Retail International Licht und Schatten auf dem europäischen Retail-Investmentmarkt

BNP Paribas Real Estate: Deutlich geringeres Transaktionsvolumen im Jahr 2023 - Gute Aussichten im Luxus- und Tourismussegment

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Licht und Schatten auf dem europäischen Retail-Investmentmarkt

Das Investmentvolumen auf dem europäischen Retailmarkt ist im Jahr 2023 um 40 % auf rund 26,2 Mrd. € gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. In Bezug auf den Marktanteil von Retail-Investments am gesamten Gewerbeimmobilienmarkt konnte dieser jedoch von 16 % im Vorjahr auf 20 % im Jahr 2023 ausgebaut werden und damit sogar den höchsten Beitrag seit fünf Jahren liefern (2018: ebenfalls 20 %). „Vor diesem Hintergrund kann die Einzelhandelssparte nach dem Hotelsegment bezogen auf die Umsatzrückgänge als der am wenigsten betroffene Sektor gewertet werden”, betont Patrick Delcol, Head of European Retail bei BNP Paribas Real Estate.

Investments in Fachmärkte in den größten europäischen Ländern beliefen sich im vergangenen Jahr auf ein Gesamtvolumen von rund 8,5 Mrd. €. Obwohl das Fachmarktsegment gegenüber 2022 einen Rückgang von 28 % verzeichnen musste, hat es insgesamt wieder einmal die größte Krisenresilienz der unterschiedlichen Objektarten im Einzelhandelssegment unter Beweis gestellt. Insgesamt machte die Sparte die Hälfte des gesamten Umsatzes in Einzelhandelsobjekte aus und erfreut sich unter Investoren einer konstant hohen Beliebtheit.

Der High-Street-Sektor musste mit einem Transaktionsvolumen von 4,9 Mrd. € dagegen die stärksten Einbußen im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen (-50 %). Dieser Rückgang ist jedoch vor dem Hintergrund des außergewöhnlich hohen Vorjahresergebnisses (9,7 Mrd. €) zu betrachten. Dabei ist zu beachten, dass in diesem Ergebnis die Eigennutzertransaktionen von Luxusmarken in den prestigeträchtigsten Pariser Einkaufsstraßen in Höhe von 2,9 Mrd. € nicht enthalten sind.

Das Shoppingcenter-Segment registrierte ebenfalls ein gegenüber 2022 um 55 % gesunkenes Investmentvolumen und kommt damit auf ein Volumen von rund 4 Mrd. €.

Attraktive Risikoprämie für Fachmärkte und Einkaufszentren

Der rasante Zinsanstieg in den Jahren 2022 und 2023 hat die Spitzenrenditen in die Höhe getrieben und zu einer Neubewertung in allen Anlageklassen geführt. Eingesetzt hat der steigende Trend bei den Spitzenrenditen im Einzelhandelssektor im zweiten Halbjahr 2022, und auch im Laufe des Jahres 2023 war eine Fortsetzung der finanzmarktbedingten Preisfindungsphase zu beobachten. Hierbei ist der Renditeanstieg nach wie vor weniger ausgeprägt als in anderen Assetklassen (wie zum Beispiel bei Premium-Büro- und Logistikobjekten), da diese bereits während der Coronakrise im Jahr 2020 eine tiefgreifendere Korrektur durchlaufen haben. „Die Spitzenrenditen für Fachmärkte und Einkaufszentren sind in ganz Europa nach wie vor sehr attraktiv und ziehen weiterhin das Investoreninteresse auf sich. Diese Segmente bieten die besten Risikoprämien auf dem gesamten Immobilienmarkt”, so Patrick Delcol.

Die Spitzenrenditen in den europäischen Top-Einkaufsstraßen sind trotz eines Anstiegs in den meisten Ländern weiterhin am niedrigsten. Dies ist insbesondere auf das rege Transaktionsgeschehen im Luxussegment zurückzuführen, das sich während der Krise als robust erwiesen hat. Dabei handelt es sich allerdings um einen Nischenmarkt, der bei weitem nicht das gesamte High-Street-Segment umfasst. Insbesondere die herausfordernden Rahmenbedingungen für den Konsumsektor und konsumorientierte Shoppingmeilen sind bei dieser Bewertung auszuklammern.

Da die Zinsen Ende 2023 ihren Höchststand erreicht haben und die Zentralbanken in diesem Jahr voraussichtlich Zinssenkungen planen, dürften Investoren in den kommenden Quartalen von etwas günstigeren Finanzierungsbedingungen profitieren. Dies dürfte vor allem im zweiten Halbjahr das Investmentvolumen ankurbeln, vor allem getrieben durch Investoren mit einem Value-add- oder opportunistisch orientierten Anlageprofil. 

Vermietungsmärkte erweisen sich als widerstandsfähig

Luxusmarken nehmen weiterhin hohe Mieten für den Zugang zu den exklusivsten Lagen Europas in Kauf, wie nicht zuletzt die von Yves Saint Laurent gezahlte Rekordmiete in der Londoner Bond Street unterstreicht. Zu diesen nennenswerten Eröffnungen renommierter Luxusbrands, die im vergangenen Jahr häufig zu beobachten waren, sind nicht zuletzt auch die von Dior auf der Avenida da Liberdade in Lissabon sowie Schiaparelli im prestigeträchtigen Harrods in London zu nennen.   

