Alternative zum Bankkredit aufzunehmen. Das ist auch eine Finanzierungsmöglichkeit für große Immobiliengesellschaften und Unternehmen der Bauwirtschaft als Anbieter auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt, die man stärker kultivieren sollte.

Könnte man sich damit Wohnbauförderung ersparen? 

Wohnbauförderung soll eher ein Finanzierungsproblem auf der Nachfrageseite lösen, indem man damit die Wohnungen etwas verbilligt. Mehr Markt wäre aber besser anstatt mehr Subventionen. Der Staat sollte die Mietpreisdeckelung aufgeben, damit private Wohnbauinvestitionen sich besser rentieren. Mietpreissteigerungen sind notwendig, um Knappheit anzuzeigen und damit an die Privatwirtschaft ein Investitionssignal auszusenden. Es ist besser, den ärmeren Haushalten höhere Einkommenszuschüsse zu zahlen, um ihre reale Kaufkraft zu erhalten, wenn die Mietpreise steigen. Preiseingriffe richten mehr Schaden an, als sie nützen.

Sie dienen der Umverteilung...

 Umverteilen tut man ganz gezielt und daher treffgenauer und sparsamer mit dem Steuer-Transfer-Mechanismus, damit die Unterstützung wirklich dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.


Kleiner Finanzplatz Österreich in Zahlen

  • Der Wert aller Aktiva am Finanzplatz Österreich beträgt das Fünffache des Bruttoinlandsprodukts (469 Prozent). Ähnliche Bedeutung hat der Kapitalmarkt in Deutschland (463 Prozent). Das ist aber deutlich unter dem Durchschnitt der Eurozone  (624 Prozent). In den Niederlanden betragen die Aktiva das Vierzehnfache des BIP. 27 Prozent der Finanzaktiva der gesamten Europäischen Union (EU 28) vereint Großbritannien.
  • Das Finanzvermögen der Österreicher lag 2014 mit 593 Milliarden Euro bei 180 Prozent des BIP, in der Eurozone sind es 209 Prozent.
  • Von den vermögendsten fünf Prozent der Haushalte halten 68 Prozent Unternehmensbeteiligungen, von der ärmsten Bevölkerungshälfte nur zwei Prozent.
  • Österreichs Kleinunternehmen finanzieren sich zu 43 Prozent mit Bankkrediten, Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern nur zu 11 Prozent. Sie haben Zugang zum Kapitalmarkt, die Eigenkapitalquote nimmt mit der Größe zu.
  • Die Bilanzsumme des österreichischen Bankensektors liegt bei 288 Prozent, in Deutschland bei 268 Prozent, in der Schweiz bei 461 Prozent, in den USA nur bei 88 Prozent des BIP.
  • Die Bankaktiva bestehen in Österreich zu 74 Prozent aus Forderungen für ausstehende Kredite. Der Anteil der notleidenden Kredite lag 2015 bei 6,9 Prozent (EU-Schnitt bei 5,8 Prozent) .
  • Die Kreditzinsen liegen seit mehr als einem Jahrzehnt teilweise um mehr als einen Prozentpunkt unter dem Schnitt der Eurozone.
  • Die Eigenkapitalquote der Banken stieg von 2008 auf 2015 von 7,7 auf 11,6 Prozent. Der EU-Schnitt liegt bei 15 Prozent.
  • Die Versicherungen verwalten Aktiva in der Höhe von 42 Prozent des BIP, davon fallen 5,6 Prozent auf Pensionskassen. In der EU sind die Pensionskassen mehr als dreimal so groß. In Dänemark verwalten sie 72 Prozent des BIP.
  • Die Börsenkapitalisierung liegt in Österreich mit 26 Prozent des BIP weit unter dem Schnitt der Eurozone (59 Prozent).
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