Durch das Zusammenspiel aus einer insgesamt knappen Angebotssituation und zahlungskräftigen Labels sind die Mieten in den bedeutendsten europäischen Luxus-Einkaufsstraßen gestiegen. In diesem Zusammenhang sind mit der Via Montenapoleone in Mailand (13.000 €/m²/Jahr, +16 % ggü. 2022) und der Via dei Condotti in Rom (11.000 €/m²/Jahr, +15 %) insbesondere zwei italienische Städte beziehungsweise Lagen zu erwähnen. Mietsteigerungen gab es aber auch in Wien (5.103 €/m²/Jahr, +5 % am Kohlmarkt) und in Lissabon (1.170 €/m²/Jahr, +3 % in der Avenida da Liberdade). In Paris sowie in anderen europäischen Metropolen stabilisieren sich die Spitzenmieten. Obwohl die Leerstände auch hier bereits wieder sinken, ist die Trendumkehr bei den Spitzenmieten in diesen Städten noch nicht vollständig abgeschlossen.

Omnichannel-Strategien und Innovation von größter Bedeutung

Nicht zuletzt im Zuge der gestiegenen Lebenshaltungskosten wurden Schwachstellen in der Positionierung und in der strategischen Ausrichtung vieler Labels aufgedeckt. So wurde das Jahr 2023 durch zahlreiche Insolvenzen, Liquidationen und Umstrukturierungen bei renommierten Retailern geprägt. In vielen Fällen sind die Probleme auf eine schlechte Kundenansprache beziehungsweise eine unzureichende Verknüpfung verschiedener Vertriebswege zurückzuführen. Hierbei haben viele Einzelhändler ihren gesamten Fokus auf die Expansion innerhalb des eigenen Onlinegeschäfts gelegt, anstatt auf den Ausbau einer funktionierenden Omnichannel-Strategie zu setzen. Einige Retailer haben es aber auch versäumt, in die Digitalisierung ihres Geschäftsmodells zu investieren und sind dadurch in Schieflage geraten.

Durch den Rückgang der Onlineumsätze und die weiter steigende Bedeutung von Retouren haben sich die Rahmenbedingungen jedoch auch bei reinen E-Commerce-Playern erschwert. Hierbei hat sich der Wettbewerb durch stationäre Anbieter, die insbesondere seit dem Ende der Coronakrise integrierte Omnichannel-Modelle aufgebaut haben, spürbar verschärft. Letztere profitieren von Click & Collect-Angeboten sowie verbesserten „Ship from Store-Strategien“, sprich flexiblen Logistikprozessen, um Online-Bestellungen von dem Lager, Vertriebszentrum oder Ladengeschäft zu versenden, das sich in der Nähe des Kunden befindet. Darüber hinaus profitieren diese Akteure zusätzlich durch sofortige Rückerstattungen von im Internet gekauften Waren im Ladengeschäft. Außerdem öffnen sich konsumorientierte Einzelhändler immer weiter innovativen und modernen Storekonzepten, die das Kundenerlebnis in der stationären Einzelhandelslandschaft bestmöglich unterstützen.

In London hat die Fast Retailing Gruppe einen Uniqlo-Theory-Laden eröffnet, der zwei Ateliers umfasst, in denen die Kunden ihre Uniqlo-Artikel recyceln, reparieren und umgestalten können oder sogar die Möglichkeit haben, ihre eigenen Designs zu entwerfen. Im Geschäft befindet sich auch das erste Café von Uniqlo UK, das den Kunden „japanisch inspirierte Getränke” sowie eine Außenterrasse zum Entspannen bietet. Im Pariser Pop-up-Store von Circle Sportswear wird nicht nur Sportbekleidung verkauft, sondern es soll auch der Austausch zwischen Profisportlern und Laufbegeisterten gefördert werden. Vom Laden aus werden zudem Lauf-Events mit Catering-Angeboten gestartet. Die Turnschuhmarke Veja bietet Kunden in ihrem neuen Flagship-Store in Paris, der wie ein Baumarkt gestaltet ist, einen Verkaufsbereich sowie eine Schuhreparaturwerkstatt und einen Schneiderservice, um die Lebensdauer von Schuhen und Kleidungsstücken zu verlängern.

Gute Perspektiven

Die Aussichten für die Entwicklung der Verbraucherausgaben in Europa sind insgesamt als gut zu bewerten. Die Verlangsamung der Inflation wird hierbei die Reallöhne und das Verbrauchervertrauen verbessern und sich damit positiv auf die Konsumausgaben in ganz Europa auswirken. Darüber hinaus hat das weltweite Tourismusgeschäft wieder sein Vorkrisenniveau erreicht. Die Anzahl internationaler Touristen in Europa ist dabei im Jahr 2023 um 17 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Nach Angaben der Welttourismusorganisation führt die südliche Mittelmeerregion die Erholung an (+1 % ggü. 2019 und damit über Vor-Corona-Niveau). Die Rückkehr der Touristen führt zudem zu einem Anstieg der Passantenfrequenzen in den wichtigsten europäischen Einkaufsstraßen. „Diese beiden Faktoren deuten darauf hin, dass 2024 in fast allen europäischen Ländern eine Wiederbelebung der Einzelhandelsumsätze zu erwarten ist, was sich positiv auf die Entwicklung des stationären Einzelhandelsmarktes auswirken dürfte”, fasst Patrick Delcol zusammen.

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